Die süße Seite des Protestes
„Das Wutgeschrei schwoll an ... Stinkbomben fielen, Tomaten flogen, faule Eier klatschten ...“(Aus „Der Stellvertreter“und seine Umsetzung ...)
Missfallen und Protest äußern sich am eindrucksvollsten in Begleitung unbemannter Flugobjekte, die den Luftraum zu den großen Bühnen der Welt kreuzen. Im eingangs erwähnten Fall handelt es sich um Piscators Bühneninszenierung des Dramas „Der Stellvertreter“aus dem Jahr 1963, das die Zuschauer zu Tomaten und Eiern greifen ließ. Offenbar hatten sie bereits mit einer skandalösen Aufführung gerechnet – wie anders ist zu erklären, dass sie derart bewaffnet angerückt waren. Zum Glück für die Schauspieler verzichtete das aufgebrachte Theatervolk auf großkaliberige Lebensmittel. Durch Eis- oder Fußballstadien segeln gelegentlich Schweinsköpfe und Tintenfische, wenn das Publikum mit dem Schiedsrichter unzufrieden ist, oder einfach nur sein Missfallen über die Welt zum Ausdruck bringen möchte.
Es sind freilich meist die letzten Mittel des Protestes. Zuvor machen sich Feuerzeuge, Golfbälle, Sitzschalen oder Bierbecher auf den Weg. Letztere entleeren sich im Flug gerne über den Köpfen der ersten Reihen. Viel zu selten hat der Aufruhr eine bunte, schokoladensüße Note und ist dann sein eigenes Schauspiel. Einer dieser himmlischen Akte war am Ostermontagabend in Wolfsburg zu besichtigen. Montagsdemonstrationen in der Bundesliga gibt es, weil der Montag als Spieltermin die Fans von Anfang an auf die Zäune getrieben hat. Die Deutsche Fußball-Liga wollte mit dem Aufdröseln der Spieltage beim Fernsehen Extragagen erzielen. Die Fans, die nachts nach Hause müssen, waren ihnen egal. Was regnete es daraufhin Demonstrationsobjekte. Toilettenpapier, Tennisbälle – und nun in Wolfsburg Schoko-Eier. Der Unparteiische ließ Spieler und Ordner minutenlang den Rasen absuchen. Das wunderbare Stück lief unter dem Titel „Montagsspiele gehen uns auf die Eier“. Nicht mehr lange. Der Protest war erfolgreich. Ab 2021 ist offiziell Schluss damit.