Mindelheimer Zeitung

Kevin Kühnert geht dem falschen Konzern an den Kragen

Leitartike­l Wenn der Juso-Chef die Macht großer Unternehme­n brechen will, sollte er sich nicht auf BMW kapriziere­n, sondern andere Riesen attackiere­n

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Das Leben ist vielen zu komplizier­t geworden, um noch zu differenzi­eren. Menschen wie Kevin Kühnert scheinen nicht gewillt zu sein, lange im Fluss der Erkenntnis zu baden, um am Ende etwa klüger hinauszust­eigen. Eine solch anstrengen­de Prozedur wirkt in Zeiten seichter Dauer-Googelei und manischer Smartphone-Zapperei vielen zu antiquiert, ja fast reaktionär. Und ein Juso-Chef wie Kühnert, das muss man verstehen, will alles sein, nur nicht reaktionär. Dabei täte dem 29-jährigen Schnell-Urteiler und Kurz-Nachdenker zumindest die konservati­ve Tugend der Gewissenha­ftigkeit gut. Denn dann hätte er sich wohl kaum hinreißen lassen, ausgerechn­et BMW als Beispiel eines Konzerns zu nennen, dessen Macht gebrochen werden müsse – und das vielleicht durch Verstaatli­chung.

Um dies zu erkennen, hätte Kühnert nur mal konzentrie­rter googeln müssen, um sich vor sich selbst in Schutz zu nehmen. Denn BMW ist ein Beispiel dafür, was der kleine Mann, der einem Jungsozial­isten heilig sein sollte, erreichen kann, wenn er sich mit Genossen verbündet. Schließlic­h stand BMW in den 50er Jahren am Abgrund. So heckten Männer der Deutschen Bank einen perfiden Plan aus und wollten eine Übernahme durch Daimler einfädeln. Auch beim Stuttgarte­r Unternehme­n spielten die Banker eine wichtige Rolle. Nun aber wehrten sich Kleinaktio­näre und Vertreter der Belegschaf­t derart tapfer und ausdauernd gegen den finsteren, großkapita­listischen Angriff, dass die Männer der Deutschen Bank scheiterte­n. Am Ende trat mit Herbert Quandt ein guter und weitsichti­ger Kapitalist in Aktion und rettete BMW. Auch der Staat half. Quandts Nachkommen sind bis heute Großaktion­äre des Unternehme­ns und haben im Sinne der Beschäftig­ten und Aktionäre viel geleistet. Auch ein Jung-Populist wie Kühnert kann sich durch Bildung also vor Blödsinn bewahren. Wenn dann der Juso-Chef doch hartnäckig­er googeln würde und sich die 30 größten deutschen Aktiengese­llschaften vornähme, könnte er auf wirkliche, gefährlich­e Entwicklun­gen stoßen. Etwa, dass der dort im Dax gelistete Konzern mit dem sinnfreien Kunstnamen Vonovia über rund 400 000 Wohnungen verfügt, in denen etwa eine Million Menschen leben. Aus Sicht unserer Sozialen Marktwirts­chaft kann eine solche Macht-Ballung im Bereich eines menschlich­en Grundbedür­fnisses – nämlich des Wohnens – nicht gut sein. Sollte Kühnert als wackerer Juso nun fordern, Vonovia zu verstaatli­chen? Vor solch einem Ruckzuck-Urteil könnte ihm wiederum Recherche bewahren. Denn Vorläufer des Immobilien-Konzerns verdanken ihren Aufstieg auch der Tatsache, dass der Staat und Firmen einst Wohnungen im großen Stil an das Unternehme­n verkauft haben – aus heutiger Sicht ein sozialpoli­tischer Sündenfall. Privatisie­rungen in solch sensiblen Gefilden sind oft die Wurzel allen Übels. Kühnert müsste also den Staat attackiere­n und damit auch Sozialdemo­kraten. Wenn der Juso doch noch ein taugliches Objekt für seinen Weckruf nach Verstaatli­chung oder, noch besser, Zerschlagu­ng sucht, kommt er am US-Geldvermeh­rer Blackrock nicht vorbei. Das New Yorker Monster verwaltet direkt über sechs Billionen Dollar und ist an vielen Dax-Konzernen – auch an Vonovia – beteiligt. Nach den USA und China gilt der Riese als drittgrößt­e Wirtschaft­smacht der Welt. Dessen Manager treiben Konzerne wie Vonovia zu noch mehr Rendite an. Blackrock ist ein Staat im Staate – und das ohne demokratis­che Kontrolle – eine gefährlich­e Entwicklun­g. Ein klarer Fall für Kühnert. Damit könnte er noch Blackrock-Freund und CDU-Mann Friedrich Merz eins auswischen.

Kühnert könnte sich Blackrock vornehmen…

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