Warum Billig-Supermärkte zunehmend Probleme haben
Verkauf Die Handelskette Real kämpft um ihre Zukunft. Die Krise des Unternehmens kommt für Experten wenig überraschend. Denn die SB-Warenhäuser passen immer weniger in die Zeit
Augsburg Es ist noch gar nicht so lange her, da plante Real einen Neuanfang. Im Herbst 2016 eröffnete das Unternehmen eine Filiale im niederrheinischen Krefeld, die zur Keimzelle eines erneuerten Unternehmens werden sollte. In der „Markthalle“gibt es eine Austernbar und ein Café mit eigener Röstmaschine. Aushängeschild ist die gläserne Metzgerei, in der Kunden bei der Wurstherstellung zuschauen können. Mindestens die Hälfte aller rund 280 Filialen, kündigte RealChef Patrick Müller-Sarmiento damals an, sollten nach dem Krefelder Vorbild umgestaltet werden.
Zweieinhalb Jahre später gibt es nur eine weitere „Markthalle“. Das Unternehmen plagt sich mittlerweile mit anderen Problemen. Der Metro-Konzern, zu dem Real gehört, will die Handelskette loswerden, so schnell wie möglich. Zwar hat Metro-Chef Olaf Koch versprochen, Real möglichst komplett zu verkaufen, zuletzt zeichnete sich jedoch immer mehr eine Zerschlagung ab.
Überraschend kommt die Krise nicht. Die SB-Warenhäuser stecken schon lange in der Krise. Zuletzt ging der Umsatz leicht zurück, der Gewinn halbierte sich auf nur noch 52 Millionen Euro im Jahr. Auch Gerrit Heinemann erstaunen die Turbulenzen nicht. Der Handelsexperte der Hochschule Niederrhein hält die SB-Warenhäuser für eine „überreife Betriebsform“, die nicht mehr so wirklich in die Zeit passt. „Real hat sich überholt“, betont der Fachmann. Die Läden seien zu groß, zu unübersichtlich. „Kunden fahren dort meist nur noch hin, wenn sie irgendetwas brauchen, das sie im normalen Supermarkt nicht bekommen.“Elektrogeräte etwa oder eine Luftmatratze. Diese Dinge würden heute jedoch auch häufig im Internet bestellt oder direkt im Fachhandel gekauft.
Damit steht die Entwicklung von Real auch stellvertretend für den Wandel, den das Einkaufsverhalten der Deutschen in den vergangenen Jahren durchlaufen hat. SB-Warenhäuser stammen genau wie Kaufhäuser aus einer Zeit lange vor der Erfindung des Internets. Aus einer Zeit, in der es ein Wettbewerbsvorteil war, auf riesigen Flächen ein möglichst großes Sortiment anzubieten. „Einmal hin, alles drin“lautet der Werbeslogan von Real. Mit dem Internet verlor dieses Konzept aber an Relevanz. „Der OnlineHandel ist die konsequente Weiterentwicklung des Selbstbedienungsprinzips“, sagt Heinemann. Mit dem Unterschied, dass das Sortiment im Warenhaus – genau wie in einem Versandhauskatalog – endlich sei, im Internet allerdings nicht.
Gleichzeitig ist die Zahl der Supermarkt-Filialen und DiscounterLäden in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Jeder Deutsche erreicht im Schnitt innerhalb von fünf Autominuten mindestens 5,5 dieser Geschäfte. Eine derartige Dichte an Lebensmittelgeschäften gibt es in keinem anderen Land auf der Welt. Dem Kunden kommt das entgegen. „Der Verbraucher bevorzugt Geschäfte in seiner Nachbarschaft“, erläutert Heinemann. Die Zeiten, in der Familien für den Wocheneinkauf in ein SB-Warenhaus am anderen Ende der Stadt fuhren, sind vielerorts vorbei. Der Trend geht stattdessen immer öfter zu kleineren Läden und edleren City-Geschäften, sowohl bei den klassischen Supermärkten als auch den Discountern.
Der ehemalige Rewe-Chef Alain Caparros hat das einmal so formuliert: „Wenn der Marktleiter jeden Kunden mit Namen begrüßt, ist der Kunde nicht mehr nur an einem Ort, wo er seinen Bedarf abdeckt, sondern er ist an einem Ort der Begegnung.“Und das, fügte er hinzu, „wird wichtiger in einer zunehmend anonymisierten Welt“. Auch RealChef Müller-Sarmiento dürfte das gelesen haben. Letztlich fehlte es ihm wohl nicht am Willen, sondern eher an der Zeit und dem Geld, um seine Krefelder „Markthallen“-Vision überall umzusetzen.