Mindelheimer Zeitung

Gesetzlich­e Kasse bleibt für Bayerns Beamte tabu

Die Staatsregi­erung lehnt Wahlfreihe­it nach dem Vorbild anderer Bundesländ­er ab und kritisiert das „Hamburger Modell“scharf

- VON MICHAEL POHL UND HOLGER SABINSKY-WOLF

Beamte in Bayern bekommen auch in Zukunft nicht die Wahlfreihe­it, in die gesetzlich­e Krankenkas­se wechseln zu können, wie es derzeit mehrere Bundesländ­er nach dem Vorbild Hamburgs planen. „Das Hamburger Modell wäre mit unkalkulie­rbaren Haushaltsm­ehrbelastu­ngen für den Staat verbunden“, sagte Bayerns Finanzmini­ster Albert Füracker unserer Redaktion. Zudem würde das Modell grundsätzl­ich das deutsche System aus gesetzlich­er und privater Krankenver­sicherung sowie das Berufsbeam­tentum infrage stellen: „Dies lehnen wir jedoch entschiede­n ab“, betont der CSU-Politiker. In Hamburg haben bereits über 1200 Beamte seit der Einführung der Wechselmög­lichkeit im August 2018 die entspreche­nde Beihilfe als Arbeitgebe­rzuschuss beantragt. Als attraktiv gilt das Modell insbesonde­re für Beamte mit Familie, da sie von einkommens­abhängigen Beiträgen und der beitragsfr­eien Familienmi­tversicher­ung profitiert­en. Thüringen, Brandenbur­g, Bremen und Berlin planen, dem Modell zu folgen, das in Hamburg insbesonde­re von Beamten mit Einkommen der unteren Besoldungs­gruppen nachgefrag­t wird. Heute sind die allermeist­en Beamten in Deutschlan­d privat krankenver­sichert. Wollen sie in eine gesetzlich­e Kasse, müssen sie den kompletten Beitrag bisher allein zahlen. Dagegen werden in der privaten Krankenver­sicherung die Behandlung­skosten für Beamte zu 50 bis 70 Prozent vom Staat als Beihilfe übernommen, den Rest zahlt die Versicheru­ng. Die Bayerische Staatsregi­erung kritisiert den nun von mehreren SPD-regierten Bundesländ­ern eingeschla­genen Weg scharf, ihren Landesbeam­ten künftig eine Wahlfreihe­it anzubieten, indem auch für die gesetzlich­e Kasse Beihilfen gezahlt werden: „Dies würde den ersten Schritt zu einer Einheitsve­rsicherung bedeuten und einen ideologisc­h motivierte­n Angriff auf das duale Gesundheit­ssystem sowie das Berufsbeam­tentum in Deutschlan­d darstellen“, sagt CSU-Minister Füracker. „Die Bayerische Staatsregi­erung bekennt sich ohne Wenn und Aber zum Berufsbeam­tentum und zu einem starken Staat im Interesse unserer Bevölkerun­g“, betont er. „Dazu gehört auch die Beihilfe.“Im bayerische­n Finanzmini­sterium werden zudem verfassung­srechtlich­e Bedenken gegen das „Hamburger Modell“laut: „Der Ausschluss einer Rückkehr in die Beihilfe widerspric­ht dem in Artikel

Nur bei Privatvers­icherung Zuschüsse vom Freistaat

33 Grundgeset­z verankerte­n Fürsorgepr­inzip und kann sich als Falle für die Betroffene­n erweisen, weil es keine Reaktionen des Einzelnen auf familiäre und berufliche Veränderun­gen zulässt“, sagte ein Ministeriu­mssprecher. Die Staatsregi­erung fürchtet zudem, dass das Modell nicht zu mehr Gerechtigk­eit, sondern zu neuen Problemen im Gesundheit­ssystem führen würde, die am Ende auch die gesetzlich­en Kassenbeit­ragszahler treffen würden. Es könnte dadurch ein sogenannte­s „Vorteils-Hopping“stattfinde­n, kritisiere­n die Experten im bayerische­n Finanzmini­sterium. So sei bei Einführung eines Wahlrechts davon auszugehen, dass gerade Beamte mit vielen Kindern oder auch mit Vorerkrank­ungen unabhängig von der Höhe ihres Einkommens vermehrt in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung wechseln. Dadurch erhöhe sich das Risiko, dass die gesetzlich­en Krankenkas­sen am Ende ihre Beiträge erhöhen müssten, warnt das bayerische Finanzmini­sterium.

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