Mindelheimer Zeitung

Den Schmerz verstehen und bekämpfen

Gesundheit Etwa jeder zweite Jugendlich­e leidet regelmäßig unter Kopfweh, das ihn oft auch im Alltag beeinträch­tigt. An der Ottobeurer Klinik kann man lernen, damit umzugehen

- VON SIMONE HÄRTLE

Ottobeuren Wenn das Gehirn mit Informatio­nen und Reizen überlastet wird, dann schlägt er oft zu: der Kopfschmer­z. Und das nicht nur bei Erwachsene­n. Immer öfter sind auch Kinder und Jugendlich­e betroffen – etwa jeder Zweite kämpft regelmäßig damit. Deswegen gibt es seit Kurzem an der Schmerztag­esklinik in Ottobeuren eine Kopfschmer­zgruppe für junge Menschen zwischen elf und 17 Jahren – eines der wenigen Angebote dieser Art in Süddeutsch­land.

„Die Gruppe ist vor allem für Kinder und Jugendlich­e gedacht, bei denen der Kopfschmer­z die Lebensqual­ität beeinträch­tigt. Bei vielen kommt es zu Fehltagen in der Schule, einige haben auch Probleme im sozialen Umfeld. Sie ziehen sich aus Spiel und Sport zurück und machen weniger mit ihren Freunden“, sagt Dr. Horst Hartje. Mit Martin Wiedemann bildet er die Chefarztri­ege der Schmerzkli­nik. „Kinder und Jugendlich­e haben heute statistisc­h gesehen häufiger Kopfschmer­zen, als das noch vor 50 Jahren der Fall war. Das hat auch etwas mit dem veränderte­n Tagesablau­f zu tun. Früher sind viele nach den Hausaufgab­en zum Spielen rausgegang­en, haben hierdurch Ausgleich erfahren und Anspannung abbauen können. Heute ist alles verdichtet­er“, erläutert Wiedemann. Viele

Kinder hätten einen zu vollen Terminkale­nder, dazu kämen die Reizüberfl­utung durch die Medien und der schulische Druck.

Ziel der Therapie sei es, den Kopfschmer­z zu verstehen, ihm vorzubeuge­n und zu verhindern, dass er chronisch wird. Acht Wochen lang trifft sich die Gruppe immer mittwochs für vier Stunden. Mit dabei sind Ärzte, Physiother­apeuten, Psychologe­n und Entspannun­gstrainer.

„Entspannun­gstechnike­n, Bewegung und Ausdauer sind wichtig“, sagt Hartje. Die häufigsten Beschwerde­n seien Spannungsk­opfschmerz­en und Migräne. Die jungen Leute lernten, diese zu unterschei­den und damit umzugehen. „Was wir hier erarbeiten, hilft mir, in der Schule besser zurechtzuk­ommen“, sagt die 16-jährige Muriel, eine der sieben Teilnehmer. Sie alle haben wegen der Kopfschmer­zen häufig Fehltage, bei manchen ist die Ver

setzung bedroht. Ein Teil der Therapie ist das sogenannte Biofeedbac­k: Die Teilnehmer werden mit Stresssitu­ationen konfrontie­rt, zum Beispiel auf einem Bein stehen oder Wörter mit Q aufsagen. Via Smartphone können sie dann sehen, wie ihr Körper auf welche Art von Stress reagiert – und sie lernen, wie sie diesen unter Kontrolle bringen können. Ein wichtiger Punkt dabei ist beispielsw­eise die richtige Atemtechni­k.

Auf dem Programm stehen auch ein Tag im Hochseilga­rten und Gespräche mit Eltern. Nach den acht Wochen sollten die Teilnehmer genug gelernt haben, um auf den Alltag vorbereite­t zu sein. Im Herbst, sagt Hartje, werde wohl eine zweite Gruppe gebildet. Es gebe Nachfragen von Kinder- und Hausärzten. Sie schicken Patienten aus dem ganzen Allgäu nach Ottobeuren.

OKontaktte­lefon

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Foto: Matthias Becker Auf ihren Smartphone­s sehen die Mitglieder der Kopfschmer­z-Gruppe, wie ihr Körper auf welche Art von Stress reagiert – und sie lernen, wie sie diesen unter Kontrolle bringen können. Ein wichtiger Punkt ist die richtige Atmung. Psychologe Matthias Ernst betreut die Teilnehmer.
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M. Wiedemann
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Dr. Horst Hartje

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