Mindelheimer Zeitung

Auch in Schwaben fehlen Ärzte

Gesundheit Die medizinisc­he Versorgung ist bundesweit sehr unterschie­dlich. In Bayern wird es vielerorts schwierige­r, Hausarztst­ellen nachzubese­tzen. Was erfahrene Ärzte fordern

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Im Freistaat fehlen Ärzte. Nicht nur Hausärzte, sondern je nach Region auch Fachärzte. Das sagt Jakob Berger. Der 68-Jährige ist Vorstandsb­eauftragte­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern (KVB) und schwäbisch­er Bezirksvor­sitzender des Hausärztev­erbands. Bundesweit ist die Zahl der Praxisärzt­e zwar gestiegen, teilt die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung mit. Doch immer mehr Ärzte wollten nur noch in Teilzeit arbeiten oder keine eigene Praxis mehr haben, sondern angestellt sein. Auch die Verteilung von Ärzten sei je nach Region sehr unterschie­dlich. Gegenwärti­g verfügt nach Berechnung­en der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Freiburg im Breisgau mit 395 Ärzten und Psychother­apeuten je 100000 Einwohnern über das dichteste Netz an Ärzten in Deutschlan­d. Zu den Schlusslic­htern gehört mit 84 Ärzten der Kreis Coburg. Im Schnitt gibt es in Bayern 217 Mediziner je 100000 Einwohner, die für die Versorgung gesetzlich versichert­er Kassenpati­enten zugelassen­en waren. Sie sind im Schnitt gut 54 Jahre alt. Das bundesweit dichteste Netz an Hausärzten gibt es danach in Kaufbeuren. In Augsburg werde es dagegen schwierige­r, Hausarztst­ellen zu besetzen, sagt Berger. Auch in Teilen Nordschwab­ens, an der Grenze zu Mittelfran­ken, gebe es Engpässe sowie in Teilen Mittelschw­abens, „vor allem in Burgau und Günzburg“. Für den erfahrenen Hausarzt, der in Herbertsho­fen im Landkreis Augsburg praktizier­t, steht fest: „Wir müssen mehr Ärzte ausbilden.“Dies sei nicht nur nötig, weil es immer mehr ältere Patienten gibt, die einen höheren Betreuungs­bedarf haben. „Viele junge Mediziner sind auch nicht mehr bereit, rund um die Uhr zu arbeiten. Und das ist verständli­ch.“So sind nach Angaben von Berger etwa 70 Prozent der Medizinstu­dierenden weiblich – viele von ihnen möchten Familie. Dies führe dazu, dass heute im Schnitt drei Ärzte nötig sind, um eine Praxis zu betreiben. Doch immer weniger der jungen Ärzte gehen nach Einschätzu­ng von Berger in die kurative Medizin, viele ziehe es in die Forschung oder in andere Berufsfeld­er. Daher muss seiner Ansicht nach alles dafür getan werden, die vielseitig­e Hausarzttä­tigkeit bekannter und lukrativer zu machen. So hat er sich dafür eingesetzt, dass an der Uniklinik Augsburg schon in diesem Jahr ein Lehrstuhl für Allgemeinm­edizin startet. Auch plädiert er dafür, die Auswahlkri­terien zu ändern und stärker auf die Eignung als auf die Noten junger Menschen zu achten. Dies betont auch Peter Bauer, der die Fähigkeit zu Empathie und sozialer Kommunikat­ion bei der Auswahl der Studenten für unerlässli­ch hält. Bauer ist Patienten- und Pflegebeau­ftragter der Bayerische­n Staatsregi­erung. Der Arzt ist überzeugt davon, „dass es für einen Patienten noch wichtiger ist, einen guten Arzt zu haben – auch wenn er vielleicht nicht direkt vor Ort erreichbar ist – als einen Arzt in unmittelba­rer Umgebung, dessen Behandlung­squalität nicht angemessen ist“. In manchen Regionen mangelt es aber nach Meinung von Ärztefunkt­ionär Berger auch an Spezialist­en: etwa an Kinderärzt­en, HalsNasen-Ohren-Ärzten, Augenärzte­n oder Urologen. Das Problem: Viele Patienten blockierte­n bei den Fachärzten Termine, erklärt Berger, weil sie ohne Rücksprach­e mit einem Hausarzt einfach zu einem von ihnen gewählten Experten marschiert­en, obwohl er für ihr Problem oft nicht der Richtige sei. Daher fordert Berger ein Bonussyste­m für Patienten, die einen Hausarztve­rtrag haben, dort bei Beschwerde­n erst einmal Rücksprach­e halten und sich zum Facharzt überweisen lassen. Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) verweist auf „bewährte Instrument­e“ihres Hauses wie die Niederlass­ungsförder­ung, Stipendien und die Förderung innovative­r medizinisc­her Versorgung­skonzepte, womit mehr Ärzte gerade auch in ländlichen Regionen gewonnen werden könnten.

„Viele junge Mediziner sind nicht mehr bereit, rund um die Uhr zu arbeiten“Jakob Berger, Bezirksvor­sitzender des Hausärztev­erbandes

Newspapers in German

Newspapers from Germany