Endlich erfunden! Der digitale Bierdeckel
Innovation Der Filz, auf dem man seine Halbe parkt, wird jetzt kommunikativ
Weisenbach Von der Öffentlichkeit lange fast unbemerkt, bahnt sich eine Revolution in der Produktion von Bierfilzen an. Die Zeiten, in denen der banale Pappdeckel als Ablage für Humpen und Gläser diente, dürften bald passé sein. So haben Tüftler bereits Bierdeckel entwickelt, die nach Schokolade riechen. Oder nach Früchten. „Neulich roch die ganze Firma nach Apfel“, berichtet Karsten Beisert, Geschäftsführer The Katz Group im Nordschwarzwald. „Der Auftrag kam von einem Cidre-Produzenten.“
Man muss nur etwas an dem, Deckel schubbern, dann entfaltet sich der Apfelgeruch. Doch das ist längst nicht alles: Schon drängen Filze auf den Markt, in denen ein Mikrochip eingebaut ist. Hält man das Handy an den Chip, kann man etwa digital an einem Gewinnspiel teilnehmen. Andere Deckel unterhalten den Trinker mit Flirtsprüchen („Du bist die wahre Ursache der Erderwärmung“), laden zum Mühlespiel ein oder zum Kreuzworträtsel.
Drei Milliarden Bierdeckel stellt das 300 Jahre alte Traditionsunternehmen Katz im Jahr her – weltweit produziere keine andere Firma mehr davon. Hauptsitz ist Weisenbach, ein 2500-Seelen-Nest im Murgtal. Hier werden 1,3 Milliarden Deckel produziert, der Rest in zwei Werken in den USA. „Die USA ist das Land mit der größten Abnahmemenge, gefolgt von Deutschland“, sagt Marisa Zeltmann, Chefin der Marketingabteilung.
Bei Geschäftszahlen bleibt das Unternehmen eher vage. „Die Katz Gruppe zielt auf 50 Millionen Euro Umsatz.“250 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, 150 davon in Weisenbach. Stärkste Konkurrenz und zweiter großer Player in Deutschland ist das Familienunternehmen Marienthaler in Schleiden-Gemünd, einem 4250-Einwohner-Ort in der Eifel. Mehr als eine Milliarde Bierdeckel verlassen das Werk pro Jahr. „Auch wir verwenden reines Tannenholz, unsere Pappe kommt aus Schweden, aus eigener Fertigung“, sagt Geschäftsführer Andreas Uhlmann. Den deutschen Markt teile man sich mit Katz „in etwa 50:50“, auch Marienthaler exportiere in die ganze Welt. Bei Katz im Badischen mag man das Wort Bierdeckel nicht mehr. Beisert, seit vergangenen November neuer Geschäftsführer, spricht stattdessen von „Untersetzern“oder auch „Getränkeuntersetzern“. Das klingt etwas gestelzt, doch hinter der Wortwahl steckt Strategie: „Wir müssen innovativ sein und neue Märkte erschließen.“
Im Klartext: Nicht nur Bier brauche Untersetzer, sondern auch Softdrinks, Kaffee und Tee, Wein und Cocktails. Die Papierservietten, auf denen etwa in Bars häufig Cocktails serviert werden, sind Beisert ein Dorn im Auge. Hier müssten hochwertige, saugfähige Untersetzer her, fordert er. Weitere Produkte seien etwa Schautafeln und extrem leichte Hängeschilder, als Alternative zu den üblichen Materialien auf Mineralölbasis. „80 Prozent des Umsatzes machen wir mit Untersetzern“, sagt Beisert.