Wann ist ein Mann ein Mann?
Sportjustiz Caster Semenya dominiert ihre Gegnerinnen. Ihren Kampf gegen Testosteron-Limits für Läuferinnen hat sie nun verloren. Die Begründung der Richter hilft der Olympiasiegerin nicht
Lausanne In den Stadien glänzt die Weltklasseläuferin Caster Semenya mit Seriensiegen und Medaillen, vor Gericht erlitt sie jetzt eine ganz bittere Niederlage. In einem wegweisenden Urteil lehnte der Internationale Sportgerichtshof im Streit um Testosteron-Grenzwerte für Frauen den Einspruch der 28 Jahre alten Südafrikanerin ab. Damit ist eine Regel des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF rechtens, mit der Testosteron-Limits für Mittelstreckenläuferinnen mit intersexuellen Anlagen festgesetzt werden.
Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Sportgerichtshofes CAS hervor. „Manchmal ist die beste Reaktion, gar nicht zu reagieren“, twitterte Semenya. Die 28 Jahre alte Südafrikanerin hat nun die Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen Einspruch beim Schweizer Bundesgericht einzulegen.
Seit 2009 steht die zweimalige Olympiasiegerin und dreimalige Weltmeisterin über 800 Meter im Mittelpunkt einer Debatte über Hyperandrogenismus, Intersexualität und vermeintliche Wettbewerbsvorteile. Läuferinnen, die künftig bei internationalen Wettkämpfen über Distanzen von 400 Metern bis zu einer Meile (1609 Meter) starten wollen, müssen ihren Testosteronwert „innerhalb einer durchgehenden Periode“von mindestens sechs Monaten auf unter fünf Nanomol pro Liter senken. Dies ist auch durch die Einnahme hormoneller Verhütungsmittel möglich. Einschränkungen könnte es auch für Hammerwerferinnen und Stabhochspringerinnen geben.
Die Testosteron-Regel des Leichtathletik-Weltverbandes wird nun am 8. Mai in Kraft treten. Der CAS wies in seiner Entscheidung aber bereits darauf hin, dass die praktische Umsetzung im Einzelfall juristische Probleme heraufbeschwören könnte. Das dreiköpfige CAS-Gericht in Lausanne lehnte dennoch die Einsprüche Semenyas und des südafrikanischen Leichtathletik-Verbandes ASA ab. Die IAAF-Regel sei zwar diskriminierend, aber die drei Richter befanden sie mehrheitlich „als notwendiges, vernünftiges und angemessenes Mittel“. Der Deutsche Olympische Sportbund sieht darin einen Hinweis darauf, wie schwierig die Entscheidung gewesen sei. „Da das aktuelle Urteil des CAS explizit nur für wenige Lauf-Disziplinen in der Leichtathletik gilt, sind für die Zukunft wohl weitere Verfahren zu erwarten“, teilte der DOSB mit. IAAF-Athletensprecher Thomas Röhler sieht die Entscheidung „aus zwei Perspektiven: Fair Play und Ethik schneiden sich in dem Fall sehr eng“, sagte der SpeerwurfOlympiasieger. „Die Entscheidung sichert die Integrität und Identität des Wettbewerbs der Frauen.“Die Regel müsse jetzt durchgesetzt und für die Zuschauer verständlich erklärt werden. Die CAS-Richter warnten ausdrücklich davor, dass es im konkreten Einzelfall zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Regel kommen könne. Der CAS empfahl der IAAF beispielsweise, die beiden Distanzen 1500 Meter und eine Meile aus der Regel wieder herauszunehmen, bis es weitere Erkenntnisse dazu gibt. Die 1500 Meter gehören jetzt auch zu Semenyas Wettkampfstrecken. Das CAS-Urteil könnte somit Auswirkungen auf das Startrecht von Frauen mit hohen Testosteronwerten für die WM vom 27. September bis 6. Oktober in Doha/Katar haben.
„Fair Play und Ethik schneiden sich in dem Fall sehr eng.“Thomas Röhler, IAAF-Athletensprecher und Speerwurf-Olympiasieger