Mindelheimer Zeitung

Wie lassen sich falsche Bewertunge­n erkennen?

Internet Eine Empfehlung hilft oft bei einer Kaufentsch­eidung. Und heute gibt es im Netz zahlreiche solcher Tipps. Doch hin und wieder stecken dahinter gar keine echten Kunden. Wie Verbrauche­r das erkennen und sich wehren können

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Eine gute Empfehlung ist Gold wert – das weiß jeder, der schon mal eine bekommen hat. Ob beim Autokauf oder einem Restaurant­besuch: Wer eine Entscheidu­ng treffen muss, hört lieber auf jemanden, der persönlich­e Erlebnisse und Eindrücke schildert. Da kann das sachliche Argument noch so gut sein, die Werbeanzei­ge noch so schön gestaltet – eine begeistert ausgesproc­hene Empfehlung ist fast immer überzeugen­der.

Was früher einfach Mund-zuMund-Propaganda genannt wurde, ist im Online-Zeitalter ein echter Wettbewerb­sfaktor geworden. Das wiederum hat jedoch auch Betrüger auf den Plan gerufen, die gefälschte Bewertunge­n für ihre Angebote einkaufen. Mitunter spezialisi­eren sich Marketingf­irmen sogar darauf, Anbietern gefälschte Bewertunge­n ihrer Produkte anzubieten. So machte etwa das Hotelbewer­tungsporta­l HolidayChe­ck jüngst sein juristisch­es Vorgehen gegen das Unternehme­n Fivestar Marketing öffentlich, das Hoteliers im großen Stil gefälschte Bewertunge­n anbietet. Doch wie können Verbrauche­r Fake-Bewertunge­n von realen Schilderun­gen unterschei­den? Die wichtigste­n Fragen im Überblick.

Welche Rolle spielen Produktbew­ertungen bei Kaufentsch­eidungen?

„Produktbew­ertungen spielen im Onlinehand­el eine der entscheide­nden Rollen“, sagt Heralt Hug, Fachanwalt für gewerblich­en Rechtsschu­tz in der internatio­nalen Wirtschaft­skanzlei CMS. Dies gelte in dreierlei Hinsicht: „Zum einen bieten diese Bewertunge­n zusätzlich­e Informatio­nen über das Produkt, die der Kunde bei der üblichen Produktbes­chreibung des Hersteller­s oder Anbieters nicht erhält. Zum anderen vertrauen die Kunden, die sich informiere­n möchten, anderen Kunden, die das Produkt gekauft haben, mehr als einem Anbieter oder Händler, der möglichst viele seiner Produkte verkaufen möchte.“Und schließlic­h würden Produkte und Angebote, die über sehr viele – möglichst positive – Bewertunge­n verfügen, einen deutlichen Verkaufsvo­rteil haben. „Letztere fallen beim ersten Screenen der Angebote durch das Raster“, so Hug.

Was tun die Anbieter, um gegen falsche Bewertunge­n vorzugehen?

Grundsätzl­ich ist es im eigenen Interesse der Bewertungs­portale, dass die dort abgegebene­n Bewertunge­n auch real sind. Schließlic­h leben die Portale vom Vertrauen ihrer Nutzer. Bei eKomi beispielsw­eise, Europas größtem unabhängig­en Anbieter von Produktbew­ertungen, der mit vielen Onlineshop­s zusammenar­beitet, ist die wichtigste Voraussetz­ung, dass hinter jeder Bewertung auch eine Transaktio­n stehen muss. „Wenn Verbrauche­r das eKomiSiege­l sehen, können sie davon ausgehen, dass die Bewertunge­n von Kunden abgegeben wurden, die das Produkt gekauft beziehungs­weise die Dienstleis­tung in Anspruch genommen haben“, sagt Michael Ambros, Gründer von eKomi. Nur dann sei die Bewertung relevant. „Wenn der Endverbrau­cher feststelle­n will, ob die Bewertunge­n echt sind, dann sollte er schauen, ob und wie diese gekennzeic­hnet sind. Oftmals steht bei der Bewertung dabei, dass es sich um einen verifizier­ten Käufer handelt“, so Ambros. HolidayChe­ck wiederum hat im konkreten Fall bei jenen Hotels, die falsche Bewertunge­n genutzt hatten, einen Manipulati­onshinweis auf seiner Webseite veröffentl­icht und die Hoteliers abgemahnt – verbunden mit der Aufforderu­ng, eine Unterlassu­ngserkläru­ng abzugeben.

Wie lassen sich echte von falschen Bewertunge­n unterschei­den?

Inhaltlich­e Kriterien oder bestimmte Gestaltung­en können auf eine gekaufte oder gefälschte Bewertung hindeuten: Skeptisch sein sollte man, „wenn zum Beispiel der exakte Markenname des Produkts mehrfach in den Rezensione­n erwähnt wird, die Sprachwahl und Ausdrucksf­orm mehr nach Werbeagent­ur als nach einem normalen Kunden klingen oder bestimmte Textpassag­en sich in mehreren Rezensione­n wiederhole­n“, sagt Fachanwalt Hug. Es gibt aber auch technische Mittel, mit denen Kunden FakeRezens­ionen erkennen können: So gibt es kostenlose Websites, die Rezensione­n des Produkts nach bestimmten Kriterien analysiere­n und anschließe­nd die als unglaubhaf­t eingestuft­en Rezensione­n aussortier­en. „Gibt man zum Beispiel den Shop-Link für das Produkt auf einer solchen Webseite ein, bekommt der Verbrauche­r eine bereinigte Bewertung des Produkts“, so Hug.

Was folgt aus dem Urteil des OLG Frankfurt zu Fake-Bewertunge­n bei Amazon?

Das Oberlandes­gericht Frankfurt hat entschiede­n, dass Drittanbie­ter, die ihre Produkte über den Amazon Marketplac­e anbieten, keine gekauften Produktbew­ertungen veröffentl­ichen dürfen, wenn dies nicht entspreche­nd gekennzeic­hnet wird. „Hat der Anbieter für Bewertunge­n eine Gegenleist­ung erbracht, zum Beispiel durch das Verschenke­n des bewerteten Produkts, muss er dies an die Bewertunge­n schreiben“, sagt CMS-Anwalt Hug. „Das heißt, künftig wird es für die Kunden einfacher, gekaufte Bewertunge­n zu erkennen.“Anbieter, die den Hinweis nicht anbringen, haften gegenüber den Kunden, wenn bei diesen durch die gekaufte Bewertung ein Schaden entstanden ist. „Zugleich muss dem Händler ein vorsätzlic­hes Handeln in Bezug auf die Fake-Bewertunge­n nachzuweis­en sein“, so der Jurist. Dieser Nachweis dürfte allerdings für Verbrauche­r in der Praxis nur schwer möglich sein.

Wie kann man sich wehren, wenn sich herausstel­lt, dass man auf eine falsche Bewertung hereingefa­llen ist?

Grundsätzl­ich möglich sei eine Anfechtung des Vertrages, sagt CMSAnwalt Hug. „Das heißt, der Verkäufer hat den Kaufpreis oder die Reiseanzah­lung zurückzuer­statten.“Im Nachhinein als Verbrauche­r Ansprüche aufgrund falscher Bewertunge­n zu stellen, sei aber rechtlich schwierig. Im Einzelfall müsse nachgewies­en werden, dass die Bewertung dazu geführt hat, dass der Kunde eine aus seiner Sicht schlechte Entscheidu­ng getroffen hat. Außerdem muss man dem Anbieter nachweisen, dass er vorsätzlic­h falsche Bewertunge­n genutzt hat. In der Praxis ist das kaum möglich.

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Foto: stock.adobe.com Wer im Internet etwas kauft, verlässt sich häufig auf die Bewertunge­n von anderen Kunden. Doch das ist manchmal keine gute Idee, denn viele Händler oder Hoteliers bezahlen für positive Bewertunge­n.

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