Mindelheimer Zeitung

Junges Ajax mischt Europa auf

Erst das Wunder von Madrid, nun die magische Nacht in Turin. Die Amsterdame­r schalten in der Königsklas­se die Favoriten aus. Der Erfolg weckt Begehrlich­keiten

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Amsterdam „Das ist schon toll“, sagte Matthijs de Ligt und grinste frech in die TV-Kamera. Gerade eben hatte der Verteidige­r mit Ajax Amsterdam das Halbfinale der Champions League erreicht. Der niederländ­ische Rekordmeis­ter hatte mit 2:1 bei Juventus Turin gewonnen – einem der Favoriten auf den Titel. Doch der 19-jährige Kapitän der Amsterdame­r reagierte so lässig, als ob es um den Sieg im örtlichen Schulturni­er ging. So ein Wunder sei das doch auch wieder nicht, sagte er dem Reporter. „Jeder weiß doch, was wir können.“

Stimmt. Ajax sorgte in dieser Champions-League-Saison für Aufsehen. Das 4:1 bei Real Madrid war vor der Nacht von Turin schon ein Höhepunkt, der FC Bayern erreichte mit Mühe zweimal ein Unentschie­den gegen die Niederländ­er. Und nun die Alte Dame. Ausgerechn­et der Klub, der sich für 120 Millionen Euro Cristiano Ronaldo gekauft hatte, um den Titel endlich mal wieder zu gewinnen. „Es ist die Sensation von Europa“, jubelte De Telegraaf.

Dass in Amsterdam wieder fröhlich, offensiv und auch noch erfolgreic­h Fußball gespielt wird, ist im eigenen Land längst keine Neuigkeit mehr. Und nun reibt sich Europa verwundert die Augen: „Wahnsinn“, „Incredibil­e“(unglaublic­h), „Mamma mia – Ajax“. 22 Jahre ist es her, dass Ajax mit Trainer Louis van Gaal das Halbfinale der Champions League erreicht hatte. Auch damals spielten die Amsterdame­r gegen Juventus – verloren aber. De Ligt war noch nicht einmal geboren, auch Mittelfeld­spieler Frenkie de Jong nicht. Donny van de Beek war ein Baby. Heute spielen diese Enkel von Legende Johan Cruyff „Voetbal totaal“nach bester Tradition der holländisc­hen Fußball-Vordenker. „Der Unterschie­d zwischen der Alten Dame und Ajax ist: müssen und dürfen“, analysiert­e De Telegraaf.

Für Ajax, das im eigenen Land noch den Meistertit­el und den Pokal holen kann, ist die Champions League wie ein Nachtisch – ein besonders leckerer. „Die Gäste legten einen fantastisc­hen Angriff nach dem anderen auf die Matte“, freut sich das Boulevardb­latt, „sie degradiert­en den Favoriten zu ein paar rückwärts laufenden Angsthasen“. Für De Volkskrant war Ajax klar „besser und fitter“: „Ajax tanzte entlang der schwarz-weißen Männer.“Und Ajax zeigte, so das Blatt, „auch die andere Seite des Fußballs: Nie aufgeben, immer zusammenst­ehen“.

Trainer Erik ten Hag hat diese Mannschaft geformt: „Ich bin unglaublic­h stolz auf dieses Team“, sagt er dem niederländ­ischen Fernsehen. „Diese Mannschaft wächst und wächst, jedes Mal verlegen wir die Grenzen neu.“Der frühere Münchner U23-Coach verfügt über junge Talente – zum großen Teil aus der eigenen Jugend-Ausbildung. Als Glücksfall erwies sich auch, dass Ajax erfahrene und verdienstv­olle Spieler zurückgeho­lt hatte. Wie etwa den früheren Schalker KlaasJan Huntelaar (35), Dusan Tadic (30) oder Daley Blind (29).

Lange wird dieses goldene Team nicht mehr zusammenbl­eiben, das steht fest. De Ligt wird Amsterdam wohl in diesem Sommer verlassen, Frenkie de Jong – der Taktgeber im Mittelfeld – steht vor einem Wechsel zum FC Barcelona. Nach den spektakulä­ren Siegen jetzt werden wohl noch mehr Transfers folgen. Dann muss ten Hag ein neues Erfolgstea­m schmieden. Aber noch ist die Tour durch Europa nicht zu Ende.

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Foto: WITTERS Joel Veltman (von links), Lasse Schoene und Ajax-Kapitän Matthijs de Ligt bejubeln in Turin den Einzug ins Halbfinale der Champions League.

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