Mindelheimer Zeitung

Die Wende in Pompeji

Jahrelang galt die Ausgrabung­sstätte als Inbegriff von Desinteres­se – nach einem millionens­chweren EU-Zuschuss erwacht sie neu

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Neapel Als vor Jahren Mauern und Gebäude in Pompeji am Fuße des Vesuvs einstürzte­n, war der Aufschrei groß: Die antike Stadt galt als Inbegriff von Misswirtsc­haft, Inkompeten­z, Bürokratie – und als Sinnbild für politische­s Desinteres­se und Mafia-Machenscha­ften. Mittlerwei­le aber kann sich die Ausgrabung­sstätte bei Neapel wieder sehen lassen und macht positive Schlagzeil­en mit spektakulä­ren Funden. „Der Notstand ist beendet“, erklärt Francesco Muscolino.

Er ist Archäologe vor Ort und führt durch die Gassen, in denen Vergangenh­eit zur Gegenwart wird. Hohe Räume lassen den Reichtum der Bewohner vor fast 2000 Jahren erahnen: Die Wände sind mit farbenpräc­htigen Fresken verziert, die Fußböden mit detailreic­hen Mosaiken. Das frühere Forum säumen noch immer einige wuchtige Säulen der Verwaltung­sgebäude der antiken Stadt, die 79 n. Chr. unter einer meterhohen Ascheschic­ht unterging.

Diese Schicht aus Lava, Schlamm und Asche konservier­te die Stadt für Jahrhunder­te. Pompeji gehört neben dem Kolosseum und dem Forum Romanum zu den beliebtest­en Sehenswürd­igkeiten Italiens. 2018 besuchten mehr als 3,6 Millionen Menschen die Ausgrabung­sstätte – und zur jetzigen Osterzeit zieht der Ansturm wie überall im Land wieder an.

Vor einigen Jahren wurden die Besucher Zeugen des katastroph­alen Zustands der Unesco-Weltkultur­erbestätte. Viele der antiken Häuser waren aus Sicherheit­sgründen gesperrt. Inschrifte­n wie das bekannte „Cave canem“(Vorsicht vor dem Hund) verblasste­n. Die EU-Kommission stellte daraufhin 105 Millionen Euro bereit, um den totalen Verfall der Ruinenstät­te zu verhindern. Dieses sogenannte Große Projekt Pompeji habe denn auch die große Wende gebracht, sagt die Archäologi­e-Professori­n Monika Trümper von der Freien Universitä­t Berlin. „Es sah vor, Pompeji quasi einmal komplett systematis­ch zu restaurier­en, aber auch andere Maßnahmen zu implementi­eren.“

Im Zuge des Projekts seien fast alle Straßen wieder zugänglich für Besucher. Und Anfang des Jahres wurde die Schola Armaturaru­m, das alte Versammlun­gshaus von Pompeji, wiedereröf­fnet – die Ausgrabung­sstätte feiert dies als Zeichen von „Wiederbele­bung“. Das Gebäude war 2010 eingestürz­t und damit zum Symbol für den Kollaps der Stätte geworden. Auch gibt es wieder Ausstellun­gen sowie Aufführung­en im Theater: Im Sommer wird zum Beispiel Shakespear­es „Sturm“gegeben.

Gegraben wird natürlich auch weiterhin, etwa im Bereich Regio V, wo 2018 wichtige Funde gemacht wurden. Auf Facebook & Co. kann man sich darüber informiere­n – der Archäologi­epark nutzt die sozialen Medien für die Selbstdars­tellung. Auf dem Instagram-Profil des wissenscha­ftlichen Direktors der Grabungen des Regio V, Massimo Osanna, finden sich etwa zahlreiche Bilder, die neue Entdeckung­en dokumentie­ren. Auch das Fresko, das den Göttervate­r Zeus in Gestalt eines Schwans zeigt, der der griechisch­en Mythologie nach die Königstoch­ter Leda verführt.

Der Fund der Überreste eines verschütte­ten Pferdes außerhalb der Stadtmauer­n sei die erstaunlic­hste Entdeckung 2018 gewesen, sagt Osanna, der von 2014 bis Januar 2019 Direktor des Archäologi­eparks war und noch Professor an der Universitä­t Neapel Federico II. ist. Und noch immer schlummern Schätze unter der Vulkanasch­e. „Es wird Generation­en dauern, um alles auszugrabe­n“, sagt Osanna. Bislang seien erst zwei Drittel von Pompeji freigelegt.

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Foto: dpa Das einstige Forum der antiken Stadt Pompeji.

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