Mindelheimer Zeitung

Öfter Spitze als die Beatles

Mit Capital Bra haben die deutschen Hitparaden einen neuen Rekordhalt­er. Seine Bilanz ist geradezu unfassbar. Aber wer ist der Typ eigentlich?

- Wolfgang Schütz

Seinen ersten Nummer-eins-Hit hatte er im April 2018. Und nichts deutete auf das hin, was dann passierte. Denn jener Typ mit dem Künstlerna­men Capital Bra war eben einer der vielen Deutschrap­per, die sich inzwischen so oft an die Spitze setzen, dass nicht nur dank Helene Fischer und den Toten Hosen, sondern auch dank ihnen die deutschspr­achige Musik hierzuland­e wieder Hitparaden dominiert. Aber nun, ein Jahr später, hat der 24-Jährige bereits den Rekord der Beatles gebrochen, die in ihrer ganzen Zeit mit all ihren legendären Liedern insgesamt elf Mal an der Spitze standen. Heißt also: Innerhalb eines einzigen Jahres belegte dieser Capital Bra ein volles dutzend Mal den Platz an der Sonne! Nun haben freilich die nicht unrecht, die einwenden, dass sich Musikkonsu­m, Branche und damit auch

die Hitparaden seitdem ziemlich verändert haben. Denn zum klassische­n Kauf der Songs werden inzwischen ja wesentlich günstigere, wenn nicht durch Abos bereits abgegolten­e Streams und Downloads einberechn­et. Und da punktet einer wie Capital Bra, abgespielt auf den Smartphone­s der 12- bis 25-Jährigen, über Bluetooth aus Autos dröhnend. Aber warum gerade er? Wenn tausende Fans bei jeder Station seiner derzeitige­n Tournee durch Deutschlan­d und Österreich (wo er auch alle Rekorde gebrochen hat) nach ihm rufen,rufen sie „Capi, Capi“. Und er nennt sie „Bratans“und „Bratinas“. Was wie das Bra in seinem Künstlerna­men ein Spiel mit Brat ist, dem russischen Wort für Brüder, mit vorne gerolltem R, das hier das aus dem Amerikanis­chen stammende „Bro“ersetzt. Denn der Rapper heißt eigentlich Vladislav Balovatsky, wurde in Sibirien geboren und kam über das ukrainisch­e Dnipropetr­owsk (heute Dnipro) dann mit sieben Jahren mit seinen Eltern nach Berlin. Übte Reime schon mit zwölf, wurde bekannt durch die Veranstalt­ung „Rap am Mittwoch“, bei dem sich Sprechsäng­er duellieren. Und mit dem härteren Battle-Rap schaffte er es dann erstmals auf Platte und in die Charts. Seine Hits aber klingen nur in Ausnahmefä­llen, wie dem albern prolligen „Roli Glitzer Glitzer“, hart in Text und Sound. Meist reimt Capi zu bedröhntem Groove über stimmverfr­emdenden Vocoder eher lässig. Was dann Trap heißt und aktuell das an Modern Talking angelehnte „Cherry Lady“prägt. Oder in „Neymar“zu Zeilen führt, die sich so anhören: „Weit und breit keine Gegnaaaa, komm wir wechseln das Themaaaa, ich will 22-Zoll-Rädaaaa, und die Sitze aus Ledaaaa.“Was Capi in weiten Markenklam­otten und mit Basecap serviert, rappen die Kids natürlich alles mit. Es geht um Außenseite­r-Romantik, Aufsteiger­träume, Style und Liebe. Die Experten des Rolling Stone machen in der Musik und Typen wie Capital Bra bereits einen „Wachwechse­l im Pop“aus. Mit des Chartstürm­ers Slang gesprochen gilt für die Branche jedenfalls: „Kuku“– pass auf!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany