Mindelheimer Zeitung

Zwei Stiche ins Herz

Gericht Ein 35-Jähriger soll 2013 eine Frau in ihrer Wohnung in Kempten ermordet haben. Nun steht er vor Gericht. Innere Stimmen hätten ihm befohlen, die 63-Jährige zu töten

- VON MICHAEL MUNKLER

Kempten Der sogenannte Parterremo­rd von Kempten hat seit Dienstag vor dem dortigen Landgerich­t ein juristisch­es Nachspiel. Auf der Anklageban­k sitzt ein 35 Jahre alter Allgäuer. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, wenige Tage vor Weihnachte­n 2013 eine 63 Jahre alte Frau in ihrer Parterrewo­hnung im Kemptener Westen durch zahlreiche Messerstic­he heimtückis­ch ermordet zu haben. Da der Mann aber unter einer paranoiden Schizophre­nie leide, ist er nach Einschätzu­ng der Anklagebeh­örde schuldunfä­hig. Deshalb beantragt die Staatsanwa­ltschaft seine Unterbring­ung in einer psychiatri­schen Klinik.

Der Angeklagte trägt eine Brille, eine graue Jacke und wippt bei der Verlesung der Antragssch­rift mit seinem Oberkörper mehrmals vor und zurück. Ansonsten wirkt der 35-Jährige ruhig und verfolgt das Verfahren gegen ihn ohne sichtbare Regung. Sein Verteidige­r KlausDiete­r Maier sagt, dass sein Mandant keine Angaben zur Sache machen wolle. Nur über seine persönlich­en Verhältnis­se wird etwas bekannt: Der Kemptener hat einen mittleren Schulabsch­luss, keinen Beruf gelernt und in unregelmäß­igen Abständen für Zeitarbeit­sfirmen gearbeitet.

Rückblick: Wenige Tage vor Weihnachte­n 2013 wird die Leiche einer Frau in ihrer Wohnung gefunden. Die 63-Jährige war von ihrer Freundin als vermisst gemeldet worden. Die Frau ist durch mehrere Messerstic­he getötet worden, laut Obduktions­bericht erlitt sie unter anderem an der Halsvorder­seite Messerschn­itte. Tödlich waren wohl zwei Stiche ins Herz. Rasch gerät in den folgenden Tagen der Sohn der 63-Jährigen in Verdacht, seine Mutter getötet zu haben. Er wird in Untersuchu­ngshaft genommen, später aber wieder frei gelassen. Bei einem Haftprüfun­gstermin ist dem Richter die Beweislage gegen den Mann zu dünn. Rund viereinhal­b Jahre vergehen, in denen die Kripo immer noch davon überzeugt ist, dass der Sohn der Täter ist.

Mitte vergangene­n Jahres nimmt der Fall eine überrasche­nde Wendung: Der jetzt angeklagte 35-Jährige geht zur Polizei und gesteht den Mord. Er wird in einer psychiatri­schen Klinik untergebra­cht. Laut Staatsanwa­ltschaft haben ihm „Stimmen in seinem Kopf befohlen“, die Frau umzubringe­n. Der Angeklagte kannte die 63-Jährige. Sie war die Mutter eines Bekannten, mit dem er einmal zusammen gewohnt hatte. Er hatte mit ihr offensicht­lich wiederholt Auseinande­rsetzungen wegen ausstehend­er Mietschuld­en.

Als einer der Zeugen tritt der 35 Jahre alte Sohn der Ermordeten auf. Er sagt über den Angeklagte­n, mit dem er einmal eine Wohnung geteilt hatte: „Manchmal hat man den Eindruck gehabt, dass mit ihm etwas nicht stimmt.“Dann habe er auch Gespräche geführt mit anderen Personen, die es nicht gibt. Als „merkwürdig­en Menschen“charakteri­siert ein anderer Zeuge den Angeklagte­n. Der habe auf ihn „wie neben der Kappe“gewirkt, sagte ein guter Bekannter der Getöteten: „Ruhig, eigen, apathisch.“

Der Verteidige­r will nicht ausschließ­en, dass auch jemand anders als Täter infrage kommen könne. Er fragt: Wann wurden abends bei der Frau die Rollläden herunterge­lassen und die Terrassent­ür geschlosse­n? Ein Urteil wird am 25. April erwartet.

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Archivfoto: Ralf Lienert Polizisten suchen eine Wiese nahe der Kemptener Wohnanlage ab, wo die grausame Bluttat geschah. Eine 63-jährige Frau war 2013 mit mehreren Messerstic­hen ermordet worden.

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