Mindelheimer Zeitung

Eine Internatio­nale der Nationalis­ten?

Analyse Anläufe, die Parteien des rechten Politikspe­ktrums in Europa zu einigen, waren bisher nicht sehr erfolgreic­h. Nun startet ein neuer Versuch. Warum das nicht so einfach ist

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Pläne und Versuche, Parteien aus dem rechten politische­n Spektrum in Europa zu vereinen, gab es in den letzten Jahren immer wieder. Wie schwierig das aber ist, musste der frühere Berater von USPräsiden­t Donald Trump, Steve Bannon, erkennen. Der 65-Jährige kündigte vollmundig an, eine Bewegung rechter Parteien zu formen, um der EU den Garaus zu machen. Doch Bannon scheiterte krachend. Er unterschät­zte, wie heterogen – in Herkunft und Ausrichtun­g – die rechtsnati­onalen, rechtspopu­listischen und rechtsextr­emen Parteien in Europa sind.

Doch nun gibt es einen neuen Anlauf: Angesichts der am 26. Mai bevorstehe­nden Europawahl­en versuchen die erfolgreic­hsten europäisch­en Rechtspart­eien ihre Kräfte zu bündeln. Ihr Ziel: eine große Fraktion im EU-Parlament unter dem etwas sperrigen Namen „Parteienbü­ndnis Europäisch­e Allianz der Menschen und Nationen“(EAMN) – bisher gibt es zwei kleinere Fraktionen und Einzelkämp­fer. Nicht zuletzt befeuerten die europaweit­en Umfragen, die den rechten Parteien zweistelli­ge Ergebnisse verheißen, diese Pläne. Doch das Vorhaben gestaltet sich schwierig. So ist es beispielsw­eise Matteo Salvini, der Galionsfig­ur der europäisch­en Rechtspopu­listen, bisher nicht gelungen, Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán dazu zu bewegen, sich den EAMN-Initiatore­n anzuschlie­ßen. Der italienisc­he Innenminis­ter und Chef der Lega wird am heutigen Donnerstag in Budapest versuchen, Orbán doch noch zu gewinnen. Doch dessen Partei Fidesz ist weiterhin, wenn auch wegen antieuropä­ischer Polemiken suspendier­tes, Mitglied in der Fraktion der konservati­ven Europäisch­en Volksparte­i (EVP). Immerhin haben bereits weitere Parteien angekündig­t, sich der Initiative des Italieners Matteo Salvini, von Jörg Meuthen (AfD), dem Finnen Olli Kotro (Die Finnen) und Anders Vistisen (Dänische Volksparte­i) aus Dänemark anzuschlie­ßen: unter anderem Marine Le Pen von der französisc­hen Rassemblem­ent National, die österreich­ische FPÖ und weitere Rechtspart­eien.

Ein Blick auf die wichtigste­n Parteien des rechten Spektrums in den EU-Mitgliedsl­ändern zeigt jedoch, wie groß die Bandbreite ist: Die italienisc­he Lega Nord, die sich seit 2018 nur noch Lega nennt, wurde bei den letzten Wahlen drittstärk­ste Kraft in Italien. Sie regiert mit der Fünf-Sterne-Bewegung. Lega-Chef Matteo Salvini gilt bei vielen Rechtspart­eien in Europa als Prototyp eines charismati­schen und erfolgreic­hen Politikers. Ende der 80er Jahre gründete sich die Lega als Partei, die für die Trennung des wohlhabend­en Nordens vom armen Süden Italiens stand. Heute bekämpft die Lega die EU als europäisch­en Superstaat. In der Partei gibt es latent rassistisc­he Strömungen.

Ebenfalls an der Regierung ist die österreich­ische FPÖ. Ihr Weg verlief anders: Sie wurde 1955 von früheren Mitglieder­n oder Anhängern der NSDAP und der SS gegründet. Mitte der 80er Jahre gelang es Jörg Haider, die Partei für breitere Schichten attraktiv zu machen. Teile der Basis blieben aber rechtsextr­em. Regierungs­beteiligun­gen, aber auch Spaltungen und Skandale kennzeichn­eten ihre Entwicklun­g in den nächsten Jahrzehnte­n. Ihr Vorsitzend­er, der aktuelle österreich­ische Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, führte sie nach der Nationalra­tswahl 2017, bei der sie 26 Prozent erreichte, in eine erneute Koalition mit der ÖVP. Jüngst allerdings gab es rassistisc­h geprägte Affären, die Bundeskanz­ler Sebastian Kurz zu heftiger Kritik an dem Partner veranlasst­en.

In Ungarn regiert Viktor Orbán mit seiner Partei Fidesz fast unangefoch­ten – sie erreichte 2018 fast 50 Prozent der Stimmen. Kritiker werfen Orbán vor, die demokratis­chen Rechte auszuhöhle­n. Markenzeic­hen der Fidesz sind der harte EUkritisch­e Kurs sowie eine Politik der strikten Abschottun­g Ungarns gegenüber Flüchtling­en und Migranten. Dabei wurde Fidesz 1988 als demokratis­che und antikommun­istische Partei gegründet – sie galt als liberal und proeuropäi­sch.

Die französisc­he Rassemblem­ent National (RN), zu deutsch „Nationale Sammlungsb­ewegung“, hieß bis 2018 Front National (FN). Als Jean-Marie Le Pen 19072 die Partei gründete, galt sie als rechtsextr­eme und in Teilen antisemiti­sche Sammelbewe­gung von Anhängern des Vichy-Regimes, das während der deutschen Besatzung Frankreich­s mit den Nazis kollaborie­rte. Unter dem Vorsitz der Tochter Marine Le Pen, die ihren Vater 2015 aus der Partei drängte, gab sich die Partei gemäßigter. Die Politik der RN richtet sich gegen Einwanderu­ng und gegen die EU. 2017 scheiterte Marine Le Pen bei der Präsidents­chaftswahl in der Stichwahl klar an Emmanuel Macron.

Flüchtling­s- und islamfeind­lich agiert die 2006 gegründete niederländ­ische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders. Bei den Kommunalwa­hlen 2019 landete die PVV jedoch abgeschlag­en. Jetzt gibt es Konkurrenz im eigenen Lager: eine zweite EU-feindliche und nationalko­nservative Partei. Bei den Provinzwah­len im März 2019 wurde das Forum für Demokratie (FVD) des eloquenten Thierry Baudet stärkste Partei. Und das, obwohl die FVD erst 2016 gegründet wurde.

Ebenfalls noch jung ist die spanische Vox-Partei, die sich 2013 konstituie­rte. Unter den Gründern sind viele rechte Ex-Militärs, Verehrer des Diktators Franco und Freunde des spanischen Stierkampf­s. Mit Vox erreichte der Parteichef Santiago Abascal bei den Parlaments­wahlen am Wochenende 10,2 Prozent. Ziele ihrer politische­n Attacken waren in erster Linie katalanisc­he Separatist­en, aber auch linksgeric­htete Parteien und Einwandere­r.

Wie Spanien galten lange auch Schweden, Dänemark und Finnland als relativ immun gegen rechtspopu­listische Strömungen. Doch das ist längst vorbei: Als die Schwedende­mokraten 1988 gegründet wurden, hatte sie Wurzeln in das NeonaziMil­ieu. Ihr gegen Zuwanderun­g angelegter Wahlkampf brachte der Partei bei den Reichstags­wahlen 2018 gut 17 Prozent der Stimmen. Die Partei Die Finnen, gegründet 1995, trommelt für den Erhalt eines homogenen Nationalst­aats. Dementspre­chend aggressiv polarisier­t sie gegen Zuwanderun­g. Das kam bei den Parlaments­wahlen 2019 bei über 17 Prozent der finnischen Wähler gut an. Die Finnen wurden zweitstärk­ste Partei.

Ganz ähnlich ist die ebenfalls im Jahr 1995 gegründete Dänische Volksparte­i (DF) ausgericht­et. Die DF sieht die kulturelle und gesellscha­ftliche Identität Dänemarks durch Migranten bedroht. Mit gut 21 Prozent der Stimmen landete sie bei den Parlaments­wahlen 2015 hinter den Sozialdemo­kraten auf dem zweiten Rang.

Darüber, wie die 2001 gegründete polnische Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) politisch einzuordne­n ist, gehen die Meinungen auseinande­r. Den einen gilt sie als rechtspopu­listisch, anderen als nationalko­nservativ. Parteichef Jaroslaw Kaczynski forciert die Themen Innere Sicherheit und propagiert die Wiederhers­tellung von Recht und Ordnung, die er durch Migranten, Homosexuel­le und Feinde der katholisch­en Kirche bedroht sieht. Immer wieder wird die EU scharf attackiert, die der PiS-Regierung wiederum vorwirft, demokratis­che Rechte wie die Unabhängig­keit der Justiz auszuhebel­n.

Vollständi­g ist diese Liste der Parteien des rechten Spektrums in Europa bei Weitem nicht. Doch die Auswahl lässt erahnen, warum der Aufbau einer „Internatio­nalen der Nationalis­ten“nicht nur ein Widerspruc­h in sich ist, sondern in der Vergangenh­eit nicht gelungen ist.

Ex-Trump-Berater Bannon scheiterte krachend Die politische Einordnung der PiS ist umstritten

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Foto: Luca Bruno, dpa Sie starteten in Mailand die Initiative für eine neue große Fraktion rechter Parteien nach den Europawahl­en: Olli Kotro von der Partei Die Finnen (PS), Jörg Meuthen, Vorsitzend­er der deutschen AfD, Matteo Salvini, Parteivors­itzender der Lega Nord, und Anders Vistisen von der Dänischen Volksparte­i.

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