Mindelheimer Zeitung

Benzin im Blut

Porträt Heidi Hetzer reiste noch im hohen Alter mit dem Oldtimer um die Welt. Nun ist die Berliner Unternehme­rin und Rallye-Fahrerin mit 81 Jahren gestorben. Sie hatte ein ungewöhnli­ches Leben

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Berlin Vor ein paar Wochen wurde sie in Südafrika überfallen. Handy, Kreditkart­e, Tablet – alles weg. Heidi Hetzer erzählte noch davon, wie sie die Diebe mit dem Auto in den Straßen von Kapstadt verfolgte. Mit 81 Jahren. Kurz danach posierte sie gut gelaunt neben der „Pink Lady“. So hieß der Landcruise­r, mit dem sie in Afrika unterwegs war. Ihre Fans verfolgten solche waghalsige­n Abenteuer gern im Internet. Nun steht auf ihrer Seite: „Ich lebe nicht mehr, aber ich habe gelebt.“

Gerade erst war Heidi Hetzer in ihre Heimat Berlin zurückgeke­hrt. Dort wurde sie tot in ihrer Wohnung aufgefunde­n. Eine traurige wie überrasche­nde Nachricht, denn sie wirkte bis zuletzt sehr fit. Sie starb an Ostern in ihrer Wohnung, wie die Familie am Dienstag mitteilte. Die genaue Todesursac­he sei noch nicht bekannt, aber es deute alles auf Altersschw­äche oder einen Unfall hin, berichten Hetzers Kinder.

Die ehemalige Autohändle­rin und leidenscha­ftliche Rallye-Fahrerin wurde mit ihrer Oldtimer-Weltreise zum Promi, nicht nur in Berlin. Die Presseberi­chte über sie dürften viele Ordner füllen. Sie hatte Benzin im Blut – und zwar sehr viel. Die Handtasche in Autoform war ihr Markenzeic­hen. Ihre Autos hat sie selbst repariert. Einmal geriet sie dabei mit der Hand in den Motor, der kleine Finger musste amputiert werden. Für sie kein Grund aufzugeben. Hetzer ging nicht, sie düste durchs Leben. Sie hatte eine ungewöhnli­che Biografie für eine Frau ihrer Generation: Sie lernte KfzMechani­kerin, mit 31 Jahren übernahm sie 1969 das Unternehme­n ihres Vaters und baute es zu einem der größten Autohäuser Berlins aus. „Ich kann nur Autos“, sagte sie dazu. Nach dem Krisenjahr 2008 trennte sich Hetzer 2012 nach 40 Jahren von ihrem Opel-Geschäft.

„Ja, Mama, was machst du denn jetzt?“, haben ihre Kinder damals gefragt. Es kam noch einmal das ganz große Abenteuer. Mit einem Opel Rekord Baujahr 1964 war sie bereits 2007 in sechs Wochen von Düsseldorf nach Shanghai gereist. Ihr Kommentar: „Das war eine Kaffeefahr­t.“Im Juli 2014 dann die Ihr Vorbild war die Rennfahrer­in Clärenore Stinnes, die in den 20er Jahren auf eine ähnliche Tour ging. Im Internet gab es zu Hetzers Plan anfangs hämische Kommentare über die „alte Schachtel“mit dem „alten Auto“– und wen das überhaupt interessie­re. Danach war Hetzer „völlig erledigt“. Bevor sie sich besann und zurückschr­ieb. Ihr Punkt war: „Ich will ein Vorbild sein für alte Menschen, dass sie auch etwas unternehme­n: Runter von der Couch.“Mit Oldtimer „Hudo“, Baujahr 1930, war sie zwei Jahre und sieben Monate unterwegs. Keiner ihrer männlichen Beifahrer hielt durch. Der petrolfarb­ene Oldtimer schluckte 17 Liter auf 100 Kilometer, blieb liegen, verschliss Motoren und Ersatzteil­e. Heidi Hetzer verzieh ihm alles wie einem tattrigen Ehemann. „Hudo“ließ sie weder in der afrikanisc­hen Wüste im Stich noch bei eiskalten Bergüberqu­erungen in Asien. Bei ihrer Rückkehr im März 2017 warteten mehrere hundert Fans auf sie am Brandenbur­ger Tor, sie vergoss Tränen und stieg zur Begrüßung auf die Motorhaube.

Heidi Hetzer konnte sehr resolut sein, eine Berliner Schnauze, sehr geradeaus. Und manchmal vergriff sie sich auch im Ton. Im ZDF-Morgenmaga­zin hatte sie über ihre Reise durch Südafrika gesprochen und gesagt: „Die klauen. Die Schwarzen klauen, wenn sie nur eine Jacke, eine olle Jacke sehen. Die klauen alles.“Hetzer wurde als rassistisc­h kritisiert – sie zeigte daraufhin Reue und entschuldi­gte sich für ihre Äußerungen.

2018 stiftete Heidi Hetzer einen Löwenkopf für das Berliner Schloss. Sie bestand aber darauf, die männliche Mähne abzuschlag­en. Bei den Tagen der offenen Baustelle konnWeltre­ise. ten Besucher im obersten Reliefband zwischen zahlreiche­n Löwenköpfe­n so auch eine Löwin entdecken. Im Herbst danach brach Heidi Hetzer zu ihrem letzten Abenteuer nach Afrika auf, mit einem Auto ohne Motor mit Elektronik, einem Hubdach zum Schlafen, einem Kühlschran­k, Wasser und Kocher. Die Reisen haben sie tief beeindruck­t. Denn man würdige alle Dinge, die man in Europa habe, viel mehr, wenn man sie plötzlich nicht mehr habe, fand sie. Im Herbst 2019 wollte sie nach einem Zwischenst­opp in Deutschlan­d zurück nach Kapstadt, so war damals der Plan. Dann sollte es von Angola aus nach Marokko gehen. Sie wünsche sich nur Gesundheit, so Hetzer damals. „Ich merke schon, dass mir alles etwas schwerer fällt. Aber geht nicht, gibt’s nicht.“Caroline Bock und Ulrike von Leszczynsk­i, dpa, AZ

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Foto: Robert Schlesinge­r, dpa Heidi Hetzer ging nicht, sie düste durchs Leben. Nun ist sie im Alter von 81 Jahren gestorben.

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