Mindelheimer Zeitung

Am „Car-Freitag“geben die Auto-Tuner wieder Gas

Zum Saisonstar­t der Szene am Karfreitag kommt es jedes Jahr zu zahlreiche­n Verstößen. Denn häufig bleibt es nicht bei aufjaulend­en Motoren und durchdrehe­nden Reifen. Die Polizei verstärkt daher in vielen Städten ihre Kontrollen

- VON STEVE PRZYBILLA

Singen/Duisburg Die Botschaft könnte nicht klarer sein: „Nächste Ausfahrt: Gefängnis“, heißt es auf mehreren Bannern, die an den Autobahnbr­ücken der A81 zwischen Singen und Stuttgart hängen. Wahlweise ist auch von „Knastfahre­rn“oder „Todesfahrt­en“die Rede. Das Verkehrsmi­nisterium von BadenWürtt­emberg hat die drastisch klingenden Plakate aufgehängt, weil es auf der A81 häufig zu illegalen Autorennen kommt.

Besonders turbulent geht es erfahrungs­gemäß am Karfreitag zu, an dem die Autotuning-Szene ihren „Car-Freitag“feiert. An diesem Tag starten die Tuner in die Saison. Und nicht immer geht es dabei nur um schicke Autos. Allein auf der A81 stellte die Polizei im vergangene­n Jahr 240 Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en fest. Vier Fahrer mussten ihr Auto nach der Kontrolle stehen lassen, weil sie unzulässig­e Veränderun­gen vorgenomme­n hatten.

Begangen wird der „Car-Freitag“nicht nur auf der A81. Besonders im Ruhrgebiet und in Norddeutsc­hland hat sich der Tuning-Tag in den vergangene­n Jahren fest etabliert. Wobei die Ausprägung­en höchst unterschie­dlich sind. In Augsburg etwa war er in den vergangene­n Jahren kein großes Thema. „Bei uns gibt es keine typische Raser-Szene“, erklärt auch Jacqueline Grahl, Sprecherin der Polizei Duisburg. „Wir haben es eher mit Posern zu tun, die den Motor aufheulen oder die Reifen durchdrehe­n lassen.“

So ganz können aber auch die Poser den Fuß nicht vom Gas lassen: 184 Tempoverst­öße registrier­te die Duisburger Polizei am vergangene­n Karfreitag. Tankstelle­n und Supermarkt-Parkplätze sind beliebte Treffpunkt­e. Wo genau die Tuner aufschlage­n, ist vorab aber nur Eingeweiht­en bekannt. Die meisten verabreden sich spontan über soziale Netzwerke; einen Veranstalt­er, den Behörden belangen könnten, gibt es meist nicht. Für die Polizei ist die Lage daher schwer planbar. „Manchmal“, so Grahl, „kommen zehn, zwanzig Leute. Manchmal aber auch hunderte von Personen.“

In Hamburg setzt die Polizei zivile Videofahrz­euge, Radarfalle­n und Beamte der Sondereinh­eit „Autoposer“ein, um die Lage in den Griff zu bekommen. Bis zu 1200 Personen mit 900 Fahrzeugen halten sich am Karfreitag zu Spitzenzei­ten rund um eine Hamburger Tankstelle auf. Hinzu kommen ungezählte Schaulusti­ge, wodurch laut Polizei „eine Art Arena-Charakter“entsteht.

Doch es sind nicht nur dicke Auspuffroh­re und PS-starke Motoren, die in der Szene Anerkennun­g bringen. Auch die Kulisse muss stimmen. So erwartet die Polizei in Adenau am Nürburgrin­g bis zu 20000 Besucher. Man rechne mit „waghalsige­n Burnouts“– das ist das Durchdrehe­n der Räder mit getechnisc­he zogener Handbremse – und „gefährlich­en Fahrmanöve­rn inmitten Schaulusti­ger“, heißt es vonseiten der Behörden. Die Polizei werde mit Kontrollen und Straßenspe­rren reagieren. Ihre Bilanz 2018: 196 Tempoverst­öße, zwölf Unfälle, sieben leicht Verletzte. Der Rennsporto­rt selbst will mit solchen Exzessen nichts zu tun haben. „Wir sind daran in keiner Weise beteiligt“, beteuert Alexander Gerhard, Sprecher des Nürburgrin­gs. „Die Eifel ist sehr katholisch. Da findet am Karfreitag keine offizielle Veranstalt­ung statt“, sagt er. Das hält Motorsport­fans freilich nicht davon ab, die umliegende­n Landstraße­n zu befahren.

Auch kommerziel­le Interessen spielen am „Car-Freitag“eine Rolle. So wirbt ein Sportwagen-Vermieter auf Facebook mit der Möglichkei­t, in einer „Rennmaschi­ne“über die „Landstraße­n zur grünen Hölle zu zirkeln“. Gegen Gebühr, versteht sich. So kostet eine 30-minütige Tour im AMG GTS 199 Euro. Für den Lotus Evora 400 werden 149 Euro fällig. Offizielle Verbände und Automobilk­lubs distanzier­en sich von solchen Aktionen. Der ADAC erklärt, man sei kein Akteur und verfüge über keinerlei Informatio­nen oder Statistike­n zu dem Thema. Der Verband der Automobil-Tuner bekräftigt, es handle sich bei den Karfreitag­streffen nicht um organisier­te Veranstalt­ungen. Stattdesse­n seien ausschließ­lich Privatleut­e und „autobegeis­terte Fans aller Art“daran beteiligt.

Die Mehrzahl der Tuner – das betonen allerdings auch die Behörden – wird am „Car-Freitag“nicht auffällig. „Im Ruhrgebiet gibt es viele junge Leute, und viele von ihnen haben schöne Autos“, sagt die Duisburger Polizeispr­echerin Jacqueline Grahl. „Wir haben damit kein Problem, solange niemand gegen das Gesetz verstößt.“Es sei eine Minderheit, die für Schlagzeil­en sorge. „Manche Autos sind so tief gelegt, dass sie fast am Reifen schaben. Wir kontrollie­ren konsequent, damit solche Verstöße die Ausnahme bleiben.“

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Foto: Thomas Frey, dpa Es sind nicht nur dicke Auspuffroh­re und PS-starke Motoren, die in der Autotuning-Szene Anerkennun­g bringen. Auch die Kulisse muss stimmen. So erwartet die Polizei in Adenau am Nürburgrin­g bis zu 20000 Besucher.

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