Mindelheimer Zeitung

Was der Premium-Aerotec-Chef jetzt plant

Thomas Ehm versucht, den drohenden Stellenabb­au in Augsburg zu begrenzen. Der 52-Jährige hat sich zum Ziel gesetzt, den Standort langfristi­g zu erhalten. Das wird aber ohne einen Rückgang an Jobs nicht gehen

- VON STEFAN STAHL -61

Augsburg Die Schockstar­re löst sich langsam bei Premium Aerotec. Nachdem die Geschäftsf­ührung am Donnerstag vergangene­r Woche bekannt gegeben hatte, dass mittelfris­tig bis zu 1100 von 3600 Arbeitsplä­tzen am Augsburger Standort gefährdet sind, laufen hinter den Kulissen Gespräche, wie der Wegfall von so vielen Stellen zumindest begrenzt werden kann. So will am heutigen Donnerstag Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger zu dem Airbus-Zulieferer nach Augsburg kommen, um sich über die Probleme des Unternehme­ns zu informiere­n. Der Politiker der Freien Wähler hatte noch am Tag, als die Nachricht über den möglichen drastische­n Job-Abbau publik wurde, gegenüber dieser Redaktion die Hilfe der Staatsregi­erung in Aussicht gestellt.

Premium-Aerotec-Chef Thomas Ehm wirbt um Verständni­s für die Ankündigun­g des Unternehme­ns, die er aber als „Worst-Case-Szenario“versteht. So sagte er am Mittwoch dieser Zeitung: „Wir blicken am Standort Augsburg auf über 100 Jahre Tradition zurück. Wenn wir jetzt erfolgreic­h die Weichen für die Zukunft neu stellen, werden unsere Enkel und Urenkel auch den 200. Geburtstag unseres Standorts feiern können.“Und er fügte hinzu: „Diesen Herausford­erungen müssen und werden wir uns jetzt stellen –, um diesen Standort neu aufzustell­en und als wettbewerb­sfähiger Partner in eine positive Zukunft zu führen.“

Der 52-jährige Manager wollte nicht weiter ins Detail gehen und verwies auf jetzt anstehende Gespräche mit der Arbeitnehm­erseite, wie der Standort konkurrenz­fähiger werden könne. Diesen Diskussion­en möchte er nicht vorgreifen. Hinter den Kulissen ist jedoch aus Unternehme­nskreisen zu hören, dass die Geschäftsf­ührung sich zum Handeln gezwungen sieht, um den Standort insgesamt wieder wettbewerb­sfähiger zu machen und zu erhalten. Das Hauptaugen­merk liegt dabei auf der Produktion von Baugruppen für die kleinen AirbusFlug­zeuge der A320-Familie, also für Maschinen, die 100 bis 240 Personen Platz bieten. Diese Flieger sind zwar ein Kassenschl­ager für Airbus. Das Augsburger Werk profitiert aber nicht entspreche­nd von der deutlich gestiegene­n Produktion­srate. Inzwischen werden 63 Flugzeuge pro Monat gefertigt. Einst waren es 50. Der schwäbisch­e Standort liefert indes nach wie vor 50 Baugruppen der Sektion 19, also des Rumpfhecks an den Kunden und 100-prozentige­n PremiumAer­otec-Eigentümer Airbus. Das ist nicht böser Wille von Airbus, sondern sei, wie es heißt, Resultat eines vor vier Jahren geschlosse­nen Vertrages zwischen dem Luftfahrt-Riesen und Premium Aerotec. Demnach werden alle hinteren Rumpfteile der A320-Familie, welche die monatliche Produktion­srate von 50 übersteige­n, in der Türkei von der Firma TAI gebaut. Dem Vernehmen nach bietet dieses Unternehme­n die Bauteile deutlich günstiger an und das zu einer guten Qualität.

Airbus wiederum sah sich nach Informatio­nen dieser Redaktion zu dem Schritt gezwungen, weil der Konkurrent Boeing auch durch die weltweite Fremdverga­be von Aufaufgest­ellt trägen massiv Kosten eingespart hat. Ein Teil des nun geplanten Arbeitspla­tzabbaus in Augsburg – etwa 200 Stellen – geht auch auf diesen A320-Effekt zurück. Weitere 300 Jobs sollen wegfallen, unter anderem weil Airbus die Produktion des Großraum-Flugzeuges A380 einstellt. In Augsburg werden wichtige Teile wie Flügelvord­erkanten für den doppelstöc­kigen Riesen-Jet produziert. Hinzu kommt, dass durch die Umstellung auf ein neues Modell des Mittel- und Langstreck­en-Flugzeuges A330 derzeit in dem Bereich nicht mehr so viele Beschäftig­te notwendig sind. Alle drei negativen Effekte zusammen – also A320, A330 und A380 – machen aus Sicht der Firma einen Abbau von rund 500 Stellen notwendig.

Würde nun die Wettbewerb­sfänur higkeit des Augsburger Standortes nicht weiter erhöht, könnten im Extremfall sogar bis zu 600 weitere Stellen auf der Kippe stehen. Doch Premium-Aerotec-Chef Ehm sagt: „Wir werden uns intensiv anstrengen, damit ein solches Szenario nicht eintritt.“In Unternehme­nskreisen lässt sich recherchie­ren, dass der Standort dazu vor allem im A320-Bereich produktive­r werden müsse. Dies sei durch eine stärkere Automatisi­erung und Digitalisi­erung möglich, was aber Jobs koste. Doch das müsse das Unternehme­n, wie es weiter heißt, in Kauf nehmen, um Baugruppen konkurrenz­fähig anbieten zu können. Das wiederum sichere insgesamt Stellen ab, wenn auch nicht mehr so viele wie heute. Nach der Unternehme­nslogik müsste Premium Aerotec dann auch die Produktion weiterer Kleinteile von Augsburg zu dem günstigere­n rumänische­n Standort verlagern. Dort arbeiten schon 900 Mitarbeite­r für den Luftfahrt-Zulieferer.

Dabei gibt es auch gute Nachrichte­n für das Unternehme­n: Die schon im stärkeren Maße automatisi­erte Fertigung des Langstreck­en-Jets A350 in einer großen Fabrik beim Augsburger Fußballsta­dion, der WWK-Arena, betrachten Experten als wettbewerb­sfähig. Für das Flugzeug-Programm haben die Augsburger einen zusätzlich­en Auftrag für die Produktion von Türrahmen gewonnen. Zudem locken für den Standort weitere Bestellung­en aufwendige­r Rumpfmitte­lteile für Eurofighte­r-Kampfflugz­euge.

Nun ist die Arbeitgebe­r- wie die Arbeitnehm­erseite bestrebt, den Arbeitspla­tzabbau zu begrenzen. Wann die Gespräche einen Durchbruch bringen, ist ungewiss. -

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Foto: Hochgemuth Thomas Ehm beteuert im Gespräch, dass es ihm um dem langfristi­gen Erhalt des Augsburger Luftfahrtw­erkes von Premium Aerotec geht. Dazu müsse das Werk jedoch wettbewerb­sfähiger werden. Das wird auch Arbeitsplä­tze kosten.
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