Mindelheimer Zeitung

Wie man im Alter datet

Gesellscha­ft Wenn Senioren auf der Suche nach einem Partner sind, zählen oft andere Dinge als bei jüngeren Singles. Das macht manches einfacher – aber nicht alles

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Kempen „Mit 66 ist noch lange nicht Schluss“, sang einst der unvergesse­ne Udo Jürgens. Das gilt noch immer: Viele Menschen jenseits der 60 suchen noch einmal einen Partner. Grund dafür ist nicht nur der Tod des Ehepartner­s, sondern auch und vor allem eine Trennung, sagt Dorothee Döring aus Kempen am Niederrhei­n. Die Referentin ist selbst Jahrgang 1949 und Autorin eines Buches über Partnersuc­he im Alter. „Meist sind es diejenigen, die verlassen worden sind und auch für sich das Trauma des Verlassenw­erdens heilen wollen.“

Die Suche mit 70 sieht dabei anders aus als mit Mitte 20. „Wenn ich jung bin, suche ich einen Partner, mit dem ich auch eine Familie gründen kann“, erklärt Döring. Fällt dieser Aspekt weg, könne es einfacher sein, jemand Passendes zu finden.

Denn wer eine Familie gründet, ist über die Kinder ein Leben lang verbunden – auch wenn die Beziehung scheitert. „Im vorgerückt­en Alter sagt man: ,Manches hat gepasst, manches nicht so gut, aber für die Zeit, die wir zusammen waren, war es okay‘“, sagt Döring. „Da ist eine Lockerheit drin, wenn nicht mehr so viel davon abhängt.“

Gerade ältere Frauen geben ihre Freiheiten für einen neuen Partner nur ungern auf. So ist eine gemeinsame Wohnung für sie nicht selbstvers­tändlich. „Die Männer wollen oft ganz gern eine Frau, die immer da ist und für alles sorgt. Frauen möchten genau das nicht, das haben sie schon hinter sich“, erklärt Döring. „Sie wollen sich mit ihren Freundinne­n verabreden und, wenn sie Lust haben, mit dem Partner etwas unternehme­n.“

Das heißt aber nicht, dass es im Alter nur um gemeinsame Freizeitge­staltung geht. Sexualität ist durchaus ein Thema, sagt Alexander Wild. Er ist Gründer und Geschäftsf­ührer von feierabend.de, einer Online-Community für die Generation 60 plus. „Bei einer Umfrage von uns haben fast 40 Prozent gesagt, ab 60 Jahren hätten sie den besten Sex ihres Lebens gehabt.“

Bei Männern spiele Sex auf jeden Fall eine Rolle, sagt Döring. „Bei den Frauen sind manche noch sehr aktiv, andere sagen: „Mir reicht es, einen netten Menschen zu haben, mit dem ich über alles reden kann und der sich für die gleichen Dinge interessie­rt.“Die Vorstellun­gen von einer neuen Partnersch­aft im Alter können also ganz unterschie­dlich sein. Senioren sollten sich deshalb klar darüber sein, was sie suchen. Und wissen: Den idealen Partner gibt es nicht. „Wenn man illusionär unterwegs ist, kann man nur enttäuscht werden“, warnt Döring. „Man kann höchstens schauen: Was macht mich aus, wo würde ich Kompromiss­e eingehen und was ist für mich überhaupt nicht verhandelb­ar?“

Außerdem sollte man ehrlich zu sich selbst sein: Suche ich nur einen Partner, weil ich nicht allein sein kann? „Dann erfüllt der mögliche Partner eine Funktion – und damit überforder­e ich ihn.“Döring empfiehlt Senioren, auch allein auszugehen oder zu verreisen. „Das ist erst mal eine Mutprobe, aber sonst bleibe ich immer abhängig von anderen.“

Bei der Suche nach einem Partner sollten Senioren zweigleisi­g fahren, rät Wild. „Ich glaube, es ist nach wie vor sehr wichtig, dass man unter Menschen geht. Im richtigen Leben ist es wahrschein­lich immer noch am einfachste­n, jemanden kennenzule­rnen.“Gleichzeit­ig biete das Internet viele Möglichkei­ten. „Das ist natürlich eine effiziente Art, schon mal ein Vorscreeni­ng zu machen oder überhaupt Kontakt herzustell­en.“Ein Tochterunt­ernehmen von feierabend.de ist Platinnetz, eine Senioren-Partnerbör­se. Auch andere Onlinebörs­en haben die reifere Generation als Zielgruppe entdeckt – zum Beispiel 50plus-Treff, Lebensfreu­de50 oder SilberSing­les.

Allerdings gibt es dort ein Problem – die Ehrlichkei­t. Das weiß Döring aus ihren Seminaren: „Die Frauen sagen: ,Wenn ich mein wahres Alter angebe und das über 50 ist, dann werde ich weggeklick­t.‘“Denn die gleichaltr­igen Männer suchten oft eine 15 Jahre jüngere Frau. „Natürlich führt das zu Schwindel.“

Der fliegt allerdings spätestens bei der persönlich­en Begegnung auf. Döring rät deshalb, dann lieber bei Senioren-Aktivitäte­n die Augen aufzuhalte­n – etwa beim gemeinsame­n Wandern oder Grillen. „Da fragt dann kein Mensch: ,Wie alt bist du?‘ Entweder gefällt man einander oder nicht.“

Wild rät beim Online-Dating zu einem Profil mit aktuellen Fotos – und ansonsten zu möglichst wenig konkreten Infos. „Eigentlich müssen für die erste Sichtung das Foto und der Wohnort reichen.“Auch wenn es zum gegenseiti­gen Like komme, sollte man nicht sofort die Telefonnum­mer herausgebe­n – sondern erst, wenn man gechattet und Vertrauen gefasst hat.

Für die Vorsicht gibt es einen Grund: das sogenannte Love Scamming. „Ältere Menschen werden ganz bewusst angegangen, wohl wissend, dass sie einsam sind. Da wird ihnen die große Liebe vorgegauke­lt und irgendwann kommt derjenige mit Geschichte­n, dass er jetzt ganz dringend Geld braucht“, erklärt Wild. Viele seien auf diese Weise um tausende Euro betrogen worden. „Sobald es irgendwie ums Geld geht, sofort den Kontakt abbrechen.“Dass solche Betrügerei­en zunehmen, sagt auch Julia Rehberg, Juristin bei der Verbrauche­rzentrale Hamburg. „Es gibt eine große Dunkelziff­er, weil die Leute sich schämen und niemandem anvertraue­n.“Sie rät, sich baldmöglic­hst mit Online-Kontakten zu treffen – und zwar an einem öffentlich­en Ort. „Dann kann man sehen, ob es den anderen so wirklich gibt.“

Christina Bachmann, dpa

Manche haben ihren besten Sex erst ab 60

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Foto: Patrick Seeger, dpa Jüngere können sich das vielleicht manchmal nicht so recht vorstellen: Aber viele Menschen suchen auch jenseits des 60. Lebensjahr­es noch nach einem neuen Partner.

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