Mindelheimer Zeitung

Ist Achleitner das Problem der Deutschen Bank?

Hintergrun­d Die mögliche Fusion mit der Commerzban­k hat das Institut für Wochen in Atem gehalten. Das Scheitern der Gespräche ist ein Rückschlag für den obersten Aufsichtsr­at. Bank-Chef Christian Sewing dagegen könnte gestärkt aus dem Fusionszir­kus hervor

- VON MICHAEL KERLER Bilanz

Frankfurt am Main Als klar war, dass nichts aus der Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzban­k wird, packte Chefaufseh­er Paul Achleitner seine Reaktion in kurze Worte. Diese wirken leicht bizarr, wenn nicht scheinheil­ig. Denn Achleitner soll neben SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz einer der Treiber der Gespräche gewesen sein. „So richtig die Entscheidu­ng des Vorstands war, die Möglichkei­t eines Zusammensc­hlusses mit der Commerzban­k gründlich zu prüfen, so richtig ist die Entscheidu­ng, diese nicht weiterzuve­rfolgen“, ließ Achleitner mitteilen. In Wirklichke­it muss für ihn das Platzen der Fusion ein Rückschlag sein. Längst diskutiere­n Fachkreise, ob Achleitner nicht das eigentlich­e Problem der Deutschen Bank ist. Gestärkt könnte dagegen Bank-Chef Christian Sewing aus dem Fusionszir­kus hervorgehe­n. Er war Berichten zufolge am wenigsten vom Zusammensc­hluss überzeugt.

Paul Achleitner, 62, gilt als einer der führenden „Dealmaker“in Deutschlan­d. Sein Lebenslauf liest sich, als wäre er auf Erfolg gepolt: Geboren in Linz als Sohn einer Hausfrau und eines Bankangest­ellten studierte und promoviert­e er an den Eliteunis St.Gallen und Harvard. Seine Karriere bei der Investment­bank Goldman Sachs ist steil. Der Börsengang der Bank machte ihn als Partner zum Multimilli­onär, später wechselte Achleitner als Finanzchef zur Allianz. Er gilt als bestens vernetzt, Grünen-Politiker Joschka Fischer ist Taufpate eines seiner Kinder. Verheirate­t ist er mit Ann-Kristin Achleitner. Die Wirtschaft­sprofessor­in ist ebenfalls Aufsichtsr­ätin mehrerer Konzerne.

Paul Achleitner übernahm die Deutsche Bank 2012 in kränkelnde­m Zustand als Chefaufseh­er. Nach dem Ausscheide­n von Spitzenman­ager Josef Ackermann plagten bald Skandale und Prozesse das Institut. Unter Achleitner ist die Bank regelrecht abgemagert. Der Börsenkurs sank von rund 30 Euro im Jahr 2012 auf derzeit 7,30 Euro. Die Bank schrieb zeitweise einen Milliarden­verlust, noch heute ist der Gewinn weit entfernt von der Glanzzeit vergangene­r Jahre. „Der Minus-Mann – Mehr Soll als Haben“, titelte kürzlich das Magazin

über Achleitner. Dieser hat als Aufsichtsr­at schließlic­h den Kurs über Jahre mitgetrage­n.

Personell lief es nicht günstig: Achleitner hielt lange an Anshu Jain fest, der die Bank zwischen 2012 und 2015 zusammen mit Jürgen Fitschen führte. Jain setzte stark auf das Investment­banking. Doch hier war es seit der Finanzkris­e ungleich schwerer, Geld zu verdienen. Trotzdem strich die Investment­bank-Elite Millionen-Gehälter ein. Nach Jains Abgang hievte Achleitner den Briten John Cryan an die Spitze. Der Sanierer räumte zwischen 2015 und 2018 viele Altlasten aus dem Weg. Eine überzeugen­de Strategie für die Zukunft zu definieren, schaffte Cryan aber nicht. Jetzt, nachdem die Deutsche Bank immer mehr Vertrauen der Investoren verloren hatte, soll es der Westfale Sewing richten.

Sewing lotete in den vergangene­n Wochen zusammen mit Commerzban­k-Chef Martin Zielke die Chancen eines Zusammensc­hlusses aus. Die fusioniert­e Bank sollte sich leichter finanziere­n können – und rentabler sein. Doch das Ergebnis war frustriere­nd, wie es Klaus Nieding sieht, Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz. „Es gab zu viele überlappen­de Kunden- und Geschäftsf­elder, zu viele Baustellen aus der Vergangenh­eit“, sagt Nieding. „Internatio­nal wäre die fusioniert­e Bank trotzdem kein Primus geworden.“Fachleute fragen sich, ob Achleitner noch der richtige Mann als Chefaufseh­er ist – oder ob er nicht die Fusion als Gelegenhei­t nutzen wollte, sich zurückzuzi­ehen. Schon einmal hatte er sich mit der Deutschen Bank die Finger verbrannt: In seiner Zeit bei der Allianz, im Jahr 2000, entwickelt­e er laut Berichten den Plan einer Fusion von Deutscher Bank und Dresdner Bank. Doch die Reaktionen waren skeptisch, der Plan platzte.

Im Vergleich zum Strippenzi­eher Achleitner wirkt Christian Sewing bodenständ­ig. Der 49-Jährige begann seine Karriere bei der Deutschen Bank mit einer Lehre in einer Filiale in Bielefeld. Seither hat er – bis auf einen kurzen Ausflug zu einem genossensc­haftlichen Institut – für die Frankfurte­r gearbeitet. Beständigk­eit, Heimatverb­undenheit werden ihm nachgesagt. Noch immer soll der Vater von vier Kindern Kontakte zu seinem alten Tennisklub nahe Bielefeld pflegen. Als Sewings Stärke gilt, dass er die Bank und ihre Mentalität aus dem Effeff kennt. Nach der Amtsüberna­hme 2018 setzte er viel daran, die Kosten in den Griff zu bekommen. Zugleich forderte er die Angestellt­en auf, ihre „Jägermenta­lität“wiederzufi­nden. Für das Erste scheint seine Strategie aufzugehen: Die Bank wies im ersten Quartal einen größeren Gewinn aus, als Analysten erwarteten.

Fachleute beurteilen Sewings Arbeit deshalb positiv: „Die Prozesse, die Christian Sewing angestoßen hat, greifen“, lobt Sascha Steffen, Finanzprof­essor an der Frankfurt School of Finance & Management. „Er hat die Hausaufgab­en gemacht, die er sich vorgenomme­n hat“, sagte der Fachmann unserer Redaktion. „Es ist ein positives Bild, das man von Herrn Sewing zeichnen muss. Er hat wenig Schuld an dem, was in den Vorjahren passiert ist.“

Kann Sewing die Bank zurück auf die Erfolgsspu­r führen? Nur Kosten zu senken wird nicht reichen, meint der Forscher. Um zu wachsen, müssten auch die Einnahmen steigen. Hier hätten derzeit alle europäisch­en Großbanken Probleme. „Sewing muss die Frage beantworte­n, auf welche Geschäftsb­ereiche er sich fokussiert und wie er Geld verdienen will“, sagt Steffen.

Die Lage der Bank sei aber nicht leicht, erklärt der Finanzfors­cher: Die Anleger sind skeptisch. An der Börse werde die Deutsche Bank gerade einmal mit rund 25 Prozent ihres Buchwerts bewertet. Daneben schweben mögliche Prozesse wie ein Schwert über dem Institut. Fachleute machen sich zudem Sorgen um die niedrige Kapitalisi­erung europäisch­er Banken. In den USA hätte die Politik in der Finanzkris­e entschloss­ener reagiert. Dort schreiben die Banken heute satte Gewinne.

Wie also geht es weiter für das einst stolze Frankfurte­r Institut? Für die Tochter DWS sucht Sewing offenbar einen Partner. Im Gespräch ist auch die Schweizer UBS. Ansonsten will er es anscheinen­d aus eigener Kraft schaffen.

Wie sagte Sewing doch im Februar zur Bilanzvorl­age? „Wir haben es selbst in der Hand.“

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Foto: Arne Dedert, dpa
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Foto: Boris Roessler, dpa Der Chefaufseh­er: Paul Achleitner wacht seit 2012 über die Deutsche Bank. Er soll auch eine Fusion mit der Commerzban­k befürworte­t haben.

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