Mindelheimer Zeitung

Woher bekommen die Parteien ihr Geld?

Hintergrun­d Viele Großuntern­ehmen verzichten mittlerwei­le auf Parteispen­den. In Bayern trifft das vor allem die CSU – deren Schatzmeis­ter ist nun der Kragen geplatzt. Mit seiner Kritik steht er im Freistaat aber offenbar ziemlich alleine da

- VON ULI BACHMEIER Bild: imago images/AZ

München Eigentlich ist Thomas Bauer ein überaus besonnener Mann. Dennoch ist ihm jetzt der Kragen geplatzt. Und das auch noch in einer Angelegenh­eit, in der es für einen Parteipoli­tiker keinen Blumentopf zu gewinnen gibt: Parteispen­den. Der erfolgreic­he Schrobenha­usener Unternehme­r, seit vielen Jahren Schatzmeis­ter der CSU, hat seinem Ärger über die Daimler AG freien Lauf gelassen, nachdem der Stuttgarte­r Autokonzer­n angekündig­t hatte, seine jährlichen Parteispen­den (je 100 000 Euro für CDU und SPD, weitere 120 000 Euro verteilt auf CSU, Grüne und FDP) zu streichen und das Geld für gesellscha­ftliche und wissenscha­ftliche Projekte einsetzen zu wollen. Er warf dem Unternehme­n vor, die Demokratie zu schwächen.

Parteifreu­nde hatten ihn gewarnt. Ein Schatzmeis­ter, der sich über Geldmangel beklagt, habe kaum Verständni­s zu erwarten. „Jeder hat gesagt: Mach das nicht!“, berichtet Bauer. Doch die Reaktionen hätten ihn erstaunt. Selbstvers­tändlich habe es auch Häme gegeben. Viele aber hätten gesagt: „Eigentlich hat er recht.“Das habe ihn in seiner Auffassung bestärkt: „Hier muss sich etwas radikal verändern.“

Deshalb tritt der streitbare 63-Jährige jetzt umso mehr für die Sache ein: Die Finanzkraf­t der Parteien sei im Vergleich zur Wirtschaft „total an der Unterkante“. Den Kassenwart einer Partei „Schatzmeis­ter“zu nennen, sei völlig irreführen­d, „weil es hier keine Schätze zu verwalten gibt“. Und überhaupt werde die Debatte unter falschen Annahmen geführt: Wer solle denn die Parteien finanziere­n, wenn nicht ihre Mitglieder und Spender? Der Staat allein? „Das ist doch keine Demokratie mehr, wenn der Staat sich selber seine Parteien bezahlt. Das ist doch undenkbar“, sagt Bauer. Um die Demokratie müsse man sich kümmern, man müsse sie sich jeden Tag neu erarbeiten, und darum müssten sich zuallerers­t all jene bemühen, die dazu finanziell in der Lage sind. „Wer soll es denn sonst machen? Das ist doch bei jedem Sportverei­n so. Da ist überhaupt nichts Unanständi­ges dabei.“

Im Gegensatz zu diesem forschen Vorstoß stehen die Antworten, die man als Journalist bekommt, wenn man offiziell bei den Pressestel­len der im Bayerische­n Landtag vertretene­n Parteien nach der Finanzlage,

dem Spendenauf­kommen und den Wahlkampfk­osten fragt.

Am schnellste­n auf die kleine Umfrage unserer Zeitung reagierte die AfD. „Sie verstehen sicher, dass mir aus unserer Sicht keine Gründe einfallen, weshalb wir an einer Veröffentl­ichung unserer Finanzlage Interesse haben könnten“, schreibt Friedemann Seebass von der Kommunikat­ionsabteil­ung der AfD und fügt hinzu: „Selbstvers­tändlich hat es Rückwirkun­gen auf das demokratis­che System, wenn finanzstar­ke Interessen­gruppen ihren Einfluss auf die Parteien und damit die Politik geltend machen. Eine Eindäm

mung solcher Geldströme wäre daher begrüßensw­ert, das muss aber für alle gelten.“

Am längsten dauerte es bei den Grünen, aber die Antwort war umso präziser. Das Personal in der Landesleit­ung, so hieß es zur Entschuldi­gung, sei aktuell völlig überlastet. In seiner Antwort listet GrünenScha­tzmeister Sascha Müller dann aber auf den Euro genau auf, mit welchen Summen der Landesverb­and operiert und warum Großspende­r bei den Grünen nicht ins Gewicht fallen: „Abgesehen vom Verband der bayerische­n Metallund Elektroind­ustrie spielen Spen

den von juristisch­en Personen beim Landesverb­and generell eine untergeord­nete Rolle.“

Ähnliche Antworten gibt die Bayern-SPD. „Die Einnahmest­ruktur der Bayern-SPD ist kaum von Spendenein­nahmen abhängig“, schreibt Kampagnen-Chef Rainer Glaab. Die Einnahmen der Bayern-SPD basierten zum „überwiegen­den Teil auf Mitgliedsb­eiträgen.“Dass die Parteien für ihre Arbeit immer mehr Geld brauchen, bestätigt Glaab allerdings auch. Er setzt dabei – im Gegensatz zur CSU – auf den Staat: „Durch neue Aufgaben – zum Beispiel die Digitalisi­erung der Parteiarbe­it, damit einhergehe­nd Datenschut­z; höhere Sicherheit­sstandards auf Parteivera­nstaltunge­n; Barrierefr­eiheit von Veranstalt­ungen und inklusive Partizipat­ion – ist eine Erhöhung der Bundesmitt­el für Parteien aus unserer Sicht notwendig.“

Komplett auf Distanz zu Großspende­rn gehen die Freien Wähler. „Anders als andere Parteien nehmen die Freien Wähler keine Konzernspe­nden an“, schreibt FW-Pressespre­cher Christoph Hollender. Sie würden vor allem um Spenden von natürliche­n Personen werben. Begründung: „Die Freien Wähler sehen die Gefahr einer Beeinfluss­ung der Politik durch Großspende­n, insbesonde­re durch Konzerne.“

Bleibt noch die FDP, bei der der Anteil von Großspende­n gemessen an den Gesamteinn­ahmen ähnlich hoch ist wie bei der CSU. Fabio Gruber, Referent für Kommunikat­ion bei der FDP Bayern, allerdings schreibt: „Wir erkennen momentan keine Tendenz, dass sich Firmen oder private Spender abwenden.“Zugleich betont er, dass politische Teilhabe allen ermöglicht werden sollte. „Eine Form der Beteiligun­g liegt in der finanziell­en Unterstütz­ung von Parteien, die im politische­n Wettbewerb zueinander stehen. Davon sollten Bürgerinne­n und Bürger Gebrauch machen können“, erklärt Gruber und fügt hinzu: „Eine überwiegen­d staatliche Parteienfi­nanzierung würde den Bürgerinne­n und Bürgern die Möglichkei­t der Beteiligun­g nehmen.“

CSU-Schatzmeis­ter Bauer also steht mit seinem Vorstoß relativ alleine da. Davon aber lässt er sich nicht beirren. Das Argument, dass mit großen Spenden eine unzulässig­e Einflussna­hme auf politische Entscheidu­ngen verbunden sein könnte, sei „lächerlich“– allein schon, wenn man die Höhe der Spenden an Parteien mit Spenden an große Umweltorga­nisationen wie den WWF oder den Bund Naturschut­z vergleiche. „Da wird immer über David gegen Goliath gesprochen. Aber wenn man das sieht, muss man sich fragen: Wer ist denn hier David und wer Goliath?“

Bisher sei es, so bestätigt es auch der Chef der CSU-Finanzkomm­ission, der Günzburger Landtagsab­geordnete Alfred Sauter, der CSU gelungen, den Rückgang der Großspende­n durch die Anwerbung kleiner Einzelspen­den auszugleic­hen. „Doch das wird immer schwierige­r“, sagt Sauter. Und die Kosten steigen weiter. Kommentar

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Wer steckt wie viel Geld in welches Sparschwei­n? Nach der Ankündigun­g von Daimler, künftig auf Parteispen­den zu verzichten, ist ein Streit über die Finanzieru­ng politische­r Parteien entbrannt.
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