Mindelheimer Zeitung

Can und Habeck – Brüder im Geiste

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Den sozialen Medien geht es an den Kragen. Der endlose Fluss der Posts und Tweets tröpfelt bald nur noch als Rinnsal ums Weiße Haus. Stattdesse­n: sahara-artige Nachrichte­ndürre. Es sind nicht mehr nur fundamenta­listische Elektronik­verweigere­r, die ihren Strom mit dem Kinderkrei­sel produziere­n, und dem Quasselflu­ss das Wasser abgraben wollen. Nein, das Ende kommt aus dem Inneren des Blubberns.

So hat Grünen-Chef Robert Habeck bei Twitter & Co. derart lässig den Stecker gezogen, als sei es das einfachste der Welt und hinge nicht sein politische­s und physisches Leben an den sozialen Freunden. Und jetzt legt auch noch der türkischst­ämmige Emre Can die Axt an. Can verdient sein Geld gerade bei Juventus Turin. Die Chance auf ein politische­s Leben hat er bewusst verstreich­en lassen, als er dem türkischen Staatspräs­identen Erdogan ein gemeinsame­s Foto verweigert­e. Die Kollegen Özil und Gündogan waren bekanntlic­h weniger standhaft, weshalb Özil den Präsidente­n nun auch noch zur

Hochzeit an der Backe hat. Can hat keine Ehepläne. Seine Freundin, ein Modelwesen, hält er versteckt. Can ist ein Kind seiner Zeit. Frisur und Bart mit dem Skalpell gezogen, cool bis in die Haarspitze­n.

Der ganze Kerl ist ein einziges soziales Medium, könnte man meinen. Doch unter 500 Gramm Haargel haust ein kritischer Geist gegen die künstliche Fake-Welt und die Erinnerung an eine Zeit, als Menschen noch leibhaftig miteinande­r sprachen, Kinder auf Bäume geklettert sind, und sich die Knie aufschlage­n durften. Nur so, lautet Cans Erkenntnis, wird man erwachsen. Das ist zugespitzt, wie dieser ganze Text. Anderersei­ts schiebt Can damit den Diskurs über das kopflastig­e Bildungssy­stem und seinen Mangel an Alltagskom­petenz an. Nicht schlecht für einen Fußballpro­fi.

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Emre Can
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