Mindelheimer Zeitung

Seehofers „kräftige Dinge“

Der Innenminis­ter verschärft die Abschieber­egeln und bekommt dafür die Zustimmung des Kabinetts. Seine Kritiker sagen: Das ist unverhältn­ismäßig

- Archivfoto: Patrick Pleul, dpa

Berlin Mehr Haftplätze und leichtere Inhaftnahm­e, Sozialleis­tungskürzu­ngen und ein neuer Duldungsst­atus: Das „Geordnete-RückkehrGe­setz“ist ein Paket mit vielen Verschärfu­ngen, die dazu führen sollen, Abschiebun­gen abgelehnte­r Asylbewerb­er aus Deutschlan­d konsequent­er durchzuset­zen. 58 Seiten stark ist der Entwurf, der am Mittwoch das Bundeskabi­nett passierte. Dazu brachte die Bundesregi­erung auch eine Reform der Asylbewerb­erleistung­en und Änderungen beim Zugang zu Deutschkur­sen auf den Weg. „Alles kräftige Dinge“, resümierte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nach der Kabinettss­itzung.

Sein Gesetz mit Verschärfu­ngen der Abschieber­egeln verfolgt vor allem das Ziel, diejenigen härter anzugehen, die in den Augen der Behörden nicht genügend bei der Ausreise kooperiere­n, indem sie sich etwa nicht um Papiere bemühen. Es soll künftig Konsequenz­en haben, wenn der Verbleib in Deutschlan­d selbst verschulde­t ist, sagte Seehofer. Den jetzigen Zustand könne ein Innenminis­ter nicht hinnehmen.

240000 Menschen gelten in Deutschlan­d als „vollziehba­r ausreisepf­lichtig“. Bei ihnen ist beispielsw­eise etwa ein Asylantrag rechtskräf­tig abgelehnt. 184 000 von ihnen haben aber eine Duldung, entweder aus humanitäre­n oder gesundheit­lichen Gründen – oder weil ihre Identität nicht geklärt ist. Der Herkunftss­taat nimmt sie dann nicht zurück. Was Seehofer außerdem ärgert: 2018 sind mehr Abschiebev­ersuche – 31000 – gescheiter­t als erfolgt: rund 26000.

Um das zu ändern, sollen die Schwellen für die Inhaftnahm­e abgesenkt werden. Vorgesehen ist zudem die Einführung einer Mitwirkung­shaft, mit der Ausländer bis zu 14 Tage festgehalt­en werden können, um sie zu einem Termin bei der Botschaft zu zwingen. Abschiebet­ermine sollen zu Dienstgehe­imnissen erklärt werden, um zu verhindern, dass Betroffene vorher davon erfahren und untertauch­en. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass in der kommenden Woche wieder ein Abschiebef­lug nach Afghanista­n geplant ist.

„Herzstück“des Gesetzes ist nach Worten von Seehofer ein neuer Status für sogenannte Mitwirkung­sverweiger­er. Für Menschen mit einer „Duldung für Personen mit ungeklärte­r Identität“sollen eine Wohnsitzau­flage und ein Arbeitsver­bot gelten. Zudem wird ihre Aufenthalt­sdauer in Deutschlan­d nicht angerechne­t, wenn es um das Anstreben eines Daueraufen­thaltsrech­ts geht.

„Kräftige Dinge“sind das alles, finden auch Opposition und Nichtregie­rungsorgan­isationen. Pro Asyl sprach von weitreiche­nden Eingriffen, die die Rechte geflüchtet­er Menschen systematis­ch abbauen würden. Der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband kritisiert­e, dass die Menschen mit dem neuen Duldungsst­atus von Integratio­nsangebote­n ausgeschlo­ssen werden. Das sei ein Rückschrit­t in der Integratio­nspolitik. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie redete von „unverhältn­ismäßigen Verschärfu­ngen“.

Linken-Abgeordnet­e Ulla Jelpke sieht in der geplanten Aussetzung der Trennung von Abschiebe- und regulärer Strafhaft einen Verstoß gegen europäisch­es Recht. Das verbietet die gemeinsame Unterbring­ung. Das Ministeriu­m beruft sich bei der Aussetzung dieses Gebots, die die Zahl der Abschiebeh­aftplätze auf 1000 verdoppeln soll, auf eine Notlage. Die Grünen kritisiert­en die im Asylbewerb­erleistung­sgesetz vorgesehen­en Kürzungen. Durch eine Neuberechn­ung werden die Sätze für alleinsteh­ende Asylbewerb­er um zehn Euro auf 344 Euro sinken, für Menschen in Sammelunte­rkünften von 318 auf 310 Euro.

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Asylbewerb­er (hier in einer Aufnahmeei­nrichtung in Eisenhütte­nstadt) müssen stärker als bisher mit den Behörden zusammenar­beiten.

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