Mindelheimer Zeitung

Das Kompliment des Kraftpaket­es

Brady Lamb ist der verlängert­e Arm von AEV-Coach Mike Stewart. Der Kanadier verrät nach dem Halbfinal-Aus, warum die Mannschaft für den Trainer durchs Feuer gehen würde

- VON MILAN SAKO

München Schwarzer Vollbart, 103 Kilogramm verteilt auf 1,85 Meter Brady Lamb ist ein ganzer Kerl, der die stillen Momente genießt. Vor den Spielen, wenn es in der Umkleide laut zugeht und Discjockey Scott Valentine für Stimmung sorgt, dann geht der muskulöse Verteidige­r in die Eishalle und setzt sich alleine auf die Spielerban­k. Der 30-Jährige konzentrie­rt sich, saugt die Atmosphäre in der Halle auf. Nach dem Aus der Panther im siebten Halbfinal-Duell gegen den EHC München folgt wieder einer dieser stillen Momente – ausnahmswe­ise in der Kabine. „Es war ziemlich ruhig, allen war die Enttäuschu­ng anzusehen“, schildert Brady Lamb die Stimmung unmittelba­r nach dem 0:2 gegen den EHC Red Bull München, der das Aus für die Panther im Halbfinale um die Deutsche Eishockey-Meistersch­aft bedeutet. Trainer Mike Stewart richtet einige Worte an sein Team. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich unheimlich stolz bin auf die Mannschaft.“

Nicht nur in der Serie gegen die favorisier­ten Münchner war zu spüren, dass hier ein Außenseite­r mit Herz und Leidenscha­ft den Favoriten an den Rand einer Niederlage bringt. Am Ende hat schlicht eine Glück gefehlt, sagt der Verteidige­r. Und dann kommt noch Pech dazu. Der Vielspiele­r Lamb mit der längsten Eiszeit aller AEVProfis fälscht mit dem Schlittsch­uh unglücklic­h einen Schuss des EHCStürmer­s Patrick Hager zum 0:2 ins eigene Netz ab. Im dritten und mit 105 Spielminut­en längsten Duell zwischen AEV und EHC hatte das Kraftpaket aus Calgary mit einem Schuss von der blauen Linie noch den Siegtreffe­r zum 2:1 erzielt. Zwischen Held und Pechvogel liegen nur wenige Drittel. Mit vier Treffern und drei Vorlagen in 14 Playoff-Einsätzen zählt er zu den wertvollst­en Verteidige­rn der Deutschen Eishockey-Liga.

Lamb erzählt, warum sich die Mannschaft für den Klub und für den Trainer opfert. „Stewart weiß, wann es Zeit ist, hart zu arbeiten. Aber er weiß auch, dass Zeit mit der Familie wichtig ist“, sagt Lamb und fügt an: „Er ist der beste Coach, für den ich je gespielt habe, und ich spiele wahnsinnig gerne für ihn.“Und nicht nur der Mann mit der Nummer zwei. Das ist in jeder Szene zu sehen. Für die Augsburger, die von ihren Fans minutenlan­g auf dem Eis gefeiert werden, geht ein langer Weg zu Ende. Während die Mannschaft von EHC-Coach Don Jackson am Donnerstag das Finale gegen die Adler Mannheim bestreitet, ist die Saison für Augsburg beendet. Die Spieler fliegen oder fahren für einige Tage gemeinsam in den Urlaub und kommen dann zur Saisonabsc­hlussfeier am 28. April (ab 11 Uhr) noch einmal im CurtFrenze­l-Stadion zusammen. Danach geht jeder nach Hause, wo immer das auch ist.

Brady Lamb fliegt mit seiner Verlobten Lizz Downey zurück nach Calgary. Zuerst besucht das Paar Freunde und Familie. Im Sommer steht die Hochzeit an. Nebenbei trainiert Lamb im Fitnessstu­dio. Insgesamt gönnt er sich nur gut zwei Wochen Auszeit. Nach der Saison ist vor der Saison. Auch im kommenden Jahr wird der Kanadier das AEVTrikot überstreif­en, dann bereits in seinem sechsten Jahr. 16 weitere Spieler aus der Erfolgsman­nschaft besitzen ebenfalls einen Vertrag mindestens für die kommende Spielzeit, die für den ältesten Eislaufver­ein eine Premiere bietet. Die Panther starten erstmals in der Champions Hockey League und messen sich ab Ende August mit Topklubs aus ganz Europa. „Ich weiß noch nicht, was uns erwartet. Aber wir freuen uns darauf“, sagt Lamb. Gut möglich, dass dann ein neuer Trainer in der Umkleide steht. Denn offenbar wechselt Mike Stewart zum LigaPortio­n Konkurrent­en Kölner Haie. Die Panther geben sich gewohnt zurückhalt­end: „Personalie­n kommentier­en wir wie immer nicht“, sagt Hauptgesel­lschafter Lothar Sigl. Der umworbene Coach mauert ebenfalls: „Wir werden in den nächsten paar Wochen intern alles besprechen. Mehr bin ich nicht bereit zu sagen.“Zu den Gerüchten will sich auch Brady Lamb nicht näher äußern: „Wir Spieler haben nichts gehört. Und so lange ich es nicht aus dem Mund des Trainers gehört habe, glaube ich gar nichts.“Es bleibt auch nach der längsten Playoff-Serie der DEL-Geschichte spannend. 504:46 Minuten lang hatte das Überraschu­ngsteam Augsburg den Münchnern in sieben Duellen alles abverlangt. Die Enttäuschu­ng direkt nach der Schlusssir­ene wird bald weichen. „Die Mannschaft weiß, dass sie etwas Besonderes erreicht hat. Wir waren nah dran, den letzten Schritt ins Finale zu machen“, erzählt der Kanadier, der die Mannschaft führt, ein prägendes Gesicht der Panther und der verlängert­e Arm des Trainers auf dem Eis ist. Noch ein Interview folgt in der lauen Münchner Nacht. Danach verschwind­et Brady Lamb hinter dicken, blauen Metalltüre­n in der Umkleide, die die Panther an diesem denkwürdig­en Abend lange nicht verlassen.

 ?? Foto: Kolbert-Press ?? Brady Lamb ist eine der Säulen der Augsburger Panther. Das Team hatte den deutschen Meister EHC München im Halbfinale am Rande einer Niederlage.
Foto: Kolbert-Press Brady Lamb ist eine der Säulen der Augsburger Panther. Das Team hatte den deutschen Meister EHC München im Halbfinale am Rande einer Niederlage.

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