Grünlicher Himmel, gelbliches Wolkenmeer
Ausstellung Das Werk des norddeutschen Malers Franz Radziwill ist im Süden wenig bekannt. Dass sich das ändern sollte, zeigt eine famose Kabinett-Ausstellung in der Pinakothek der Moderne in München
München Ist das wirklich derselbe Maler, der sich an den beiden Seiten einer einzigen Holztafel zu schaffen gemacht hat? Auf dem einen Gemälde wandeln drei aufs Einfachste reduzierte schwarze Figuren über eine signalrote Straße hinein in eine expressiv farbige Landschaft, an deren Horizont sich Bäume und Häuser in einen grellgelben Himmel schrauben. Auf der anderen Seite schmiegen sich winzige Gehöfte aneinander, umgeben von sattem Grün – wie überhaupt die ganze Fläche von verschiedenen Grüntönen in feinen Hell-Dunkel-Abstufungen dominiert wird.
Zwischen den beiden Bildseiten, die jetzt in Saal 7 der Pinakothek der Moderne zu sehen sind, liegen nicht einmal fünf Jahre: Franz Radziwill (1895 – 1983) wechselt hier von seiner frühen expressionistischen Phase um 1920/21 erstaunlich schnell und konsequent zu den angesagten neusachlichen Bestandsaufnahmen, die „Gewittrige Landschaft“dürfte um 1923/25 entstanden sein. Der gelernte Maurer aus dem Norddeutschen Tiefland war noch keine 30 und gerade erst dabei, sich in der Kunstwelt zu orientieren. In den sehr unterschiedlichen Stilen zeigt sich aber auch das Zwiespältige seines Werks und mehr noch seiner Person.
Radziwill, den die Künstler in Worpswede, die „Brücke“-Mitglieder und die niederländischen Landschaftsmaler geprägt hatten, tritt bereits am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein. Er träumt nicht nur von einer nationalsozialistischen Revolution, er profitiert auch beruflich von der Machtübernahme der und erhält schon im Juli 1933 eine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie. Es gibt bekanntlich freie Stellen, denn Vertreter der Moderne wie Paul Klee und Heinrich Campendonk wurden aus ihren Ämtern gejagt.
Radziwill widerfährt dann tatsächlich Vergleichbares: Wegen seines expressionistischen Frühwerks wird er als „Kulturbolschewist“diffamiert und 1935 entlassen. Um Kunststudenten zu führen, fehle ihm die „Eigenwüchsigkeit und das umfassende Können“, heißt es damals. Drei seiner expressionistischen Arbeiten landen in der Femeschau „Entartete Kunst“, und als sie 1938 in Berlin Halt machte, weitere seiner Werke, darunter auch neusachliche Gemälde, zahlreiche Druckgrafiken und Zeichnungen. Sie wurden aus Museen entfernt und beschlagnahmt. Das übliche Prozedere. Dennoch bemüht sich der Maler von seiner Heimat Dangast aus um Rehabilitierung.
Unwillkürlich muss man an das NSDAP-Mitglied Emil Nolde denken, das zur selben Zeit von Seebüll aus Ergebenheitsadressen an Joseph Goebbels verfasste und genauso weBraunen nig verstehen konnte, dass die Nazis seine Kunst als „entartet“vorführen. Doch im Gegensatz zu Nolde genießt Radziwill in Dangast die Protektion des regionalen Gauleiters, und erlebt 1939, im Jahr „voller Demütigungen“, große Erfolge. Marine und Luftwaffe ermöglichen Ausstellungen und kaufen sogar Bilder an.
Das behagt dem nach Anerkennung gierenden Radziwill, trotzdem bleibt er – in künstlerischer Hinsicht – ein eigenwilliger Kopf, der sich nicht wirklich anpasst. Auf besondere Weise demonstriert das die jüngst mit Unterstützung der TheoWormland-Stiftung neu erworbene „Grodenstraße nach Varelerhafen“von 1938.
Ein Jahr zuvor hetzte Hitler bei der Eröffnung des „Hauses der Deutschen Kunst“gegen die Maler, die „Himmel grün“und „Wolken schwefelgelb empfinden“. Und was setzt Franz Radziwill über die backsteinrote „Grodenstraße“? Einen grünlichen Himmel und ein gelbliches Wolkenmeer. Darf man Weggefährten des Künstlers glauben, dann ist das Bild eine Reaktion auf die Hitler-Rede, die Radziwill am Radio verfolgt hatte. Offenkundiger sind jedenfalls die Bezüge zur eingangs beschriebenen „Landschaft mit drei schwarzen Schemen“und selbst zu Karl Schmidt-Rottluffs „Parkweg“(1910) auf Dangast – mit einer auffallenden roten Landstraße.
Aus den Gegenüberstellungen von Kurator Oliver Kase ergeben sich nicht nur interessante Parallelen; sie führen auch vor Augen, wie schwer dieser Franz Radziwill zu fassen ist: Er hat sein expressionistisches Frühwerk verworfen und doch nicht im Sinne der Nazis gemalt.
Erst im Krieg, 1942, löst sich Radziwill von seinen braunen Überzeugungen und verteidigt danach ein Leben lang die Freiheit der Kunst. Das OEuvre dieses im Süden kaum bekannten Vertreters des magischen Realismus macht es dem Betrachter keineswegs leicht, doch dessen Qualität ist unübersehbar. ⓘ
Franz Radziwill. Zwei Seiten eines Künstlers Laufzeit bis 31. Dezember in der Pinakothek der Moderne, München. Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr