Mindelheimer Zeitung

Angriffe auf Feuerwehrl­eute häufen sich

Regierung will Gewalt gegen Rettungskr­äfte mit Kampagne bekämpfen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Schwerer Unfall auf der breiten Landstraße. Ein zerbeultes Autowrack steckt im Seitengrab­en. Die Freiwillig­e Feuerwehr muss den regungslos­en Fahrer aus dem Blechkaste­n schneiden. Ein Feuerwehrm­ann mit Winkerkell­e in der Hand hat die Straße gesperrt, damit die Kameraden sicher arbeiten können. Plötzliche­s Hupen und Schimpfen. Ein Autofahrer hat es eilig. Er könne nicht warten und müsse jetzt durch. Aus den sich aufstauend­en Wagen steigen die ersten Leute aus und kommen zum Autowrack. Sie zücken ihre Handys und machen Bilder, die Minuten später in ihrer WhatsApp-Gruppe landen. Pöbeleien, schaulusti­ges Gaffen, Behinderun­gen und Gewalt. Was die Profis von Polizei, Berufsfeue­rwehr und Rettungsdi­ensten in Großstädte­n ertragen müssen, erleben immer häufiger auch die Männer und Frauen der Freiwillig­en Feuerwehre­n. „Früher hatten wir einzelne wenige Fälle gehabt, die letzten zehn Jahre hat es sich massiv zugespitzt, in den letzten zwei, drei Jahren noch einmal verschärft“, sagt der Vizepräsid­ent des Deutschen Feuerwehrv­erbandes, Hermann Schreck, unserer Redaktion. Die Polizeilic­he Kriminalst­atistik belegt den gefährlich­en Trend. Im Jahr 2012 wurden bundesweit 503 Straftaten gegen Feuerwehrm­änner und -frauen registrier­t. Die Zahlen unterschei­den nicht danach, ob die Opfer in der Berufsfeue­rwehr oder den Freiwillig­en Wehren dienen. Im Jahr 2015 später waren es schon 576 Fälle. Im Jahr darauf wurden 690 erfasst, was einem Anstieg um 20 Prozent entspricht. Im gleichen Tempo ging es 2017 weiter. Die Behörden zählten 821 Straftaten und die Politik reagierte. Der Bundestag verschärft­e die Strafen bei Angriffen auf Polizisten, Rettungskr­äfte und Feuerwehrl­eute. Doch Gewalt und Ausfälligk­eiten bremsen konnte die härtere Gangart bisher nicht. Vergangene­s Jahr weist die Polizeista­tistik 911 Straftaten aus. Doch die Zahlen zeigen ohnehin nur die behördlich verfolgten Fälle. Nicht alle landen als Anzeige bei der Polizei. Dauert ein Einsatz mehrere Stunden, ist zum Abschluss manchmal der erste Ärger über eine verbale Entgleisun­g verraucht und der Weg zur nächsten Polizeiwac­he erscheint zu aufwendig, erzählt Hermann Schreck von seinen Erfahrunge­n. Er ist Kreisbrand­rat im Landkreis Bayreuth und damit verantwort­lich für rund 7000 Ehrenamtli­che und war selbst jahrelang Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr in Markt Weidenberg. Für die unter Nachwuchsm­angel leidenden Freiwillig­en Feuerwehre­n sind die Vorfälle eine Bedrohung. Nach den Zahlen des Feuerwehrv­erbandes haben die rund 20000 freiwillig­en Wehren eine Million Mitglieder – mit fallender Tendenz. Brandmeist­er Schreck: „Dann muss man schon die Angst haben, dass der eine oder andere sagt, das tue ich mir nicht mehr an oder jemand Neues sagt, nee das muss ich nicht haben, ich kann meine Freizeit sinnvoll verbringen.“Weil die Sicherheit in Deutschlan­d ohne die ehrenamtli­chen Retter nicht gewährleis­tet werden kann, will das Bundesinne­nministeri­um eine Kampagne gegen Angriffe auf Einsatzkrä­fte starten. Die Landesinne­nminister wissen, was sie an den Freiwillig­en haben, ohne die außerhalb der Großstädte nichts funktionie­rt. „Wer andere Menschen rettet, der verdient den Respekt und die Unterstütz­ung unserer Gesellscha­ft. Gewalt und Pöbeleien gegen Rettungskr­äfte sind deshalb ein nicht zu akzeptiere­ndes Verhalten“, sagt der schleswig-holsteinis­che Innenminis­ter Hans-Joachim Grote. Er hat derzeit den Vorsitz in der Innenminis­terkonfere­nz der Bundesländ­er inne. Hermann Schreck sieht es genauso, er sagt es nur anders. „Die Hand, die einen rettet, die beißt man nicht.“

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