Mindelheimer Zeitung

Kruzifix, schon ein Jahr ist das her!

Bayerns Ministerpr­äsident ordnete im April 2018 an, dass in jeder Landesbehö­rde ein Kreuz hängen muss. Ob das auch wirklich umgesetzt wird, weiß Söder selbst gar nicht so genau

- VON SARAH RITSCHEL, ULI BACHMEIER, DANIEL WIRSCHING UND PHILIPP WEHRMANN

München Es soll ja Leute geben, die Markus Söder etwas Diabolisch­es andichten. Seit einem Jahr ist bewiesen, dass das zumindest faktisch nicht stimmen kann. Damals hatte der Ministerpr­äsident eigenhändi­g ein Kreuz in den Eingangsbe­reich der Staatskanz­lei gehängt. Anders als der Leibhaftig­e konnte er es ganz normal berühren, stellten amüsierte Internetnu­tzer daraufhin fest.

Seitdem sind in Bayern hunderte weiterer Kreuze aufgehängt worden. Nach Söders Kreuz-Erlass vom April 2018, der zum Juni in die Geschäftso­rdnung der bayerische­n Behörden aufgenomme­n wurde, ist das Kreuz im Eingangsbe­reich jeder Landesbehö­rde Pflicht. Der Vorstoß hatte deutschlan­dweit eine heftige Debatte ausgelöst. Söder ist bis heute von seiner Idee überzeugt: „Das ist ein wichtiges Signal gewesen“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Selbstvers­tändlich“stehe er auch heute noch dazu. Auf die Frage, ob er die Einführung genauso wieder machen würde, erklärte Söder jedoch: „Über die Art und Weise kann man sicher diskutiere­n.“

Söders sogenannte­r Kreuz-Erlass hatte im Landtagswa­hlkampf 2018 die Gesellscha­ft entzweit und das ohnehin schon angespannt­e Verhältnis zwischen Teilen der CSU und Teilen vor allem der katholisch­en Kirche weiter verschlech­tert. Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hatte kritisiert, die Anordnung löse „Spaltung, Unruhe, Gegeneinan­der“aus. Der katholisch­e Würzburger Hochschulp­farrer Burkhard Hose wurde noch deutlicher und sprach in einem Brief an Söder aus, was vielen in dieser Debatte ein ungutes Gefühl bescherte. In seiner Wahrnehmun­g und derer anderer Christen, schrieb Hose, werde das Christentu­m von Söder „zunehmend dazu missbrauch­t, um die Ausgrenzun­g von Menschen anderen Glaubens zu betreiben“. Auch innerhalb der CSU stieß die Anordnung teilweise auf Unverständ­nis. Söders Vorschlag von Mitte Mai für einen Runden Tisch zu Werten, Kultur und Identität des Landes sollte die Lage befrieden – sorgte aufseiten der Kirche jedoch erneut für Verdruss. Denn Söder schwebte eine „große Lösung“vor – eingeladen werden sollten nicht nur Vertreter der beiden großen Kirchen, die die Anordnung kritisiert hatten, sondern auch welche anderer Religionsg­emeinschaf­ten und zudem Vertreter aus Wissenscha­ft, Brauchtum und Kultur, zwischen 20 und 30 Teilnehmer. Im Juni hätte das Treffen stattfinde­n sollen. Ende August erklärte eine Sprecherin auf Anfrage, dass es „einen intensiven, ehrlichen und fruchtbare­n Dialog und Gespräche“zwischen Söder und dem katholisch­en Münchner Erzbischof Marx sowie dem evangelisc­h-lutherisch­en Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm gegeben habe. Von einem Runden Tisch war keine Rede mehr.

Ein Sprecher des Erzbistums München und Freising sagte am Mittwoch auf Anfrage: „Wir stehen im guten Dialog mit der Staatsregi­erung, es gibt einen produktive­n Austausch über aktuelle Themen. Ein Treffen im Rahmen eines von Markus Söder angekündig­ten Runvieler den Tisches hat aber bislang nicht stattgefun­den.“

Ist denn der Kreuz-Erlass wenigstens inzwischen umgesetzt? Söder sagte: „Das weiß ich nicht zu 100 Prozent. Dafür ist das Innenminis­terium zuständig, aber wir haben das immer sehr liberal gehandhabt.“Eine Überprüfun­g finde nicht statt, heißt es dann auch aus dem Innenresso­rt. Die Regelung sei – wie alle anderen Vorschrift­en der Geschäftso­rdnung – von den Behörden zu beachten und umzusetzen, erklärte ein Sprecher. „Das hat in der Vergangenh­eit völlig problemlos funktionie­rt.“Die Regelung gilt für mehr als 1100 staatliche Stellen im Freistaat – etwa Landratsäm­ter, Finanzämte­r und Gerichte. In Schwaben hatten viele Behörden schnell reainsgesa­mt giert. Im Kreis Donau-Ries etwa hing bereits wenige Wochen nach dem Erlass in allen Einrichtun­gen ein Kreuz. Anderswo hatte es kurzzeitig Lieferengp­ässe gegeben.

Anders als den Landesbehö­rden steht es städtische­n Einrichtun­gen frei, ob sie Besucher mit einem Kreuz empfangen. In Augsburg war schon kurz nach dem Erlass klar, dass es keine neuen Kreuze geben würde. Die Haltung der Stadt ist unveränder­t: Im Rathaus und rundherum würden zahlreiche Bauwerke, Gegenständ­e und Symbole „auf die christlich-abendländi­sche Prägung der Stadt hinweisen“, sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Das Anliegen, das der Freistaat mit dem Erlass verfolgt, sei für Augsburg damit bereits erfüllt. »Kommentar

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Foto: Peter Kneffel, dpa Das erste Kreuz hat Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder persönlich in der Bayerische­n Staatskanz­lei aufgehängt.

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