Kevin Kühnert geht dem falschen Konzern an den Kragen
Leitartikel Wenn der Juso-Chef die Macht großer Unternehmen brechen will, sollte er sich nicht auf BMW kaprizieren, sondern andere Riesen attackieren
Das Leben ist vielen zu kompliziert geworden, um noch zu differenzieren. Menschen wie Kevin Kühnert scheinen nicht gewillt zu sein, lange im Fluss der Erkenntnis zu baden, um am Ende etwa klüger hinauszusteigen. Eine solch anstrengende Prozedur wirkt in Zeiten seichter Dauer-Googelei und manischer Smartphone-Zapperei vielen zu antiquiert, ja fast reaktionär. Und ein Juso-Chef wie Kühnert, das muss man verstehen, will alles sein, nur nicht reaktionär. Dabei täte dem 29-jährigen Schnell-Urteiler und Kurz-Nachdenker zumindest die konservative Tugend der Gewissenhaftigkeit gut. Denn dann hätte er sich wohl kaum hinreißen lassen, ausgerechnet BMW als Beispiel eines Konzerns zu nennen, dessen Macht gebrochen werden müsse – und das vielleicht durch Verstaatlichung.
Um dies zu erkennen, hätte Kühnert nur mal konzentrierter googeln müssen, um sich vor sich selbst in Schutz zu nehmen. Denn BMW ist ein Beispiel dafür, was der kleine Mann, der einem Jungsozialisten heilig sein sollte, erreichen kann, wenn er sich mit Genossen verbündet. Schließlich stand BMW in den 50er Jahren am Abgrund. So heckten Männer der Deutschen Bank einen perfiden Plan aus und wollten eine Übernahme durch Daimler einfädeln. Auch beim Stuttgarter Unternehmen spielten die Banker eine wichtige Rolle. Nun aber wehrten sich Kleinaktionäre und Vertreter der Belegschaft derart tapfer und ausdauernd gegen den finsteren, großkapitalistischen Angriff, dass die Männer der Deutschen Bank scheiterten. Am Ende trat mit Herbert Quandt ein guter und weitsichtiger Kapitalist in Aktion und rettete BMW. Auch der Staat half. Quandts Nachkommen sind bis heute Großaktionäre des Unternehmens und haben im Sinne der Beschäftigten und Aktionäre viel geleistet. Auch ein Jung-Populist wie Kühnert kann sich durch Bildung also vor Blödsinn bewahren. Wenn dann der Juso-Chef doch hartnäckiger googeln würde und sich die 30 größten deutschen Aktiengesellschaften vornähme, könnte er auf wirkliche, gefährliche Entwicklungen stoßen. Etwa, dass der dort im Dax gelistete Konzern mit dem sinnfreien Kunstnamen Vonovia über rund 400 000 Wohnungen verfügt, in denen etwa eine Million Menschen leben. Aus Sicht unserer Sozialen Marktwirtschaft kann eine solche Macht-Ballung im Bereich eines menschlichen Grundbedürfnisses – nämlich des Wohnens – nicht gut sein. Sollte Kühnert als wackerer Juso nun fordern, Vonovia zu verstaatlichen? Vor solch einem Ruckzuck-Urteil könnte ihm wiederum Recherche bewahren. Denn Vorläufer des Immobilien-Konzerns verdanken ihren Aufstieg auch der Tatsache, dass der Staat und Firmen einst Wohnungen im großen Stil an das Unternehmen verkauft haben – aus heutiger Sicht ein sozialpolitischer Sündenfall. Privatisierungen in solch sensiblen Gefilden sind oft die Wurzel allen Übels. Kühnert müsste also den Staat attackieren und damit auch Sozialdemokraten. Wenn der Juso doch noch ein taugliches Objekt für seinen Weckruf nach Verstaatlichung oder, noch besser, Zerschlagung sucht, kommt er am US-Geldvermehrer Blackrock nicht vorbei. Das New Yorker Monster verwaltet direkt über sechs Billionen Dollar und ist an vielen Dax-Konzernen – auch an Vonovia – beteiligt. Nach den USA und China gilt der Riese als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Dessen Manager treiben Konzerne wie Vonovia zu noch mehr Rendite an. Blackrock ist ein Staat im Staate – und das ohne demokratische Kontrolle – eine gefährliche Entwicklung. Ein klarer Fall für Kühnert. Damit könnte er noch Blackrock-Freund und CDU-Mann Friedrich Merz eins auswischen.
Kühnert könnte sich Blackrock vornehmen…