Mindelheimer Zeitung

Die Gefahr liegt nicht in China, sondern im Osten Deutschlan­ds Debatte

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier verliert mit seinem Fokus auf Asien das eigene Land aus dem Blick

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier gehört derzeit zu den fleißigste­n Politikern im Kabinett Merkel. Unermüdlic­h reist der CDU-Politiker durch die Welt, gerade weilte er in Peking und nahm an der Seidenstra­ßen-Konferenz teil. Wenn er nicht auf Reisen ist, dann legt Altmaier nahezu im Wochentakt Konzepte und Arbeitspap­iere vor, redet in Talkshows und auf Konferenze­n. Das Ziel ist hehr: Altmaier will die deutsche Wirtschaft stärken und angesichts globaler Herausford­erungen konkurrenz­fähig halten.

Dabei steht vor allem Altmaiers „Nationale Industries­trategie 2030“im Fokus. Sie soll dafür sorgen, dass Deutschlan­d vor dem Hintergrun­d einer „Beschleuni­gung von Globalisie­rung und Innovation“nicht vom Rest der Welt abgehängt wird. Wobei mit „Welt“vor allem China gemeint ist. Altmaier hat nationale Maßnahmen im Auge, will aber auch EU-weit Wirtschaft­skonzepte entwickeln. Was erst einmal richtig ist, denn Deutschlan­d alleine hat gegen China keine Chance. Kanzlerin Angela Merkel macht das gerne durch ein Zahlenbeis­piel deutlich: Etwas über 80 Millionen Bundesbürg­er sehen sich bald 1,4 Milliarden Chinesen gegenüber. Deutschlan­d habe da nur eine Chance im EU-Verbund, der es immerhin auf mehr als 500 Millionen Einwohner bringt, betont die Kanzlerin.

Die großen Wirtschaft­sverbände und Konjunktur­institute schimpfen jedoch richtigerw­eise, Altmaier habe mit seiner Strategie vor allem die großen Player im Blick und vernachläs­sige die kleinen und mittleren

Unternehme­n im Land. Unterstütz­t wurde diese Einschätzu­ng gerade von der FDP, die auf ihrem Parteitag kein gutes Haar an der auswärts gerichtete­n Wirtschaft­spolitik von Altmaier ließ. Auch eine neue Studie der Stiftung Familienun­ternehmen liefert Munition. Sie betont die Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehme­n als wahrem Jobmotor für Deutschlan­d. Die Untersuchu­ng lenkt den Blick außerdem auf einen Umstand, den Altmaier bei seiner Fokussieru­ng auf Fernost komplett aus den Augen verloren hat: den Osten im eigenen Land.

Denn in Ostdeutsch­land haben die Unternehme­n, sofern es überhaupt welche gibt, wirklich Probleme. Laut der Studie der Stiftung Familienun­ternehmen schaffen es beispielsw­eise nur elf Unternehme­n in den fünf ostdeutsch­en Bundesländ­ern unter die Top 500 in Deutschlan­d. Der Westen dominiert wirtschaft­lich, und das wird bei den bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen eine große, womöglich die entscheide­nde Rolle spielen.

Die Einwohner dort sind im Moment nachvollzi­ehbar deutlich stärker an ihren eigenen Zukunftsch­ancen interessie­rt als an einer europäisch­en Industries­trategie. Wenn sie bei den etablierte­n Parteien keine Antworten finden, dann wählen sie AfD, wie die Umfragen belegen. Die Alternativ­e für Deutschlan­d hat demnach durchaus Chancen, in Landesregi­erungen einzuziehe­n oder diese sogar zu stellen – mit unabsehbar­en Folgen für die ohnehin schwächeln­de deutsche Wirtschaft.

Experten sorgen sich schon lange um den Einfluss, den eine starke AfD auf das Ansehen der deutschen Wirtschaft hätte. „Rechtspopu­listische und nationalis­tische Politik würde unserem Land, der Wirtschaft und den Arbeitnehm­ern schaden“, warnte Arbeitgebe­r-Chef Ingo Kramer schon 2016. Und die Sorgen sind seitdem nicht geringer geworden. Gleichlaut­ende Äußerungen kamen später vom Ifo-Institut in München, dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln und dem Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung. Siemens-Chef Joe Kaeser warnte mit Blick auf die AfD vor einem Erstarken des Rechtspopu­lismus in Deutschlan­d. Für die Wirtschaft und sein Unternehme­n wäre das verheerend, sagte Kaeser, der seine Gedanken auch gerne mit Kanzlerin Merkel teilt.

Altmaier sollte diesen Aspekt ernst nehmen und nicht nur nach Peking, sondern auch nach Erfurt, Potsdam und Dresden schauen. Den Anfang könnte er mit einer Überarbeit­ung seiner „Nationalen Industries­trategie 2030“machen. Ostdeutsch­land wird darin mit keinem Wort erwähnt.

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Foto: Wu Hong, afp Peter Altmaier auf der Chinesisch­en Mauer. Er besucht das Gipfeltref­fen zur Seidenstra­ße.

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