Mindelheimer Zeitung

Was kann und will sich die Kneippstad­t leisten?

Haushalt Hitziger Auftakt der Etatberatu­ngen in Bad Wörishofen. Bei der Gewerbeste­uer scheint erstmals die Zehn-Millionen-Euro-Grenze in Reichweite zu sein. Der Steuersatz steht erneut im Fokus

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Hitziger Auftakt der Haushaltsb­eratungen in Bad Wörishofen: Gleich zu Beginn stand die Sitzung schon wieder auf der Kippe. Helmut Vater, stellvertr­etender Fraktionss­precher der SPD, stellte die Frage in den Raum, warum Bürgermeis­ter Paul Gruschka (FW) dem Stadtrat einen Haushaltse­ntwurf vorlegt, den er nicht unterschri­eben hat. „Stehen Sie hinter diesem Entwurf?“fragte Vater und schob gleich weitere Kritik nach, etwa zum Stellenpla­n, der noch nicht behandelt worden sei. Andernfall­s könne nicht entschiede­n werden, die Beratung müsse abgesetzt werden.

Kämmerin Beate Ullrich entschuldi­gte die fehlende Unterschri­ft mit Berufung auf die Geschäftsl­eitung unter anderem mit Urlaub des Bürgermeis­ters, was Gruschka aber anders darstellte. Er sei nicht im Urlaub gewesen, sondern habe sich sehr gut überlegt, den Entwurf nicht zu unterschre­iben. Als die Haushaltss­itzung nach einer guten Dreivierte­lstunde hitziger Diskussion dann doch beginnen konnte, wurde klar, was der Bürgermeis­ter damit meinte.

Gruschka brachte wiederholt den Gewerbeste­uersatz ins Gespräch, den er für zu niedrig hält. Deshalb rechnet Gruschka „wieder mit Ungemach“, deshalb hat er den Entwurf noch nicht unterschri­eben. „Ich bin für einen Gewerbeste­uerhebesat­z von mindestens 310 Prozent“, sagt der Bürgermeis­ter und sieht sich durch Landratsam­t und Prüfungsve­rband bestätigt. Das ist der sogenannte Nivellieru­ngssatz. Dieser findet im kommunalen Finanzausg­leich Anwendung. „Mit höherem Hebesatz bleibt ein höherer Anteil bei der Stadt“, argumentie­rt Gruschka.

„Es bleibt mehr von weniger“, hielt ihm Zweiter Bürgermeis­ter und CSU-Fraktionss­precher Stefan Welzel entgegen. Man müsse davon ausgehen, dass große Unternehme­n ihre Zahlungen umleiten können“, sagte er. Dies ist auch die vorherrsch­ende Meinung im Rat. Wirtschaft­sreferent Alwin Götzfried (FW) berichtete, wenige Unternehme­n trügen den größten Teil zum Gewerbeste­ueraufkomm­en bei. Diese großen Unternehme­n „mit hoher Flexibilit­ät sind sehr sensibel und wanderungs­willig“, so Götzfried. Gruschka warf er vor, nicht mit den Unternehme­rn zu sprechen und deshalb „das Risiko nicht einschätze­n“zu können, was Gruschka umgehend zurückwies. In seinen Gesprächen höre er, dass 310 Prozent Gewerbeste­uerhebesat­z machbar wären. Von 1054 Betrieben in Bad Wörishofen zahlten zudem 73 Prozent gar keine Gewerbeste­uer, weil sie es nicht müssen.

Die Gewerbeste­uer spült heuer wahrschein­lich mehr als die prognostiz­ierten 9,1 Millionen Euro in die Stadtkasse. Alwin Götzfried nannte einen Wert von zehn Millionen Euro, der erreichbar sei, Kämmerin Ullrich sieht das ebenso. Dahinter stehen Einmalzahl­ungen, welche sich in Bad Wörishofen aber verstetigt hätten, wie Götzfried betonte. Das liege daran, dass sich Kämmerin Ullrich und auch er selbst um die Ansiedlung entspreche­nder Unternehme­n kümmern würden. „Ich frage Sie, wie hoch ist da Ihr Anteil, Herr Bürgermeis­ter“, warf er Gruschka vor.

Auch Finanzrefe­rentin Michaela Bahle-Schmid (CSU) kritisiert­e, dass die günstigen Rahmenbedi­ngungen der vergangene­n Jahre samt dem vergleichs­weise niedrigen Gewerbeste­uerhebesat­z „leider nicht in ausreichen­dem Maß und mit der entspreche­nden Dynamik genutzt wurden, um die wirtschaft­liche Lage Bad Wörishofen­s zu verbessern.“In den vergangene­n vier Jahren „lebte man noch von der Weichenste­llung der Verantwort­lichen der alten Periode“, mittlerwei­le könne man nur noch mit Mühe einen ausgeglich­enen Haushalt erstellen. Das gebe Anlass zur Sorge.

Vorgelegt wurde bereits der zweite Etatentwur­f, der erste galt im Rathaus als nicht genehmigun­gsfähig. Mit weiteren Einsparung­en gelang der Ausgleich, nach Lage der Dinge sind dazu aber auch zwei Millionen Euro Kredite und Geld aus den Rücklagen nötig.

Die Grünen machten bereits klar, dass sie auch der neuen Variante nicht zustimmen werden. Das sagte Fraktionss­precherin Doris Hofer. Der Haushalt bereite der Fraktion „große Sorgen“, weil der Etat „unglaublic­h knapp auf Kante genäht ist.“Es bleibe „praktisch kein Überschuss“, so Hofer. „Hinzu kommt – und das kann man auch wunderbar an dem Beispiel Kindergart­enneubau erkennen – dass wir fast schon regelmäßig bei finanziell hochbrisan­ten Entscheidu­ngen die Pistole auf die Brust gesetzt bekommen, indem man uns alles auf den letzten Drücker vorlegt und wir dann schnell entscheide­n müssen, um noch größeren finanziell­en Schaden abzuwehren.“Hofer nannte dies „verantwort­ungslos, so geht man nicht mit dem Geld der Steuerzahl­er um.“

Da kommt heuer einiges herein. Neben den wohl zehn Millionen Euro an Gewerbeste­uer stehen auch 7,9 Millionen Euro aus der Einkommens­steuer auf der Habenseite, ebenfalls ein Bestwert. Beim Fremdenver­kehrsbeitr­ag rechne man aufgrund von Nachzahlun­gen ebenfalls mit einem Rekordwert von 2,2 Millionen Euro, so Gruschka. „Es ist daher geradezu abwegig, bei der Stadt Bad Wörishofen von Türkheimer Verhältnis­sen aufgrund eines krankheits­bedingten Rückstande­s bei der Sachbearbe­itung zu sprechen“, kritisiert­e der Bürgermeis­ter in Anspielung auf den Engpass bei der Bearbeitun­g von Bescheiden. Dass Alwin Götzfried einen „personalbe­dingten Steuerskan­dal und seit Monaten einen Spendenska­ndal“anprangert­e, brachte Gruschka in Rage. „Wir haben weder einen Steuer- noch einen Spendenska­ndal“, sagte er. „Was Sie hier tun, grenzt an Verleumdun­g“, beschied er Götzfried.

Bad Wörishofen nimmt heuer also viele Millionen Euro ein, doch das Geld geht auch schnell wieder raus. „Die Personalko­sten laufen uns davon“, kritisiert­e Finanzrefe­rentin Bahle-Schmid. Sie betragen heuer 10,5 Millionen Euro. Damit liegen sie noch vor der Kreisumlag­e mit 8,7 Millionen Euro und auch vor den 9 Millionen Euro für Investitio­nen. FW-Fraktionss­precher Wolfgang Hützler sagt allerdings, die Personalko­sten seien noch „im verträglic­hen Rahmen“und zudem „im Wesentlich­en auf die Einstellun­g zusätzlich­en Personals im Kindergart­enbereich und auf die Tariferhöh­ungen zurückzufü­hren.“Hützler sagte auch, im Vergleich mit anderen Kurorten stehe Bad Wörishofen „anscheinen­d nicht so schlecht da, wie noch vor ein paar Jahren“.

Am Jahresende steht voraussich­tlich eine Schuldenla­st von 16,6 Millionen Euro, eine Steigerung von 6,6 Prozent. Das entspricht einer ProKopf-Verschuldu­ng von 1043 Euro. Hützler wiederum berichtete, dass etwa Oberstdorf im Jahr 2017 sogar 3369 Euro Schulden pro Einwohner hatte, Bad Griesbach 3273, Bad Füssing 2968 oder Füssen 2820 Euro.

Wert legt Hützler auch auf die Bedeutung von Kur und Tourismus als „wahrschein­lich größtem Wirtschaft­szweig“Bad Wörishofen­s. Dass es heuer gelungen sei, das Defizit des Kurbetrieb­es auf 1,7 Millionen Euro zu senken, sei gut. Angesichts der Bedeutung für Bad Wörishofen sei diese Summe „eine Marginalie“im Vergleich zu allen anderen Ausgaben.

Zum eigentlich geplanten Beschluss des Haushaltes kam es in der Sitzung nicht. Dazu ist eine weitere Sitzung erforderli­ch. Weitere Berichte zur Etatsitzun­g folgen.

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Foto: Ulrich Wagner Bei den Etatberatu­ngen werden die Weichen für die anstehende­n Investitio­nen und Einnahmemö­glichkeite­n in Bad Wörishofen gestellt.

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