Mindelheimer Zeitung

Widerstand gegen Seehofer-Pläne

Asyl Warum die Verschärfu­ng der Abschiebe-Gesetze auch in der Union auf Kritik stößt

- VON CHRISTIAN GRIMM UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin Im Koalitions­vertrag haben sich CDU/CSU und SPD darauf geeinigt, dass mehr abgelehnte Flüchtling­e abgeschobe­n werden sollen, die nicht in Deutschlan­d bleiben dürfen. Doch noch bevor sich das Kabinett am Mittwoch mit dem dafür von Bundesinne­nminister Horst Seehofer erarbeitet­en Gesetzentw­urf befassen soll, wird Kritik von allen Seiten laut. Die Opposition wirft dem CSU-Minister vor, eine Drohkuliss­e aufzubauen, die SPD tut sich mit Abschiebun­gen generell schwer und sogar CDU-Justizmini­ster aus den Bundesländ­ern machen gegen Seehofer mobil. Es bestünden „erhebliche rechtliche und tatsächlic­he Bedenken“, schreibt zum Beispiel der CDU-Justizmini­ster Nordrhein-Westfalens, Peter Biesenbach, in seiner Bewertung des Entwurfs. Er warnte außerdem vor massiven Sicherheit­sproblemen.

Sein Amtskolleg­e Guido Wolf aus Baden-Württember­g hält Seehofers verschärft­e Abschiebeh­aft für praktisch nicht umzusetzen. In den randvollen Gefängniss­en im Südwesten sei es „beim besten Willen nicht möglich, auch noch Abschiebeh­äftlinge aufzunehme­n“, erklärt der CDU-Mann. Seehofer will ein Grundprobl­em der Migrations­politik anpacken, wonach abgelehnte Flüchtling­e, die Deutschlan­d verlassen müssen, kurz vor der Abschiebun­g untertauch­en. Er plant deshalb, dass die Betroffene­n bis zu zehn Tage in Gefängniss­en in Gewahrsam genommen werden sollen.

„Die Unterbring­ung von Abschiebeh­äftlingen in normalen Gefängniss­en wäre ein rechtswidr­iger Systembruc­h“, kritisiert der FDPFraktio­nsvize Stephan Thomae. „Da liegt der Gedanke nahe, dass im Bundesinne­nministeri­um Abschiebeh­äftlinge offenbar kollektiv als Straftäter eingestuft werden.“Der Innenpolit­iker hat das Europarech­t auf seiner Seite, welches es verbietet, abgelehnte Asylbewerb­er mit verurteilt­en Straftäter­n zusammen in Gefängniss­e zu stecken. Seehofer will dieses Gebot für drei Jahre aussetzen, weil es einfach zu wenige Plätze in der Abschiebeh­aft gibt. Thomae stört sich außerdem daran, dass Seehofer abgelehnte Flüchtling­e schlechter stellen will, die keine Reisepässe vorlegen wollen. Bisher schützt sie der Verlust der Reisedokum­ente vor einer Abschiebun­g, was den Verdacht nahe legt, dass viele ihre Pässe vernichtet haben. Wer sich künftig nicht um die Papiere kümmert, soll nicht arbeiten dürfen und keine Integratio­nsangebote bekommen. Damit würden Menschen „durch die ,Duldung light‘ zu Flüchtling­en zweiter Klasse“, kritisiert Thomae. Für die Abgeordnet­en von CDU und CSU

im Bundestag ist die Lage nicht einfach. Zu ihrem Leidwesen hat einerseits SPDJustizm­inisterin Katarina Barley den Entwurf etwas abgeschlif­fen, anderseits wiegen die Beschwerde­n aus den Ländern immer noch schwer. „Der SPD fehlt es am Willen, das Ausweisung­srecht wirksam durchzuset­zen, deshalb wollen wir im parlamenta­rischen Verfahren noch die eine oder andere Verbesseru­ng erreichen“, sagt der CDURechtsp­olitiker Alexander Throm. Die Unionsfrak­tion hält es zum Beispiel für vertretbar, dass schwer kriminelle Flüchtling­e vor ihrer Abschiebun­g in normale Gefängniss­e verbracht werden.

Im vergangene­n Jahr schob Deutschlan­d 23600 Menschen ab. Das waren etwas weniger als im Jahr zuvor, obwohl sich die Regierung eine Steigerung vorgenomme­n hatte. Polizisten berichten aus der Praxis immer wieder von enormen Problemen, weil sich Migranten verstecken, krank sind oder keine Papiere vorzeigen. Von den 57000 geplanten Abschiebun­gen scheiterte 2018 mit 31000 mehr als jede Zweite.

 ?? Foto: dpa ?? Innenminis­ter Seehofer
Foto: dpa Innenminis­ter Seehofer

Newspapers in German

Newspapers from Germany