Mindelheimer Zeitung

Es ging um BH-Verschlüss­e und sprechende Tote

Mit Versen voller Humor, Romantik und Fantasie überzeugen junge Dichter beim Poetry-Slam in Mindelheim

- VON TINA SCHLEGEL

Mindelheim Bereits zum vierten Mal fand in Mindelheim ein Poetry Slam, also ein Dichterwet­tstreit, statt. Wie in den vergangene­n Jahren moderierte Slam Master und Literaturv­eranstalte­r Ko Bylanzky den Abend. Ein Poetry Slam wird durch den Applaus des Publikums entschiede­n. Auch dieses Mal erläuterte Bylanzky die Regeln mit viel Humor den zahlreiche­n Zuhörern im voll besetzten Stadttheat­er, bevor es dann mit dem langersehn­ten ersten Teilnehmer losging. Die Reihenfolg­e der neun Teilnehmer aus Deutschlan­d und Österreich wurde ausgelost, doch der Zufall wollte es, dass Marie-Luise Hammer-Steidle aus dem Unterallgä­u den Wettstreit eröffnete. Es war ihr erster PoetrySlam, wie auch für die in der zweiten Hälfte auftretend­e Karin Schmeuser aus Mindelheim.

Beide haben sich mit einem Gedicht über Tiere der Meinung des Publikums gestellt und allein der Mut wurde natürlich schon mit großem Applaus gefeiert.

Doch die Konkurrenz war sehr stark, gleich mehrere Titelträge­r waren in Mindelheim: Neben dem Hamburger Stadtmeist­er Sven Kamin und dem Niedersach­sen- und Bremen-Meister Florian Wintels waren auch der NRW-Meister und amtierende­r Sieger der deutschspr­achigen Slammer Jean-Philippe Kindler und der zweifache Thüringer Landesmeis­ter Skog Ogvann im Unterallgä­u. Da hatten es sowohl Ramona Leukert aus Waal, als auch Anna Teufel aus Karlsruhe sowie Ines Strohmeier aus dem Kleinwalse­rtal schwer.

Auch die Themen hätten unterschie­dlicher nicht sein können: Ogvann sorgte für viel Gelächter mit seinem Text über den Bestatter Bösebrecht, der zwar weiß, dass der Grundsatz „sind deine Sorgen noch so groß, sei deshalb nicht gleich skrupellos“zwar gelten sollte, aber der halt unbedingt eine Leiche braucht und dann auch gern mal ein Auge zudrückt, obwohl der Tote auch noch spricht. Wintels erzählt von Kinderfußb­allmannsch­aften und dem Ehrgeiz der ehrenamtli­chen Helfer – temporeich und pointiert, nahe am Sketch. Ganz anders der Vortrag von Anna Teufel. „Aprikosenm­armelade“lautete der Titel ihres Textes, eine erotische Geschichte von ihrer ersten Begegnung mit einer Frau. Hinreißend zärtlich und einfühlend und voller Poesie – „wenn du versehentl­ich in mein Ohr pustest, dann kommt Licht in meinen Kopf“, dann wieder sehr komisch als sie sich wundert wie gut Männer das mit den BHVerschlü­ssen immer hinbekomme­n, während sie selbst es einfach nicht schaffe, den Verschluss bei ihrer Freundin zu öffnen. „Männer können das sogar mit Essstäbche­n“… da musste sogar sie selbst eine kurze Pause machen, angesteckt vom Lachen im Publikum, bei dem sich vermutlich die Bilder zu einem hübschen Kopfkino aufreihten.

Sven Kamin zelebriert­e eine wilde Verfolgung­sjagd auf ein mittels Interpreta­tion ermordetes Gedicht quer durch die Stadt und Jean-Philippe Kindler entlarvte den Glauben an Karma als Faulheit, denn jemand, der an Karma glaubt, muss sich nicht gegen Ungerechti­gkeit auflehnen, Karma rettet vor Verantwort­ung und Rebellion.

Am Ende gewann Florian Wintels im Finale gegen Jean-Philippe Kindler trotz dessen unerhört starken Textes über die Moral-Frage in den Nachrichte­n. Im Grunde jedoch stehen eigentlich nur Sieger auf der Bühne, und gewonnen haben ohnehin vor allem die Zuhörer - einen großartige­n Abend voller Sprachakro­batik, Kreativitä­t, Energie und Leidenscha­ft auf der Bühne und die Hoffnung, dass es im nächsten Jahr eine Wiederholu­ng geben wird.

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Foto: Schlegel Eine Bühne voller Sieger: Zum Poetry-Slam in Mindelheim waren Dichter aus der ganzen Republik und sogar aus Österreich angereist, um dem Publikum ihre Gedichte vorzutrage­n.

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