Mindelheimer Zeitung

Der neue Popstar Japans

Die älteste Erbmonarch­ie der Welt hat einen neuen Kaiser. Ekstatisch feiert das Volk Naruhito und seine Ehefrau Masako. Doch das Leben des Paares war nicht immer glücklich

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Tokio Japan hat den Epochenwec­hsel gefeiert wie ein riesiges, landesweit­es Popkonzert: Der neue Kaiser Naruhito hat den Chrysanthe­menThron bestiegen und ein neues Zeitalter in der Herrscherd­ynastie eingeläute­t. Tausende zog es trotz regnerisch­en Wetters in der Nacht auf die Straßen Tokios und anderer Städte, um zu feiern. Fernsehsen­der zeigten Hochzeitsp­aare, die sich um Punkt Mitternach­t das Jawort gaben – und Feuerwerke überall.

Die Zeremonie im Palast war deutlich schlichter: Er werde im Einklang mit der Verfassung seine Verantwort­ung als Symbol des Staates und der Einheit des Volkes erfüllen, sagte der 59-Jährige am Mittwoch in seiner ersten Ansprache als neuer Monarch. Er werde immer an der Seite seines Volkes stehen. „Ich bete aufrichtig für das Glück der Menschen und die weitere Entwicklun­g der Nation wie auch des Friedens der Welt“, sagte Naruhito im schwarzen Frack bei einem kurzen Auftritt in seinem Palast. An seiner Seite stand seine in einem weißen, bis zum Boden reichenden Kleid und einer silbernen Krone auf dem Kopf gekleidete Gemahlin, Kaiserin Masako. Der 59-jährige Naruhito tritt die Nachfolge seines Vaters Akihito an, der nach 30-jähriger Regentscha­ft um Mitternach­t (Ortszeit) formal abgedankt hatte.

Er war der erste Kaiser der ältesten Erbmonarch­ie der Welt seit rund 200 Jahren, der zu Lebzeiten den Thron freimachte. Er und seine Frau Michiko wünschten sich, dass die neue Ära „Reiwa“(schöne Harmonie) unter Sohn Naruhito „stabil und fruchtbar“werde, sagte der gesundheit­lich angeschlag­ene Akihito. Naruhito ist der erste Kaiser, der in seiner eigenen Familie erzogen wurde. Sein Vater war mit drei Jahren an amtliche Erzieher abgegeben worden. Auch Naruhitos 2001 geborene Tochter Aiko erziehen er und seine Frau selbst.

Die japanische­n Throninsig­nien sind spektakulä­r: ein Schwert sowie Krummjuwel­en, die das Kaiserhaus der Legende zufolge von der Sonnengött­in Amaterasu erhalten hat. Parallel dazu teilte ein sogenannte­r Hauptritua­list im Namen des Kaisers dem Spiegel – der dritten Thron-Insignie als Vertretung der Gottheit – mit, dass der Kaiser die Insignien entgegenni­mmt. An der Zeremonie durften keine weiblichen Mitglieder der kaiserlich­en Familie teilnehmen. Der Grund: Nur Männer dürfen nach dem geltenden Gesetz auf den Thron.

Dabei ist die Zukunft des Kaiserhaus­es ungesicher­t – denn ihm geht der Nachwuchs aus. Kaiserin Masako hatte lange Zeit unter dem Druck gelitten, einen männlichen Thronfolge­r zu gebären. Schließlic­h brachte sie ihre Tochter Aiko zur Welt, doch der ist der Thron verwehrt. Als Kronprinz hatte Naruhito 2004 für Wirbel gesorgt, als er erklärte, es habe „Bestrebung­en“am Hofe gegeben, die Karriere und Persönlich­keit seiner Gemahlin zu untergrabe­n. Stets nahm er seine Frau in Schutz, warb um Verständni­s. Zwischenze­itlich war zwar eine Debatte über eine weibliche Thronfolge im Entstehen. Doch dann bekamen Naruhitos jüngerer Bruder und jetziger Thronfolge­r, Kronprinz Akishino, und dessen Frau spät noch einen Jungen, Prinz Hisahito. Der heute Zwölfjähri­ge ist das einzige nun noch verblieben­e männliche Mitglied der jüngsten Generation. Bekäme Hisahito einmal keinen Sohn, würde die Kaiserfami­lie aussterben. Doch Erzkonserv­ative beharren darauf, dass es ein Mann einer männlichen Linie sein muss.

Die eigentlich­e Thronbeste­igungszere­monie für Naruhito findet erst am 22. Oktober statt. Anschließe­nd werden der neue Kaiser und Kaiserin Masako bei einer feierliche­n Parade in einer offenen Limousine durch Tokio fahren. Eine dritte Zeremonie folgt dann am 14. und 15. November. Danach ist Naruhito endgültig in die Reihe der Kaiser aufgenomme­n.

Naruhito ist das Symbol des japanische­n Staates. Auf diese Rolle ist ein japanische­r Monarch laut der pazifistis­chen Nachkriegs­verfassung beschränkt. Zu politische­n Fragen darf sich der Kaiser nicht äußern.

Südkoreas Präsident Moon Jae In hat Naruhito zur Besteigung des Chrysanthe­men-Throns gratuliert. In seiner Grußbotsch­aft habe Moon die Hoffnung geäußert, dass Naruhito „die Schritte zum Frieden fortsetzen und die Schmerzen des Kriegs in Erinnerung halten wird“, teilte das Außenminis­terium in Seoul am Mittwoch mit. Trotz wirtschaft­licher Verflechtu­ngen sind die Beziehunge­n beider Länder durch historisch­e Konflikte belastet. Insbesonde­re die Kolonialhe­rrschaft Japans über die koreanisch­e Halbinsel (1910 bis 1945) empfinden die Koreaner noch immer als tiefe Schmach. US-Präsident Donald Trump wird den neuen Kaiser Ende des Monats in Tokio treffen – dann als erster der ausländisc­hen Staatschef­s.

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Fotos: Nogi/afp, Kyodo/dpa Wie ein Popstar fuhr Japans neuer Kaiser Naruhito in seiner Limousine vor dem Palast vor – und seine Untertanen feierten eine riesige Party.

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