Die Vergangenheit wird verscherbelt
Der Flohmarkt der Madame Claire Catherine Deneuve, die Grande Dame des französischen Kinos, in einer neuen Paraderolle. Was bleibt, wenn die Erinnerungen in der Demenz verblassen und der nahende Tod fordert, Ballast abzuwerfen?
Der ganze Hof steht voll alter Schränke, Kommoden, Betten, Essund Schreibtische, Familienporträts, Kisten mit Fotoalben und eine ganze Sammlung von alten Puppen, mechanischen Spielfiguren und Automaten. Claire Darling (Catherine Deneuve) will das alles loswerden. Die Demenz ergreift zunehmend Besitz von der alten Dame, die alleine in einem herrschaftlichen Haus am Rande des Dorfes lebt. Und was nützen all die Dinge, wenn man mit ihnen keine Erinnerungen mehr verknüpfen kann?
Zudem ist Claire davon überzeugt, dass sie innerhalb der nächsten 24 Stunden sterben wird, so wie sie es in der letzten Nacht geträumt hat. In einer der ersten Szenen wird die gut situierte Madame Claire gefragt, ob es ihr gut gehe. Woraufhin die Dame mit den schneeweißen Haaren erwidert: „Nein, aber nett, dass Sie fragen!“Madame Claire, dieser Eindruck drängt sich schnell auf, hat genug vom Leben. Und so verscherbelt sie den ganzen Hausrat und all ihre Antiquitäten von unschätzbarem Wert für einen Apfel und ein Ei.
Das spricht sich schnell herum und schon bald bevölkern die gierigen Schnäppchenjäger aus der ganzen Umgebung das Anwesen. Martine (Laure Calamy), die als Kind im Haus der Darlings ein und aus gegangen ist, kann nicht mit ansehen, wie Claire ihren gesamten Besitz verhökert und alarmiert deren Tochter Marie (Chiara Mastroianni), die aus Paris anreist. Mutter und Tochter hatten viele Jahre keinen Kontakt. Nicht ohne Kalkül ist es Claire gelungen, Marie mit ihrem Flohmarkt zurück ins elterliche Haus zu locken. Schließlich geht es ihr im Angesicht des Todes nicht nur darum materiellen, sondern auch seelischen Ballast abzuwerfen.
„Der Flohmarkt der Madame Claire“beginnt scheinbar als leichte Komödie über eine eigensinnige alte Dame umgeben von der sommerlichen Idylle der französischen Provinz. Aber Regisseurin Julie Bertuccelli taucht mit dem Flohmarkt der verblassenden Erinnerung immer tiefer in ein Familiendrama ein. Dabei werden die Antiquitäten im Hof zu Türen in die Vergangenheit, die in einer geschmeidigen Rückblendendramaturgie entschlüsselt wird. Damit passt sich der Film der dementen Wahrnehmung der Hauptfigur an, in der unzuverlässige Erinnerungen und Gegenwartswahrnehmungen ineinanderfließen.
Die Lebensbitterkeit, die sowohl Claire als auch Tochter Marie in ihrem Gesicht tragen, kündet von all den Verletzungen, all den auf dieser Familie lastenden Traumata. Es dauert eine Weile, bis wir erfahren, dass Claire vor vielen Jahren innerhalb kürzester Zeit ihren Sohn und ihren Mann verloren hat. Das Verhältnis zur Tochter, die sich mitschuldig fühlt am Tod des Bruders, war fortan zerrüttet. Die Zeitebenen fließen ineinander in diesem Film wie Wasserfarben auf weißem Papier; Regisseurin Bertuccelli zeigt hier einmal mehr, was sie kann.
Catherine Deneuve, die Grande Dame des französischen Kinos, verleiht der alten Dame, der ihr eigenes Leben zwischen den Fingern zu zerrinnen scheint, eine glaubwürdige Präsenz und Würde. Ohne falsches Mitleid spielt sie diese Frau, die in ihren hellen Momenten ebenso sarkastisch wie klarsichtig agiert und dann wieder von ihren eigenen Schuldgefühlen erdrückt zu werden droht. Dass im seelischen und familiären Selbstreinigungsprozess nicht alles aufgeht, ist eine Stärke des Films, der sich nicht in eine alles harmonisierende Läuterung versteigt, sondern sich zur unvollständigen Aussöhnung bekennt. Der Flohmarkt von Madame Claire
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