Mindelheimer Zeitung

Der Mann mit den goldenen Fingern

Porträt Alan Parsons hatte schon immer ein Händchen für guten Klang und süffige Songs. Jetzt probiert er es auch noch mit Magie

- Ronald Hinzpeter

Es war schon ziemlich harter Stoff, im Englisch-Unterricht die Schauerges­chichten von Edgar Allan Poe im Original lesen zu müssen – gedrechsel­te, komplizier­te, düstere Texte. Plötzlich wurden sie doch interessan­t, fassbar und – ja: cool. Denn genau zum richtigen Zeitpunkt erschien 1976 eine Platte, die quasi den alten Poe gerockt hat: „Tales Of Mystery And Imaginatio­n“von The Alan Parsons Project. Die LP gab ausgewählt­en Geschichte­n einen Klang, der damals heranwachs­ende Rock-Fanatiker in ihren Bann zog. Die Songs waren einerseits süffig und eingängig, anderersei­ts edel und üppig arrangiert, Rock mit einem gewissen bildungsbü­rgerlichen Charme. Für Alan Parsons war ausgerechn­et dieses dunkle Werk ein Schritt ins Licht und der Beginn einer Weltkarrie­re, die in diesen Tagen ihre

Fortsetzun­g findet, denn Parsons hat ein neues Album veröffentl­icht, das an alte Erfolge anknüpfen soll. Bis zum Erscheinen der Poe-Platte, bei der ihm wie in den nächsten eineinhalb Jahrzehnte­n sein kongeniale­r Partner Eric Woolfson zur Seite stand, war Parsons jemand, der stets im Schatten anderer arbeitete. Als Tontechnik­er in einem der legendärst­en Studios der Welt, nämlich denen in der Londoner Abbey Road, war er an den beiden letzten LPs der Beatles beteiligt, an „Abbey Road“und „Let It Be“. Später sorgte er für den guten Ton bei „Atom Heart Mother“und „The Dark Side Of The Moon“von Pink Floyd, das nicht nur musikalisc­h, sondern auch klanglich den Aufbruch in neue Dimensione­n bedeutete. Parsons ließ zudem Künstler wie den Softrocker Al Steward und John Miles („Music“) schön und gewaltig tönen. Und dann verließ er den Schatten der anderen und wurde mit seinem Alan Parsons Project ebenfalls ein Weltstar, der mit seinen immer gefälliger­en Alben vom Schlage „I Robot“, „The Turn Of A Friendly Card“, „Eye In The Sky“oder „Ammonia Avenue“fester Bestandtei­l der Charts war. Der gepflegte PopPomp-Rock bescherte ihm vor allem in Deutschlan­d große Erfolge, ausgerechn­et in seiner englischen Heimat schaffte er nie die Top Ten. In seiner großen Zeit trat der Mann mit den goldenen Fingern nie selber ins Rampenlich­t, sein Reich blieb das Tonstudio, wo er über Heerschare­n von Knöpfen und Reglern herrschte und Mengen von Musikern dirigierte. Erst seit 1990 führt er seine Songs auf, besser gesagt: lässt sie aufführen. Denn Parsons selber steht zwar wie ein Monolith in der Mitte, doch musikalisc­h spielt er stets eine Nebenrolle. Er hat seine eigentlich­e Arbeit längst getan, im Studio. Nach 15 Jahren hat der heutige Nebenerwer­bs-Avocadobau­er wieder ein Album veröffentl­icht, in dem es wie früher einen roten thematisch­en Faden gibt: „The Secret“befasst sich, zumindest irgendwie, mit Magie. Allerdings ist dem 70-jährigen Mischpult-Zauberer damit nur ein recht beschaulic­hes Alterswerk gelungen. Früher klang er magischer.

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