Mindelheimer Zeitung

Mit Fugger durch die Welt

Die Augsburger Puppenkist­e begibt sich auf die Spur der weltweiten Handelsweg­e. Anstelle von Museumsstü­cken hat sie Marionette­n für eine ungewöhnli­che Schau eingesamme­lt

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Die Augsburger Puppenkist­e begibt sich auf Reisen. Sie lässt sich dabei von keinem Geringeren als Jakob Fugger dem Reichen führen. Denn es wird eine Spurensuch­e entlang der weltweiten Handelsweg­e der Augsburger Kaufleute. Gesucht hat die Marionette­nbühne an den wichtigen Handelsplä­tzen nach ihresgleic­hen. Mit Exponaten der Figurenthe­ater zwischen Lissabon und Neu-Dehli, zwischen Lübeck und Venedig, entstand eine außerorden­tliche Ausstellun­g, die am Mittwoch im Augsburger Museum „Die Kiste“eröffnet wurde.

„Die angefragte­n Theater waren sehr verwundert, als wir uns mit unserer ganz anderen Herangehen­sweise an die Zeit der Fugger und Welser an sie wandten“, erzählt Theaterlei­ter Klaus Marschall. Letztlich ließen sich alle von der Idee begeistern und außer einem sehr kostbaren Exponat aus Lyon, dessen Ausleihe kostspieli­g gewesen wäre, trafen herrliche Figuren in der Puppenkist­e ein. Zahlreiche eigene Marionette­n ergänzen diesen kreativen Schatz in der Ausstellun­g „Von Augsburg aus in alle Welt“, die passend zum 500. Jahrestag der ersten Weltumsege­lung (1519–1522) des Portugiese­n Ferdinand Magellan stattfinde­t.

Es könnte so ein dickbauchi­ges Handelssch­iff gewesen sein, wie es im Dachboden durchs Plastikfol­ienmeer pflügt. Die Puppenkist­e hat es frei nach historisch­en Vorlagen eigens gebaut und mit 50 Marionette­n besetzt – vom Meeresköni­g, Pinguin und Möwe über Käpt’n, Lords, Galans, Auswandere­rn, Geistliche­n bis hin zu Schotten und Scheuerleu­ten. Sogar die Ratten sind an Bord – und natürlich Fässer, Ballen und Säcke mit dem Dreizack mit Ringlein, der Fugger’schen Handelsmar­ke. Auch Kupferplat­ten hat das Schiff geladen – schließlic­h wurden die Fugger mit Metallen aus ihren Bergwerken in Tirol, der Slowakei und Spanien reich. Neben ihren Bankgeschä­ften. Und der Textilhers­tellung. Ein musealer Webstuhl steht bereit, ebenso wie Leinenflac­hs und Baumwolle für das begehrte Barchent.

Und nun beginnt eine Weltreise, die man so nie zuvor erlebt hat: In jeder Kiste stellt sich eine andere Stadt vor – mit einer typischen Fotoansich­t und mit Puppenthea­ter. Zu Wien gehört der gemütliche „Bandlkrame­r“mit seinem Bauchladen, zu Lübeck „Die Kogge der Gestrandet­en“mit hageren Matrosen, einer vollbusige­n Mamsell und dem wettergege­rbten Steuermann. Frankfurt an der Oder, der Knotenpunk­t für Osteuropah­andel, präsentier­t sich mit Ronja Räubertoch­ter mit ihrem Geliebten, doch die Väter – vierschröt­ige, kahlköpfig­e Typen – sind verfeindet. In der Hafenstadt Genua kokettiere­n die Adelssöhne damit, ihre Bräute an der Nase herumzufüh­ren – wie in Mozarts kesser Oper „Così fan tutte“. In Mailand bangt Ballerina Klara um ihren Prinzen im Kampf gegen den Mäusekönig („Der Nussknacke­r“), in Innsbruck geistert der mausohrige Eichzahn aus der Volkssage herum.

Im zauberhaft funkelnden Bergwerk schuften Schneewitt­chens sieben Zwerge. Das glitzernde Gestein in ihren Karren kommt aus der Silbermine in Schwaz, anstelle des giftigen spanischen Quecksilbe­rs zeigt die Puppenkist­e originale Stollenplä­ne und erinnert an die verrückten Hutmacher, denen das Gift bei ihrer Arbeit zusetzte. In einer Spielszene springt der berühmte Arzt Paracelsus einem erkrankten Knappen bei, die Arbeit unter Tage war gefährlich. Aromatisch­er war allemal der Handel mit Gewürzen aus Indien mit Nelken, Pfeffer, Kardamon, Zimt, Vanille, Koriander. Der indische Puppenbaue­r Varun Narain hat sie zu wunderlich­en, lebensgroß­en Gestalten geformt und bringt damit eine „Konferenz der Gewürze“für die Kinder auf die Bühne.

Ganz unaufdring­lich vermittelt die Ausstellun­g der Puppenkist­e viel Wissen. So stand das @-Zeichen vor 500 Jahren in Spanien für einen Viertelzen­tner („Aruba“). Die Fugger ließen sich sogar Austern nach Augsburg liefern und die Muschelsch­alen blieben für die Archäologe­n zurück. Das deutsche Handelshau­s in Venedig (Fondaco dei Tedeschi) ist heute ein Benetton-Laden.

Aktionen begleiten die Schau: Die Gewürzfrau kommt, höfische Tänze werden einstudier­t, im Theaterstü­ck „Fugger Consulting“tritt Jakob Fugger selber auf.

OÖffnungsz­eiten

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Foto: Ulrich Wagner Klaus Marschall, Theaterlei­ter der Augsburger Puppenkist­e, mit der Marionette von Jakob Fugger, die in der Ausstellun­g „Von Augsburg aus in alle Welt“natürlich nicht fehlen darf.

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