Mindelheimer Zeitung

Bahn

Verkehrsmi­nister Scheuer will Zugfahren billiger machen

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Im Dezember des vergangene­n Jahres hat das britische Unternehme­n Go-Ahead einen Coup gelandet: Es hat den Zuschlag für den Betrieb großer Teile des Regionalba­hnnetzes im Großraum Augsburg bekommen, darunter die wichtige Strecke nach München. Auch die Zugstrecke nach Lindau dürfen die Briten betreiben. Bis es so weit ist, vergeht zwar noch einige Zeit. Fahrplanwe­chsel für das Augsburger Netz ist im Dezember 2022, auf der Strecke nach Lindau geht es bereits im Dezember 2021 los. Doch schon heute beginnt Go-Ahead damit, sich vorzuberei­ten. Das Unternehme­n macht sich auf die Suche nach Personal, vor allem Lokführer werden gebraucht. Zudem planen die Briten ein neues Werk zur Instandhal­tung der Züge in Langweid nördlich der Stadt Augsburg. Dort entstehen auch neue Jobs.

Bereits Anfang Mai hat das Unternehme­n begonnen, in Augsburg mit Info-Veranstalt­ungen zusammen mit der Lokführer-Gewerkscha­ft GdL bisherige Mitarbeite­r der Bahn zu informiere­n. Die Deutsche Bahn hatte bei der Ausschreib­ung der Strecken den Kürzeren gezogen. Jetzt setzt Go-Ahead darauf, einen Teil der Bahn-Mitarbeite­r zu gewinnen, dorthin zu wechseln. „Wir brauchen ja Lokführer und weitere Mitarbeite­r“, sagte GoAhead-Sprecher Erik Bethkenhag­en unserer Redaktion.

Das Unternehme­n geht davon aus, dass für die Augsburger Netze rund 140 Lokführer gebraucht werden, für die Strecke München – Lindau kommen nochmals 40 bis 50 hinzu. Auch Zugbegleit­er muss die Firma einstellen – für die Augsburger Strecken circa 140, für das Allgäu 30 bis 40.

Um Personal zu gewinnen, setzt das britische Unternehme­n auf regelmäßig­e Veranstalt­ungen und eine große Info-Kampagne, unter anderem auf Facebook. Wechselwil­lige Bahn-Mitarbeite­r will Go-Ahead mit dem gültigen Tarifvertr­ag mit der GdL überzeugen. Die Löhne sollen am Ende „durchaus vergleichb­ar“sein, sagt Bethkenhag­en. Jüngere Mitarbeite­r hätten vielleicht etwas mehr auf dem Gehaltszet­tel, langjährig­e Mitarbeite­r vielleicht etwas weniger. Für den Wechsel gibt es feste Fristen, bis wann Bahn-Mitarbeite­r ihr Interesse zum Wechsel anmelden können, berichtet er. Zwei Jahre vor dem Start des Fahrplans müsse zum Beispiel ein Arbeitsver­trag erarbeitet werden. Aber auch danach hätten die Beschäftig­ten auf dem freien Markt die Chance zu wechseln.

Doch Go-Ahead will nicht nur Personal abwerben. „Wir wollen Triebwagen­führer auch in großer Zahl selbst ausbilden“, sagt Bethkenhag­en. Im Großraum Stuttgart, wo Go-Ahead noch dieses Jahr viele Regionalli­nien betreiben wird, habe man rund 120 Lokführer selbst ausgebilde­t. Als Idealfall strebe das Unternehme­n eine Mischung aus 50 Prozent altgedient­en und 50 Prozent neuen Mitarbeite­rn an.

Das britische Unternehme­n GoAhead drängt gerade stark ins deutsche Eisenbahnn­etz und bemüht Regionalst­recken zu betreiben. Mit einem günstigen Preis, aber auch dem Verspreche­n einer besseren Qualität hat man offenbar in den jüngsten Ausschreib­ungen in Bayern und Baden-Württember­g gegenüber der Bahn gepunktet. GoAhead hat inzwischen Zuschläge für Regionalst­recken im gesamten Großraum Stuttgart – Ulm – München. In Großbritan­nien hat das Unternehme­n nach eigenen Angaben seit rund 30 Jahren Erfahrunge­n im Bahngeschä­ft. Es befördert auf der Insel derzeit ein Drittel der Fahrgäste.

Für den Betrieb der Strecken hat Go-Ahead neue Züge bestellt – allein 56 für den Großraum Augsburg. Siemens soll 44 dreiteilig­e Züge liefern, dazu kommen zwölf fünfteilig­e und doppelstöc­kige Züge – vor allem für die Strecke nach München. Das Design: blau-weiß. Um die Züge zu warten, plant Go-Ahead den Bau eines neuen Betriebswe­rks. Ein ehemaliges Flughafeng­elände in der Nähe von Langweid sei bereits zum großen Teil gerodet. Ob GoAhead das Werk selbst betreiben wird oder einen Drittanbie­ter damit beauftragt, steht noch nicht fest.

Den Fahrgästen verspricht das britische Unternehme­n Verbessesi­ch, rungen gegenüber dem bisherigen Angebot der Bahn. Da zum Beispiel auf der Strecke nach München doppelstöc­kige Züge eingesetzt werden, gibt es mehr Sitzplätze, verspricht Go-Ahead. „Es gibt mehr Kapazität zu Hauptverke­hrszeiten und damit Verbesseru­ngen, die die Fahrgäste spüren werden“, verspricht Bethkenhag­en. Preislich werde sich nichts ändern. Hier gäben die Tarifverbü­nde die Ticketprei­se vor.

Ein Kritikpunk­t, der häufig für die Strecke nach München genannt wird, ist die mangelnde Pünktlichk­eit. „Wir versuchen hier, besser zu werden“, sagt Bethkenhag­en. „Am Ende hängt dieses Thema aber von der Infrastruk­tur ab“, sagt er – also von Bahnhöfen und Schienenne­tz – und dieses gehört weiter zur Bahn.

Obwohl das Unternehme­n bald zahlreiche Regionalst­recken in Bayern und Baden-Württember­g betreibt, schließt man eine weitere Expansion nicht aus. „Wir wollen in Deutschlan­d weiterwach­sen“, sagt Bethkenhag­en. Den Zuschlag für die Augsburger Netze habe man für zwölf Jahre. Das Unternehme­n plane aber, langfristi­g in Deutschlan­d zu bleiben.

Go-Ahead will dabei ab dem ersten Jahr profitabel sein.

 ?? Foto: Go-Ahead ?? Weiß und blau – so sollen die Züge von Go-Ahead aussehen, die ab Ende 2021 im Allgäu und ab Ende 2022 rund um Augsburg fahren.
Foto: Go-Ahead Weiß und blau – so sollen die Züge von Go-Ahead aussehen, die ab Ende 2021 im Allgäu und ab Ende 2022 rund um Augsburg fahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany