Das Böse lebt
Gesellschaft Wie kann es sein, dass die Mafia und Stalin „cool“sind?
„Jeder trägt das Böse in sich, es kommt nur darauf an, ob es ausbricht“, sagte Josef Wilfling einmal in einem Interview. Wilfling muss es wissen: Er war mehr als 40 Jahre im Polizeidienst, leitete lange die Münchner Mordkommission. Vielleicht ist es dieser Kern, der in den Menschen schlummert, der den morbiden Zauber des Bösen begründet. Doch darf man mit dem Bösen auch noch Werbung betreiben? Zumindest einige Gastronomen scheinen hier die Grenzen des guten Geschmacks auszutesten. „Cosa Nostra“nennt sich ein Restaurant in Köln, ein Hannoveraner Pizzalieferdienst trägt den Namen „Mafia Pizza Express“; auf dem Etikett einer Gewürzmischung steht „Palermo Mafia Shooting“– extra scharf, versteht sich. Dass Mord die Deutschen entspannt, ist nichts Neues: Der Sonntags-Tatort ist Kult. In der Bibel geschieht schon im vierten Kapitel der erste Mord. Doch die Faszination des Bösen ist kein exklusiv deutsches Phänomen. Ausgerechnet in Russland wird Stalin heute verehrt wie kaum zuvor. Das Umfrageinstitut Lewada in Moskau zeigt: 70 Prozent der Befragten heißen die Taten des Diktators gut. Die offizielle Politik lässt Denkmäler für den Schlächter errichten, unterstützt Museen. Denen, die über den roten Terror aufklären wollen, legt sie Steine in den Weg. Es herrscht immer mehr der (Stalin’sche) Grundsatz vor: Der Staat ist um einiges wichtiger als die Menschen, sie seien ohnehin nur Späne der Geschichte. „Sympathy for the Devil“singen die Rolling Stones. Wir grölen mit. Und hoffen, dass unser eigener böser Kern für immer eingeschlossen bleibt.