Köhlmeier als großer Mahner
Starke „Reden gegen das Vergessen“
Dass er ein begnadeter Erzähler ist, weiß eine große Leserschaft längst von Michael Köhlmeier – nach großen Romanen wie „Abendland“und kleineren wie „Zwei Herren am Strand“. Es weiß aber auch eine Hörerschaft, für die er Märchen, Mythen und Biblisches frei nacherzählt hat. Und nicht weniger überzeugend ist der Österreicher nun als Redner zu entdecken. Das geht weit über seinen nur sechsminütigen Auftritt in der Wiener Hofburg hinaus, mit dem er 2018 zum Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus für Furore sorgte. Die
Rede hieß wie der Sammelband jetzt: „Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle“und spannte den Bogen mahnend zur aktuellen Regierung Österreichs.
Stärker ist die Rede, die Köhlmeier kurz zuvor zur Einweihung eines Mahnmals zur Bücherverbrennung gehalten hatte und die von der Bedeutung des Erzählens handelt. Unnachahmlich aber – sodass man es immer wieder flüsternd vorlesen will – ist ein Manuskript aus dem Jahr 1997, in dem er über „Der Schriftsteller und Politik“spricht, aber mit der Geschichte seiner Mutter antwortet. Denn: „Es gibt nichts Abgeschmackteres, als wenn man politischen Opfern politisch kommt.“Und: „Im eigentlichen Leben, nämlich dem täglichen, das zwischen Aufschlagen der Augenlider am Morgen und dem Schließen derselben am Abend stattfindet, ist das Weltgeschehen in Wahrheit nichts weiter als eine Fußnote … .“
dtv, 96 S., 8 ¤