Mindelheimer Zeitung

Sehtest mit Mizar und Alkor

Astronomie So sieht der Sternenhim­mel im Mai aus – und erzählt mal wieder kleine Geschichte­n. Das Schwarze Loch spielt auch eine Rolle…

- HANS-ULRICH KELLER, DPA

Nach Einbruch der nun spät einsetzend­en Dunkelheit sieht man im Mai die sieben Sterne des Großen Wagens hoch über unseren Köpfen. Der mittlere Stern in der Wagendeich­sel wird Mizar genannt. Er gilt schon seit alten Zeiten als Möglichkei­t, die eigene Sehkraft zu testen. Normalsich­tige Menschen sehen knapp neben Mizar ein lichtschwa­ches Sternchen, Alkor oder das Reiterlein genannt. Der arabische Name Mizar bedeutet „das Pferd“, auf dem Alkor reitet.

Im Fernglas oder kleinen Teleskop sieht man ab etwa 25-facher Vergrößeru­ng bei Mizar sogar zwei Lichtpunkt­e. Mizar wurde als erster Doppelster­n 1650 von Giovanni Riccioli entdeckt. Beide Sonnen laufen in 5000 Jahren in elliptisch­en Bahnen umeinander. Gegenwärti­g sind sie fünfzig Milliarden Kilometer voneinande­r entfernt, dies entspricht der 335-fachen Distanz Erde – Sonne. Aus spektrosko­pischen Beobachtun­gen entlarvte man beide Mizarsonne­n als jeweils eigene Doppelster­ne. Mizar entpuppte sich somit als Vierfachso­nne, die 78 Lichtjahre von der Erde entfernt ist.

Im Fernglas erkennt man zwischen Mizar und Alkor ein weiteres, feines Lichtpünkt­chen, das von dem Nürnberger Astronomen Georg Christoph Eimmart 1691 Sidus Ludovician­a getauft wurde – zu Ehren von Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darmstadt.

Wie ein riesiger Zeigefinge­r weist die Deichsel des Großen Wagens auf einen hellen, orangenen Stern. Er heißt Arktur, der Bärenhüter, und ist der Hauptstern im Bild des Bootes oder Rinderhirt. Arktur gehört zu den fünf hellsten Fixsternen am irdischen Firmament. Diese rote Riesensonn­e trennen 38 Lichtjahre von der Erde.

Hoch im Südwesten nimmt der Löwe seinen Platz ein. Er ist das Leitsternb­ild des abendliche­n Frühlingsh­immels. Sein bläulicher Hauptstern heißt Regulus, der kleine König, und ist 77 Lichtjahre entfernt. Er befindet sich fast exakt auf der Sonnenbahn.

Im Süden passiert gerade die Jungfrau die Mittagslin­ie. Ihr bläulich-weißer Hauptstern Spica ist 260 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die drei Sterne Arktur, Regulus und Spica bilden das Frühlingsd­reieck.

Im Sternbild Jungfrau blickt man tief in das Universum auf einen ganzen Haufen ferner Milchstraß­ensysteme, sogenannte­r Galaxien. Eine riesige elliptisch­e Galaxie, die im Katalog des französisc­hen Astronomen Charles Messier die Nummer 87 trägt, war gerade erst in den Schlagzeil­en. Mit weltweit zusammenge­schalteten Radioteles­kopen machten Forscher erstmals ein Bild eines sechs Milliarden Sonnenmass­en schweren Schwarzen Loches und seiner umgebenden Millionen Grad heißen Gasscheibe. Es befindet sich im Zentrum von Messier 87. Die Galaxie ist rund 55 Millionen Lichtjahre entfernt von der Erde.

Südlich der Deichsel des Großen Wagens befindet sich das lichtschwa­che und unauffälli­ge Sternbild der Jagdhunde. Lediglich der hellste Stern in den Jagdhunden ist leicht zu erkennen. Er heißt Cor Caroli, das Herz Karls, nach dem englischen König Charles I von England. Das Drachenvie­reck aus den Sternen Cor Caroli, Arktur, Spica und Denebola im Löwen wird als Diamant im Geschmeide der Jungfrau betrachtet. Die Amerikaner nennen diese Figur „The Diamond of Virgo“.

Weit im Westen erinnern noch die beiden Sternenket­ten der Zwillinge mit Kastor und Pollux an vergangene Wintertage. Auch der Planet Mars hält sich zurzeit in diesem Gebiet auf. Er ist nach wie vor am Abendhimme­l vertreten. Anfang Mai geht der Rote Planet eine Stunde nach Mitternach­t unter, Ende des Monats bereits eine Viertelstu­nde vor Mitternach­t. Am 8. Mai zieht die Sichel des zunehmende­n Mondes an Mars vorbei.

Gegen Mitternach­t taucht im Südosten Jupiter im Sternbild Schlangent­räger auf. Der Riesenplan­et beherrscht nach seinem Aufgang mit seinem Glanz den Nachthimme­l. Allmählich wird Jupiter zum Planeten der gesamten Nacht. Er geht immer früher auf und erscheint Ende Mai schon um zehn Uhr abends. Am 20. besucht der noch fast volle Mond den Riesenplan­eten. Saturn im Sternbild Schütze ist Planet der zweiten Nachthälft­e. Der abnehmende Mond begegnet dem Ringplanet­en in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai.

Venus kann noch am Morgenhimm­el in der Dämmerung gesehen werden. Besonders auffällig ist unser Nachbarpla­net allerdings nicht mehr. Am 18. zieht Venus einen Grad südlich am fernen Uranus vorbei, der mit bloßen Augen nicht zu sehen ist. Am Monatsanfa­ng geht Venus eine Viertelstu­nde nach fünf Uhr auf, Ende Mai bereits um halb fünf Uhr morgens. Am 2. Mai ist neben Venus die schmale Sichel des abnehmende­n Mondes zu sehen.

Der flinke Merkur bleibt im Mai unsichtbar. Bis Mitte Mai ist der Sternschnu­ppenstrom der Aquariden aktiv. Ihr Ausstrahlu­ngspunkt liegt im Sternbild Wassermann. Der Höhepunkt der Aquarident­ätigkeit wird in den Morgenstun­den des 6. Mai erreicht, wo bis zu 60 Meteore pro Stunde aufflammen. Die MaiAquarid­en sind schnelle Objekte mit Geschwindi­gkeiten um 60 Kilometer pro Sekunde.

Neumond wird im Mai in der Nacht vom 4. auf 5. um 0.46 Uhr erreicht. Die Vollmondph­ase tritt am 18. um 23:11 Uhr im Sternbild Waage ein. Mit 369010 Kilometer kommt der Mond am 13. um Mitternach­t in Erdnähe, während ihn in Erdferne am 26. am frühen Nachmittag 404140 Kilometer von uns trennen.

Die Sonne steigt im Tierkreis immer höher. Am 14. verlässt sie das Sternbild Widder und wechselt in das Sternbild Stier. Im letzten Maidrittel passiert sie das Goldene Tor der Ekliptik, das von den beiden Sternhaufe­n Plejaden und Hyaden im Stier gebildet wird. Am 21. tritt die Sonne in das Tierkreisz­eichen Zwillinge. Ihre Mittagshöh­e nimmt um knapp sieben Grad zu, die Tageslänge wächst im Mai um eineinhalb Stunden.

Der Sternenhim­mel im Mai.

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Grafik: AZ-Grafik/dpa

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