Angriffe auf Feuerwehrleute häufen sich
Regierung will Gewalt gegen Rettungskräfte mit Kampagne bekämpfen
Schwerer Unfall auf der breiten Landstraße. Ein zerbeultes Autowrack steckt im Seitengraben. Die Freiwillige Feuerwehr muss den regungslosen Fahrer aus dem Blechkasten schneiden. Ein Feuerwehrmann mit Winkerkelle in der Hand hat die Straße gesperrt, damit die Kameraden sicher arbeiten können. Plötzliches Hupen und Schimpfen. Ein Autofahrer hat es eilig. Er könne nicht warten und müsse jetzt durch. Aus den sich aufstauenden Wagen steigen die ersten Leute aus und kommen zum Autowrack. Sie zücken ihre Handys und machen Bilder, die Minuten später in ihrer WhatsApp-Gruppe landen. Pöbeleien, schaulustiges Gaffen, Behinderungen und Gewalt. Was die Profis von Polizei, Berufsfeuerwehr und Rettungsdiensten in Großstädten ertragen müssen, erleben immer häufiger auch die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehren. „Früher hatten wir einzelne wenige Fälle gehabt, die letzten zehn Jahre hat es sich massiv zugespitzt, in den letzten zwei, drei Jahren noch einmal verschärft“, sagt der Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hermann Schreck, unserer Redaktion. Die Polizeiliche Kriminalstatistik belegt den gefährlichen Trend. Im Jahr 2012 wurden bundesweit 503 Straftaten gegen Feuerwehrmänner und -frauen registriert. Die Zahlen unterscheiden nicht danach, ob die Opfer in der Berufsfeuerwehr oder den Freiwilligen Wehren dienen. Im Jahr 2015 später waren es schon 576 Fälle. Im Jahr darauf wurden 690 erfasst, was einem Anstieg um 20 Prozent entspricht. Im gleichen Tempo ging es 2017 weiter. Die Behörden zählten 821 Straftaten und die Politik reagierte. Der Bundestag verschärfte die Strafen bei Angriffen auf Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute. Doch Gewalt und Ausfälligkeiten bremsen konnte die härtere Gangart bisher nicht. Vergangenes Jahr weist die Polizeistatistik 911 Straftaten aus. Doch die Zahlen zeigen ohnehin nur die behördlich verfolgten Fälle. Nicht alle landen als Anzeige bei der Polizei. Dauert ein Einsatz mehrere Stunden, ist zum Abschluss manchmal der erste Ärger über eine verbale Entgleisung verraucht und der Weg zur nächsten Polizeiwache erscheint zu aufwendig, erzählt Hermann Schreck von seinen Erfahrungen. Er ist Kreisbrandrat im Landkreis Bayreuth und damit verantwortlich für rund 7000 Ehrenamtliche und war selbst jahrelang Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Markt Weidenberg. Für die unter Nachwuchsmangel leidenden Freiwilligen Feuerwehren sind die Vorfälle eine Bedrohung. Nach den Zahlen des Feuerwehrverbandes haben die rund 20000 freiwilligen Wehren eine Million Mitglieder – mit fallender Tendenz. Brandmeister Schreck: „Dann muss man schon die Angst haben, dass der eine oder andere sagt, das tue ich mir nicht mehr an oder jemand Neues sagt, nee das muss ich nicht haben, ich kann meine Freizeit sinnvoll verbringen.“Weil die Sicherheit in Deutschland ohne die ehrenamtlichen Retter nicht gewährleistet werden kann, will das Bundesinnenministerium eine Kampagne gegen Angriffe auf Einsatzkräfte starten. Die Landesinnenminister wissen, was sie an den Freiwilligen haben, ohne die außerhalb der Großstädte nichts funktioniert. „Wer andere Menschen rettet, der verdient den Respekt und die Unterstützung unserer Gesellschaft. Gewalt und Pöbeleien gegen Rettungskräfte sind deshalb ein nicht zu akzeptierendes Verhalten“, sagt der schleswig-holsteinische Innenminister Hans-Joachim Grote. Er hat derzeit den Vorsitz in der Innenministerkonferenz der Bundesländer inne. Hermann Schreck sieht es genauso, er sagt es nur anders. „Die Hand, die einen rettet, die beißt man nicht.“