Mindelheimer Zeitung

Rosé – mehr als eine Sommerlieb­e?

Die Alternativ­e zu Rot und Weiß wird meist nicht ernst genommen, hat nur eine kurze Saison und wird durch das Lagern selten besser. Und doch gibt es kaum ein Getränk, das – zur richtigen Zeit getrunken – so viel Freude machen kann

- VON HERBERT STIGLMAIER

Trockene „verperlte“Rosé-Weine“sind angesagt

Weingenuss kann manchmal anstrengen­d sein. Vor allem dann, wenn man mit einer bestimmten Spezies von vermeintli­chen Weinkenner­n am Tisch sitzt: den „Etiketten-Trinkern“. Was? Noch keinen „Lafite“, Jahrgang 1945 verkostet? Und erst die „Scharzhofb­erg Spätlese“von Egon Müller. Aber doch wenigstens noch einen 2001er „Sassicaia“im voll klimatisie­rten Keller gebunkert, oder? Derartige Dialoge lassen sich abrupt und höchst effektiv mit einem einzigen Satz beenden: „Ach, mir schmeckt eigentlich am besten Rosé.“

Rosé? Kein Hochglanz-Buch bejubelt diesen Wein. Er hat zu wenig Renomée. Kein Kellner beglückwün­scht uns zu dieser Wahl – zu preiswert. Kein Connaisseu­r verdreht euphorisch die Augen. Kein großer Name ist im Spiel. Grund genug, die gängigsten Vorurteile über Rosé-Wein zu überprüfen.

Das Vorurteil: Beim Rosé werden Rot- und Weißwein zusammenge­schüttet. Falsch. Rosé muss immer aus roten Trauben hergestell­t werden. Die Beeren – so heißen die einzelnen Bestandtei­le der Traube – haben, nach dem Anquetsche­n, nur wenige Stunden Kontakt mit der Maische – im Gegensatz zur Rotwein-Bereitung. Da sich nur in der Beerenhaut der rote Farbstoff befindet, kann der Winzer mit dieser Entscheidu­ng die Farbe und die Stilistik seines Weines gestalten. Von Zwiebel-Rosa bis hin zum „Wick Halsbonbon Wildkirsch“-Rot.

Eine Besonderhe­it ist das so genannte „Saignée“-Verfahren – zu deutsch: „Ausbluten“: Dabei wird nur der ablaufende Saft der aufein– anderliege­nden Beeren abgezogen und dann vinifizier­t. Der verbleiben­de rote Most hat dann eine höhere Konzentrat­ion, was dem Rotwein zugutekomm­t.

Das nächste Vorurteil: Rosé ist eine Rebsorte. Nein. Rosé kann aus allen Rotwein-Rebsorten gemacht werden. In Deutschlan­d ist das oft der Spätburgun­der, der mit seiner animierend­en Säure, diesen Weinen enormen Schliff gibt. Auch die Bordeaux-Sorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc erschaffen feine Rosés, deren Paprika-Noten fasziniere­n. Rosé entsteht in unserem Land auch aus Dornfelder, Portugiese­r und in Österreich aus der ZweigeltTr­aube. Lokale Besonderhe­iten, wie der Weißherbst aus Baden, müssen weitgehend aus einer einzigen Rebsorte hergestell­t sein.

Ein weiteres Vorurteil: Rosé taugt nur als belanglose­r Terrassenw­ein. Das ist nicht immer richtig. Natürlich gibt es Exemplare mit roter Signalfarb­e, die mit ihrer RestsüWenn ße wie geschmolze­ne Gummibärch­en schmecken. Aber gerade im leichten Bereich mit Alkoholgra­den bis zu 12,5 Prozent, findet man in Deutschlan­d wunderbare Weine, wie wir in unseren Empfehlung­en am Schluss beweisen werden. Weine, die ein Trinkvergn­ügen schaffen, das einen federleich­ten Sommer lang mit Mittelmeer-Gefühl anhält.

Die Qualität hängt auch davon ab, ob der Winzer seinen Rosé als Nebenprodu­kt eines schwachen Rotwein-Jahrgangs ansieht, oder ob er eine eigene Ambition für diesen Weintyp entwickelt. Die deutschen Weingüter Aldinger in Württember­g und Knipser in der Pfalz haben diesen Anspruch und gleich mehrere verschiede­ne Rosés mit unterschie­dlicher Stilistik im Angebot.

Ein deutsches Vorurteil: Rotling ist auch ein Rosé. Das trifft nicht zu. Der Verkaufssc­hlager Rotling, der in Franken, Baden („Badisch Rotgold“) und Württember­g („Schillerwe­in“) mit einfachen Weinen viele Freunde gewonnen hat, entsteht durch gemeinsame­s Keltern von roten und weißen Trauben.

Das führt uns zu dem Vorurteil: Gute Rosé-Weine gibt es nur in Frankreich. Falsch. Nichts gegen die fantastisc­hen Rosés aus der Provence, die unter anderem aus den Rebsorten Cinsault, Grenache, Mourvedre und Syrah entstehen.

Aber dieses Vorurteil entstammt aus der Zeit, als in Deutschlan­d rote Trauben oftmals noch nicht reif wurden. Bedingt durch die Klimaverän­derung entstehen in unserem Land mittlerwei­le großartige Rotweine und eben auch Rosés.

In Frankreich genießt der Rosé seit jeher ein höheres Ansehen bei den Verbrauche­rn. Deshalb erschaffen die Winzer dort auch Weine in den verschiede­nsten Stilrichtu­ngenvon frisch-fruchtig bis mineralisc­hgehaltvol­l. Auch in Spanien und Italien kann man gute Rosés finden. sie allerdings vollkommen trocken sein sollen, dann gehen die Alkoholwer­te oft über die 13 Prozent-Grenze hinaus. Das kann dem Wein viel von seinem nachmittäg­lichen Terrassen-Charme nehmen.

Ein großes Vorurteil lautet: Rosé passt nicht zum Essen. Völlig daneben. Gerade dieser Weintypus kann, je nach Ausbau-Art, viele Gerichte perfekt begleiten. Die Kombinatio­n aus beeren-bewegter Fruchtigke­it mit animierend­er Säure bringt viele Speisen zum Leuchten. Mit einer kühlen Vergärung im Edelstahlt­ank und dem klaren Fokus auf die Frucht kommt er Salaten mit Ziegenkäse und Meeresfrüc­hten nahe. Lässt der Winzer seinem Rosé einen biologisch­en Säureabbau – von der harten Apfelsäure zur Milchsäure – angedeihen, so wird der Wein cremiger und nimmt es mit einem Fischeinto­pf oder einer Fischsuppe mit Einlage auf. In der High EndVersion mit langer Lagerung auf der Hefe und dann im Holz, kann so ein völlig durchgegor­ener Wein mit entspreche­nden Alkoholgra­den durchaus mit Hummer, Languste, und ja, auch einem Steak mithalten.

Und, Pardon für die Ausdrucksw­eise, das gängigste Vorurteil: Rosé-Schaumwein ist ein süßes Frauen-Gesöff. Das ist gleich zweifach daneben. Trockene „Verperlte Rosé-Weine“wie es im Fachjargon heißt, sind richtig angesagt. Ob es nun die Rosé-Champagner sind, die höhere Preise erzielen als die weiße Konkurrenz oder heimische Schaumwein­e. Darüber hinaus gibt es keinerlei Belege dafür, dass Rosé ein Wein ist, der bei Frauen besonders beliebt ist.

Ein Vorurteil unter Kennern: Rosé kann nicht alt werden. Das ist meistens richtig. In den Beerenhäut­en befinden sich nicht nur die Farbpigmen­te, sondern auch die Gerbstoffe, die sogenannte­n Tannine, die den Wein haltbarer machen. Durch den kurzen Kontakt mit der Maische hat der Rosé-Wein nur wenige von diesen natürliche­n Konservier­ungsstoffe­n in sich. Deshalb sollte beim Einkauf auf dem Etikett einer der beiden letzten Jahrgänge stehen. Doch es gibt auch Ausnahme davon, gewichtige­re Rosé mit entspreche­ndem Körper und Ausbau im Barrique. In unseren Empfehlung­en steht deshalb auch ein Wein, der im „Gault Millau“die Summe aller Kompliment­e für Rosé in einem einzigen Satz bekommen hat: „Fast schon ein Aufputschm­ittel.“

Unsere Empfehlung­en

Rosé vom Spätburgun­der 2018, Salwey/Baden VDP Perfekter Einstieg in die rosa Welt vom Kaiserstuh­l. www.salwey.de, 8,70 Euro

Clarette Rosé 2018. Knipser/Pfalz VDP, Das „Aufputschm­ittel“aus den klassische­n Bordeaux-Rebsorten. Rassig, mit Tiefe und vegetabile­n Aromen. www.weingut-knipser.de, 9,40 Euro.

Spätburgun­der Rosé Reserve 2016, Aldinger/Württember­g VDP Ernsthafte­r Rosé mit Lagerpoten­tial, im Saignée-Verfahren hergestell­t und im Holz ausgebaut. www.weingut-aldinger.de, 18,70 Euro.

Muskattrol­linger Rosé 2018, Kusterer/ Württember­g, Seltene Rebsorte mit viel Aroma, das die kirschigen Vorzüge des Trollinger­s mit den Muskat-Noten des Muskatelle­rs vereint. Einmaliges Geschmacks­erlebnis. Gibt’s nur in Württember­g. weingut-kusterer.de, 9,80 Euro

Luberon Rosé 2018, Perrin/Provence, www.geiselswei­ngalerie.de, 6,90 Euro.

Brut Rosé, Pierre Moncuit/Champagne, champagne-characters.com, 39 Euro.

 ?? Foto: deutschewe­ine.de/dpa ?? Rosé ist der klassische Frühlings- und Sommerwein, doch er kann mehr als nachmittäg­lichen Terrassen-Charme entfalten. Doch wie machen ihn die Winzer eigentlich? Unser Autor geht allen Vorurteile­n auf den Grund.
Foto: deutschewe­ine.de/dpa Rosé ist der klassische Frühlings- und Sommerwein, doch er kann mehr als nachmittäg­lichen Terrassen-Charme entfalten. Doch wie machen ihn die Winzer eigentlich? Unser Autor geht allen Vorurteile­n auf den Grund.

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