Die Meister des königlichen Spiels
Schach Die Denksportler des TSV Mindelheim haben in diesem Jahr den Aufstieg in die höchste Liga Schwabens geschafft. Was sie für den Erfolg alles tun, verrät ein Trainingsbesuch
Mindelheim Damit hatten selbst die Optimisten im Verein nicht gerechnet: Nach mehr als zwei Jahrzehnten und sieben spannenden Wettkampfrunden stieg die Schachmannschaft des TSV Mindelheim in die Schwabenliga I. auf, immerhin die höchste schwäbische Spielklasse. „Das war für uns eine faustdicke Überraschung“, freute sich Robert Frei, der Nummer-eins-Spieler der ersten Mannschaft.
„In den letzten Jahren waren wir immer wieder drauf und dran Meister zu werden, aber Fortuna war uns trotz harten Trainings nicht hold“, bedauerte er und bemerkte dann voller Stolz: „Endlich traf uns das Glück der Tüchtigen.“
Während in der Dachstube des TSV-Vereinsheimes die Mitglieder so richtig am Zug sind und über den Schachbrettern ihre Köpfe rauchen, gibt einer der Spieler auf, weil seine Dame nicht mehr zu retten ist. Eigentlich ist „Aufgeben“für die 25 Mitglieder der Mindelheimer Schachabteilung ein Fremdwort. Jeden Freitag trainieren sie fleißig und träumen dabei von weiteren Erfolgen. Was den Verantwortlichen im Verein mehr Sorgen macht, ist die dünne Personaldecke. Neue Spielpartner, Männer, Frauen, Kinder und junge Leute werden händeringend gesucht. Und was sich die Schachspieler noch wünschen: „Ein öffentlich zugängliches Freischach auf dem Marienplatz. Das Schachspiel braucht Zuschauer“, sagt Willi Hartmann.
Die Regeln des königlichen Spiels lernen in Mindelheim auch einige Jugendliche von den alten, ausgefuchsten Hasen. Sie haben sich bisher wacker geschlagen und sind nach einem Anlauf von vier Jahren in die mittelschwäbische A-Klasse aufgestiegen. Längst ist ihnen klar, dass nur ständiges Training zum Erfolg führt. Dessen ist sich nicht nur der 12-jährige Noah Ginter sondern auch Wolfgang Schumertl, der älteste Spielpartner, bewusst. Seit 60 Jahren brütet der 73-Jährige über Schachbrettern. Mit dem Schachfieber wurde Schumertl schon mit acht Jahren von seinem Vater angesteckt. Es hat ihn bis heute nicht mehr losgelassen. So kann der Senior auch viele Erfolge vorweisen. Anno 1972 wurde er in Bad Neustadt Stadtmeister und von 1977 bis 1995 stieg er mit sogenannten Fahrstuhlmannschaften in Kaufbeuren auf und ab. Seit 1995 profitieren die Mindelheimer Schachfreunde von seiner Erfahrung. Ans Aufhören denkt Schumertl noch lange nicht, „schließlich will ich auch im Alter geistig fit und am Ball bleiben“, sagt er.
Wie man auf dem Schachbrett mit Speck Mäuse fängt, sprich seinem Kontrahenten einen Turm opfert, zeigt Franz Sirch gerne Sebastian Lugauer, dem jüngsten Spieler in der Runde. Sirch gilt als sehr erfahrener Schachpartner, spielt seit 40 Jahren für den TSV Mindelheim und kann große Erfolge vorweisen. Sein Name hatte in der Zweiten Bundesliga einen guten Klang und im Jahr 2000 gewann er die deutsche Militärmeisterschaft in Aurich.
Gerne bringt Sirch seinen „Schülern“bei den Übungsabenden bei, wie man ein Konzept entwickelt und Überlegungen zur Entwicklung bestimmter Züge anstellt. Aber auch wie man eine Figur fesseln kann und damit die Möglichkeiten des Kontrahenten einschränkt. Dabei wird dem Nachwuchs klar, dass die Bauern als Seelen des Spiels das Schicksal einer Partie entscheiden können.
Eigenschaften, wie logisches Denken, Einhalten von Regeln, Urteilsvermögen und Entscheidungsfreude sind angesagt. Wer sich darin übt, für den wird Schach zum friedlichen Strategiespiel. Und wer dafür ins Feld ziehen will, dem sei gesagt, Schach ist alles andere als ein Glücksspiel, sondern wie es Goethe einmal formulierte: der Probierstein des Gehirns und des Charakters.