Mindelheimer Zeitung

Was macht das Allgäu wertvoll?

Tourismus Der Verbund „Allgäu Tophotels“besteht seit 20 Jahren. Er hat eine Erfolgsges­chichte geschriebe­n, die viel Beachtung findet. Bei einem Gespräch mit den Leitern klingen aber auch nachdenkli­che Töne an

- VON ULI HAGEMEIER

Die „Allgäu Tophotels“sind ein Verbund, der deutschlan­dweit beachtet wird: 80 Hoteliers mit 5000 Mitarbeite­rn bieten 10 000 Betten und werben gemeinsam für eine Region. Auch in Bad Wörishofen ist der Verbund vertreten. Seit 20 Jahren gibt es die Organisati­on – Anlass für ein Gespräch mit den Beiratsvor­sitzenden Hannes Neusch (Allgäuer Berghof) und Anna-Maria Fäßler (Sonnenalp) sowie Geschäftsf­ührerin Sybille Wiedenmann.

Anna-Maria Fäßler, Sybille Wiedenmann und Hannes Neusch sind sich einig: Die Lebensqual­ität in einer Region steige durch den Tourismus, sagen sie. Das betreffe die Infrastruk­tur, beispielsw­eise beim Verkehr, die Angebote bei Einzelhand­el und Kultur, auch die medizinisc­he Versorgung. Der Übernachtu­ngstourism­us bringe auch eine hohe Wertschöpf­ung für die Region. Nicht nur durch das Geld, das die Gäste im Allgäu ausgeben, sondern auch durch Investitio­nen der Hoteliers: „Die 80 Hotels haben in den vergangene­n zehn Jahren 500 Millionen Euro investiert“, sagt Anna-Maria Fäßler. Etwa 75 Prozent dieser Summe seien an Betriebe im Allgäu gegangen, weitere Investitio­nen in Höhe von 100 Millionen Euro seien geplant.

„Wir dürfen aber eines nicht vergessen“, sagt Hannes Neusch: „Wir brauchen alle Allgäuer, um erfolgreic­h zu sein, zum Beispiel auch unsere Landwirte. Wir Hoteliers dürfen nicht Werte vermarkten, die von anderen geschaffen wurden. Wir müssen den Kooperatio­nsgedanken vertiefen, das ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.“

Apropos Werte: Was macht das Allgäu für Gäste wertvoll? „Das ist zum einen unsere Natur, die sich die Touristen durch die vorhandene Infrastruk­tur selbst erschließe­n können“, sagt Anna-Maria Fäßler. „Wertvoll ist aber auch, dass wir die Gäste herzlich und mit Leidenscha­ft betreuen und dass sich das Allgäu auf den Speisekart­en wiederfind­et.“

Wie beurteilen die TourismusE­xperten die jährlich steigenden Zahlen der Gäste in der Region? Sie sind zurückhalt­end, sehen Erfolge genauso wie Probleme. „Wir wissen, dass Wachstum kein Allheilmit­tel ist“, sagt Hannes Neusch, „und wir wissen, dass das Wachstum Grenzen hat“. Sybille Wiedenmann ergänzt: „Wir brauchen nicht insgesamt mehr Gäste, wir brauchen Menschen, die das Allgäu wertschätz­en. Und wir müssen dazu stehen, dass unsere Leistung einen Wert hat.“

Da ist wieder dieser Begriff „Wert“. Vielen Menschen ist es auch etwas wert, an die Orte zu gehen, an denen auch viele andere Touristen sind. Kann man Besucherst­röme überhaupt lenken? „Das ist ein heißes Thema“, sagt Neusch nachdenkli­ch. Die Hoteliers könnten die Gäste gezielt beraten, an welchen Tagen oder zu welchen Tageszeite­n sie Attraktion­en ansteuern sollen. Die Digitalisi­erung könne dabei helfen – und auch die Preisgesta­ltung: Bei Hotelzimme­rn und Flügen sei es akzeptiert, dass die Preise je nach Buchungsst­and variieren. Eine große Sorge vieler Hoteliers im Allgäu ist der Fachkräfte­mangel. Allein bei den 80 Hotels des Verbundes seien etwa 1000 Stellen unbesetzt. Einige Unternehme­n belegen nicht mehr alle Zimmer, andere schränken ihre gastronomi­schen Angebote ein. Die Hoteliers bauen Appartment­häuser für ihre Mitarbeite­r, die teilweise mit ihren Familien aus vielen Ecken Europas zum Arbeiten kommen.

Die Unternehme­r denken auch darüber nach, wo die Digitalisi­erung menschlich­e Arbeitskra­ft ergänzen kann: „Wenn ein Roboter alle meine Tische im Berghof eindecken könnte, habe ich eineinhalb Arbeitskrä­fte am Tag frei, die sich um die Gäste kümmern können“, sagt Neusch.

Er gehört zu den Gründern des Verbundes der Allgäuer Tophotels und steht bis heute an dessen Spitze. Der größte Erfolg sei es gewesen, vor 20 Jahren eine eigene Anlaufstel­le für die Touristike­r im Allgäu zu schaffen, nicht in München oder Augsburg, „sondern da, wo der Tourismus passiert“.

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Foto: Ralf Lienert Lebhafte Debatte: Sybille Wiedenmann, Geschäftsf­ührerin der Tophotels, Anna-Maria Fäßler und Hannes Neusch.

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