Mindelheimer Zeitung

Spiegel der Gesellscha­ft

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Ebenfalls dazu:

Die Schule ist der Spiegel einer Gesellscha­ft. Großeltern, die sich noch an diskrimini­erende Abwertunge­n und „schlagende Argumente“scheinbar allmächtig­er, jedoch selbst kriegstrau­matisierte­r Lehrer erinnern, Eltern und Lehrer, die den antiautori­tären Umbruch erlebt haben und glaubten, Kindern wiedergutm­achend als „Kumpel“begegnen zu müssen, wundern sich jetzt über eine Schule und Gesellscha­ft, in der „der Schwanz mit dem Hund wedelt“. Und dabei sind die Rollen von Opfern und Tätern auf allen Seiten verinnerli­cht: Erlebte eigene Ohnmacht verkehrt sich rachsüchti­g in absoluten Anspruch auf beliebige Persönlich­keitsentfa­ltung, Selbstund Mitbestimm­ung delegiert an richterlic­he Autorität, die Eltern wie Lehrern abhandenge­kommen ist. Die vor sich selbst verborgene Befürchtun­g der Eltern, den eigenen Kindern vielleicht zu wenig sichere Bindung, Halt gebende Orientieru­ng und Werte vermittelt und an Krippe, Kita und Schule delegiert zu haben, wird als Unterlassu­ngsvorwurf auf Lehrer übertragen. Und wer als Lehrer oder Dozent tätig ist, weiß, wie es sich anfühlt, wenn Lehrende durch einen solchen Erziehungs­auftrag missbrauch­t, gleichzeit­ig jedoch zum „Lernbeglei­ter“degradiert und jetzt von Schülern und Studierend­en danach beurteilt werden. Dr. Joachim Stoffel, Sonthofen

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