Was kann und will sich die Kneippstadt leisten?
Haushalt Hitziger Auftakt der Etatberatungen in Bad Wörishofen. Bei der Gewerbesteuer scheint erstmals die Zehn-Millionen-Euro-Grenze in Reichweite zu sein. Der Steuersatz steht erneut im Fokus
Bad Wörishofen Hitziger Auftakt der Haushaltsberatungen in Bad Wörishofen: Gleich zu Beginn stand die Sitzung schon wieder auf der Kippe. Helmut Vater, stellvertretender Fraktionssprecher der SPD, stellte die Frage in den Raum, warum Bürgermeister Paul Gruschka (FW) dem Stadtrat einen Haushaltsentwurf vorlegt, den er nicht unterschrieben hat. „Stehen Sie hinter diesem Entwurf?“fragte Vater und schob gleich weitere Kritik nach, etwa zum Stellenplan, der noch nicht behandelt worden sei. Andernfalls könne nicht entschieden werden, die Beratung müsse abgesetzt werden.
Kämmerin Beate Ullrich entschuldigte die fehlende Unterschrift mit Berufung auf die Geschäftsleitung unter anderem mit Urlaub des Bürgermeisters, was Gruschka aber anders darstellte. Er sei nicht im Urlaub gewesen, sondern habe sich sehr gut überlegt, den Entwurf nicht zu unterschreiben. Als die Haushaltssitzung nach einer guten Dreiviertelstunde hitziger Diskussion dann doch beginnen konnte, wurde klar, was der Bürgermeister damit meinte.
Gruschka brachte wiederholt den Gewerbesteuersatz ins Gespräch, den er für zu niedrig hält. Deshalb rechnet Gruschka „wieder mit Ungemach“, deshalb hat er den Entwurf noch nicht unterschrieben. „Ich bin für einen Gewerbesteuerhebesatz von mindestens 310 Prozent“, sagt der Bürgermeister und sieht sich durch Landratsamt und Prüfungsverband bestätigt. Das ist der sogenannte Nivellierungssatz. Dieser findet im kommunalen Finanzausgleich Anwendung. „Mit höherem Hebesatz bleibt ein höherer Anteil bei der Stadt“, argumentiert Gruschka.
„Es bleibt mehr von weniger“, hielt ihm Zweiter Bürgermeister und CSU-Fraktionssprecher Stefan Welzel entgegen. Man müsse davon ausgehen, dass große Unternehmen ihre Zahlungen umleiten können“, sagte er. Dies ist auch die vorherrschende Meinung im Rat. Wirtschaftsreferent Alwin Götzfried (FW) berichtete, wenige Unternehmen trügen den größten Teil zum Gewerbesteueraufkommen bei. Diese großen Unternehmen „mit hoher Flexibilität sind sehr sensibel und wanderungswillig“, so Götzfried. Gruschka warf er vor, nicht mit den Unternehmern zu sprechen und deshalb „das Risiko nicht einschätzen“zu können, was Gruschka umgehend zurückwies. In seinen Gesprächen höre er, dass 310 Prozent Gewerbesteuerhebesatz machbar wären. Von 1054 Betrieben in Bad Wörishofen zahlten zudem 73 Prozent gar keine Gewerbesteuer, weil sie es nicht müssen.
Die Gewerbesteuer spült heuer wahrscheinlich mehr als die prognostizierten 9,1 Millionen Euro in die Stadtkasse. Alwin Götzfried nannte einen Wert von zehn Millionen Euro, der erreichbar sei, Kämmerin Ullrich sieht das ebenso. Dahinter stehen Einmalzahlungen, welche sich in Bad Wörishofen aber verstetigt hätten, wie Götzfried betonte. Das liege daran, dass sich Kämmerin Ullrich und auch er selbst um die Ansiedlung entsprechender Unternehmen kümmern würden. „Ich frage Sie, wie hoch ist da Ihr Anteil, Herr Bürgermeister“, warf er Gruschka vor.
Auch Finanzreferentin Michaela Bahle-Schmid (CSU) kritisierte, dass die günstigen Rahmenbedingungen der vergangenen Jahre samt dem vergleichsweise niedrigen Gewerbesteuerhebesatz „leider nicht in ausreichendem Maß und mit der entsprechenden Dynamik genutzt wurden, um die wirtschaftliche Lage Bad Wörishofens zu verbessern.“In den vergangenen vier Jahren „lebte man noch von der Weichenstellung der Verantwortlichen der alten Periode“, mittlerweile könne man nur noch mit Mühe einen ausgeglichenen Haushalt erstellen. Das gebe Anlass zur Sorge.
Vorgelegt wurde bereits der zweite Etatentwurf, der erste galt im Rathaus als nicht genehmigungsfähig. Mit weiteren Einsparungen gelang der Ausgleich, nach Lage der Dinge sind dazu aber auch zwei Millionen Euro Kredite und Geld aus den Rücklagen nötig.
Die Grünen machten bereits klar, dass sie auch der neuen Variante nicht zustimmen werden. Das sagte Fraktionssprecherin Doris Hofer. Der Haushalt bereite der Fraktion „große Sorgen“, weil der Etat „unglaublich knapp auf Kante genäht ist.“Es bleibe „praktisch kein Überschuss“, so Hofer. „Hinzu kommt – und das kann man auch wunderbar an dem Beispiel Kindergartenneubau erkennen – dass wir fast schon regelmäßig bei finanziell hochbrisanten Entscheidungen die Pistole auf die Brust gesetzt bekommen, indem man uns alles auf den letzten Drücker vorlegt und wir dann schnell entscheiden müssen, um noch größeren finanziellen Schaden abzuwehren.“Hofer nannte dies „verantwortungslos, so geht man nicht mit dem Geld der Steuerzahler um.“
Da kommt heuer einiges herein. Neben den wohl zehn Millionen Euro an Gewerbesteuer stehen auch 7,9 Millionen Euro aus der Einkommenssteuer auf der Habenseite, ebenfalls ein Bestwert. Beim Fremdenverkehrsbeitrag rechne man aufgrund von Nachzahlungen ebenfalls mit einem Rekordwert von 2,2 Millionen Euro, so Gruschka. „Es ist daher geradezu abwegig, bei der Stadt Bad Wörishofen von Türkheimer Verhältnissen aufgrund eines krankheitsbedingten Rückstandes bei der Sachbearbeitung zu sprechen“, kritisierte der Bürgermeister in Anspielung auf den Engpass bei der Bearbeitung von Bescheiden. Dass Alwin Götzfried einen „personalbedingten Steuerskandal und seit Monaten einen Spendenskandal“anprangerte, brachte Gruschka in Rage. „Wir haben weder einen Steuer- noch einen Spendenskandal“, sagte er. „Was Sie hier tun, grenzt an Verleumdung“, beschied er Götzfried.
Bad Wörishofen nimmt heuer also viele Millionen Euro ein, doch das Geld geht auch schnell wieder raus. „Die Personalkosten laufen uns davon“, kritisierte Finanzreferentin Bahle-Schmid. Sie betragen heuer 10,5 Millionen Euro. Damit liegen sie noch vor der Kreisumlage mit 8,7 Millionen Euro und auch vor den 9 Millionen Euro für Investitionen. FW-Fraktionssprecher Wolfgang Hützler sagt allerdings, die Personalkosten seien noch „im verträglichen Rahmen“und zudem „im Wesentlichen auf die Einstellung zusätzlichen Personals im Kindergartenbereich und auf die Tariferhöhungen zurückzuführen.“Hützler sagte auch, im Vergleich mit anderen Kurorten stehe Bad Wörishofen „anscheinend nicht so schlecht da, wie noch vor ein paar Jahren“.
Am Jahresende steht voraussichtlich eine Schuldenlast von 16,6 Millionen Euro, eine Steigerung von 6,6 Prozent. Das entspricht einer ProKopf-Verschuldung von 1043 Euro. Hützler wiederum berichtete, dass etwa Oberstdorf im Jahr 2017 sogar 3369 Euro Schulden pro Einwohner hatte, Bad Griesbach 3273, Bad Füssing 2968 oder Füssen 2820 Euro.
Wert legt Hützler auch auf die Bedeutung von Kur und Tourismus als „wahrscheinlich größtem Wirtschaftszweig“Bad Wörishofens. Dass es heuer gelungen sei, das Defizit des Kurbetriebes auf 1,7 Millionen Euro zu senken, sei gut. Angesichts der Bedeutung für Bad Wörishofen sei diese Summe „eine Marginalie“im Vergleich zu allen anderen Ausgaben.
Zum eigentlich geplanten Beschluss des Haushaltes kam es in der Sitzung nicht. Dazu ist eine weitere Sitzung erforderlich. Weitere Berichte zur Etatsitzung folgen.