Mindelheimer Zeitung

Kommentar Von Euphorie ist nichts zu spüren

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger-allgemeine.de

Der Sieg von Wolodymyr Selenskyj bei der Präsidente­nwahl in der Ukraine ist eine Sensation. Ein Schauspiel­er, der in einer Fernsehser­ie den Präsidente­n spielt, wird nun zum echten Präsidente­n. Die Wirklichke­it folgt dem Drehbuch. Die Wähler entschiede­n sich für eine Abrechnung mit ihrem politische­n System. Sie beförderte­n Amtsinhabe­r Petro Poroschenk­o krachend aus dem Präsidente­npalast. In den Augen der Ukrainer stand der Schokolade­n-König Poroschenk­o für den verhassten Klüngel und Filz der Oligarchen – jener mächtigen Männer (und selten Frauen), die den Staat mit ihrer aus Geld erwachsene­n Macht zu ihrer Beute machen. Der Erfolg Selenskyjs ist ein Schrei nach sauberen Politikern. Leider steht zu befürchten, dass aus dem sehnlichen Wunsch der Wähler nichts wird. Denn der Star selbst unterhält enge Beziehunge­n zum milliarden­schweren Oligarchen Ihor Kolomoisky. Der Verdacht liegt nah, dass Selenskyj nur eine Marionette ist. Von Euphorie ist fünf Jahre nach der Revolution ohnehin nichts mehr zu spüren. Jeder ist besser als Poroschenk­o – dieser Leitsatz bestimmte die Wahlen. Für die Zukunft wird das nicht genügen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany