Der Thai-König von Tutzing
Porträt An diesem Wochenende wird Maha Vajiralongkorn zum Herrscher von Thailand gekrönt. Das Amt verlangt Würde und Verantwortung. Doch dieser Mann fällt immer wieder mit Eskapaden und schrägen Klamotten auf – vor allem in Bayern. Soll das jetzt so weite
Bangkok/Tutzing Also, da radelt der König von Thailand durch den Erdinger Stadtteil Bergham, und plötzlich ballern zwei bayerische Hundskrüppel aus einem Garten heraus mit ihren Softair-Pistolen kleine Plastikkügelchen auf den Monarchen. Das ist natürlich nicht die feine Art von den beiden Lausbuben, aber auf der anderen Seite: Sie wussten erstens nicht, auf wen sie da schießen. Und zweitens: Was hat eigentlich dieser Maha Vajiralongkorn abends um halb elf auf dem Radl in Bergham zu suchen? Es ist so: Der Thai-König ist ein leidenschaftlicher Bayern-Fan. In Tutzing am Starnberger See hat er für zehn Millionen Euro eine Villa gekauft, sein Sohn, Prinz Dipangkorn, geht in Bayern zur Schule. Immer wieder wird Maha Vajiralongkorn bei Freizeitaktivitäten fotografiert: beim Radl-Ausflug in Unterhosen in Unterammergau, auf der Zugspitze oder auf Neuschwanstein, im Günzburger Legoland, beim Segmüller in Parsdorf. Oft trägt er auf den Fotos, nun ja, seltsame Klamotten. Es gibt etliche Bilder, die den 66-Jährigen in wenig altersadäquaten bauchfreien Tops zeigen, mit aufgemalten Tätowierungen und in Trekking-Sandalen. Und dieser Mann wird nun gekrönt. Thailand. Mit goldenen Schöpfkellen in der Hand knien uniformierte Beamte zeitgleich in allen 76 Provinzen nieder. Sie haben sich an mehr als 100 Wasserquellen positioniert, Die erste Krönung im Land seit etwa 70 Jahren die in der Mythologie des Landes eine besondere Rolle einnehmen – historische Teiche etwa und heilige Flüsse. Um Punkt 11.52 Uhr beginnen sie an jenem Apriltag damit, traditionelle Vasen zu befüllen. Das Wasser schicken sie anschließend aus allen Landesteilen in Richtung der Hauptstadt Bangkok, wo es an diesem Samstag eine Hauptrolle spielen wird bei der wichtigsten Zeremonie des Landes: der Krönung des neuen Königs. Zum ersten Mal seit sieben Jahrzehnten erleben die Thailänder den pompösen Festakt, mit dem das Königreich sein neues Staatsoberhaupt formell ins Amt hebt – inklusive einer rituellen Waschung mit dem gesammelten Wasser. Maha Vajiralongkorn ist bereits seit 2016 König, als sein Vater Bhumibol Adulyadej im Alter von 88 Jahren starb. Doch die Krone wird der König nun zum ersten Mal tragen. Der Wechsel an der Staatsspitze kommt für das Land in einer Phase politischer Unsicherheit. Nach den Wahlen Ende März ist immer noch offen, ob die derzeit herrschende Militärjunta bereit ist, Macht abzugeben. Auch die Rolle, die der neue Monarch im Machtgefüge einnehmen wird, ist offen. Die staatliche PR-Maschine, die das Bild des Königs im Alltag der unverzichtbar machen will, läuft schon lange vor der dreitägigen Zeremonie auf Hochtouren. Fotos des zehnten Herrschers der Chakri-Dynastie, der auch schlicht Rama X. genannt wird, wurden in golden geschmückten Rahmen bis in die entlegensten Dörfer und Beamtenstuben transportiert. Flaggen in der königlichen Farbe Gelb säumen Straßenzüge in Bangkok. Staatsbedienstete wurden schon vor Wochen angewiesen, in gelben Hemden zur Arbeit zu erscheinen. Kritische Stimmen gegenüber Rama X. sind in der Öffentlichkeit nicht zu hören. Das liegt in erster Linie an dem strengen Majestätsbeleidigungsgesetz, das in der Vergangenheit sehr weit ausgelegt wurde und Verstöße mit jeweils bis zu 15 Jahren Gefängnis ahndet. Wer sich etwa bei Facebook mehrfach negativ über das Königshaus geäußert hat, wurde schon mit einigen Jahrzehnten Gefängnis bestraft. In Bayern ist das Gott sei Dank nicht so. Hier darf man sagen, dass Maha Vajiralongkorn so etwas wie der Prinz Charles Thailands ist; ach was: viel mehr. Hier darf man auch sagen, dass viele ihm nicht zutrauen, ein guter König zu sein. Obwohl er die übliche Erziehung genoss. Er besuchte Privatschulen in Großbritannien und Australien, studierte Geisteswissenschaften. Den religiösen Gepflogenheiten entsprechend lebte er als buddhistischer Mönch. Doch selbst Vater Bhumibol ahnte wohl früh, dass die Lebensweise des Sohnes eines Königs nicht würdig sein könnte. Schon 1974 veraner eine Verfassungsänderung. Seither kann auch eine Frau Herrscherin in Thailand werden. Auch Bhumibol galt in jungen Jahren als Lebemann. Doch er kriegte die Kurve. Vajiralongkorn blieb dagegen ein Hallodri. 2007 zeigte ihn ein Video bei einer Geburtstagsparty für den Prinzen-Pudel Foo Foo. Seine damalige Frau sitzt im Slip da und füttert den Hund mit einer Geburtstagstorte. Überhaupt ist es mit den Frauen so eine Sache: Mit drei Ex-Gemahlinnen hat Rama X. sieben Kinder gezeugt. Über all das darf in Thailand nicht laut gesprochen, geschweige denn geschrieben werden. Auffällig ist der fehlende öffentliche Diskurs gerade im Hinblick auf die Machtfülle, die vom Palast ausgeht. Offiziell ist Thailand seit der Revolution von 1932 eine konstitutionelle Monarchie, in der der König eine vorwiegend repräsentative Rolle einnimmt. In der Realität ist das politische Geschehen aber schon lange eng mit dem Königshaus verknüpft. Während Bhumibol vorwiegend hinter den Kulissen eingriff, zeigte Vajiralongkorn schon mehrfach unverhohlen seinen politischen Einfluss. Als die Generäle, die seit ihrem Putsch 2014 herrschen, dem Land eine neue Verfassung verpassten, verweigerte der König seine Unterschrift. Er störte sich offenbar an Paragrafen, die ihn selbst betrafen. Nach den ursprünglichen Plänen hätte er jedes Mal, wenn er sich im Ausland aufhält, einen Stellvertreter bestimmen müssen. Das dürfte dem König aber mit Blick auf seiThailänder Villa in Tutzing missfallen haben. Vajiralongkorn setzte sich durch und brachte das Militär dazu, die Verfassung wieder zu ändern. So kann er weiter auch aus der Ferne regieren – ohne Stellvertreter. Wie es aussieht, hat er das auch vor. Die guten Beziehungen zwischen Bayern und Thailand gehen zurück auf Franz Josef Strauß. Dessen Bemühungen um gewinnbringende Kontakte haben gefruchtet. Die schwerreiche Königsfamilie ist an einem Luxushotel am Münchner Flughafen beteiligt. Die royale Entourage lässt auch viel Geld liegen. Vor Jahren konnte Bauer Blümel in Sandharlanden (Kreis Kelheim) sein Glück kaum fassen, als der König – besser: dessen Diener – auf seinem Feld 60 Kilo Erdbeeren erntete. In Dießen am Ammersee machte die Arbeitsgemeinschaft Diessener Kunst 2007 einen Monatsumsatz mit dem königlichen Besuch. Der Thai-König ist fast schon ein Thai-Kini, eine Art Nachfolger des Märchenkönigs Ludwig II. – ebenso exzentrisch, ebenso verschwendelasste risch. Und er liebt Bayern – obwohl er hier seine tiefste Kränkung erlebte. Diese Geschichte führt nach Augsburg. Mitte Juli 2011 hatte der Ulmer Wirtschaftsprüfer Werner Schneider Vajiralongkorns Boeing 737 gepfändet. Einfach so. Er klebte der königlichen Maschine am Münchner Flughafen einen Pfändungs-Kuckuck auf. Als Insolvenzverwalter des früheren Augsburger Baukonzerns Walter Bau wollte er auf diese Weise eine seit 20 Jahren offene Forderung von rund 30 Millionen Euro gegen den thailändischen Staat eintreiben. Walter Bau hatte in Thailand eine Autobahn gebaut, dafür aber kein Geld gesehen. Der König soll außer sich gewesen sein. Es folgten wochenlange juristische Auseinandersetzungen. Die Pfändung geriet zur Staatsaffäre. Maha Vajiralongkorn saß mit seinem Tross fest, ließ es sich aber so gut wie möglich gehen. Schließlich hinterlegte der thailändische Staat eine Bankbürgschaft über 38 Millionen Euro. Das Flugzeug, das der Prinz als ausgebildeter Pilot meist selbst fliegt, wurde Mitte August wieder freigegeben. Die Lust auf Bayern hat ihm die Affäre nicht verdorben. Bald darauf war er wieder da. Im April 2013 übte er am Allgäu-Airport in Memmingerberg das Landen, indem er mit seiner Boeing ein „Touch and Go“-Manöver flog. Der König am Steuer setzte für wenige Sekunden am Boden auf und startete sogleich wieder durch. Die Staatsaffäre wurde erst Anfang 2017 beendet. Thailand zahlte dem Walter-Bau-Insolne venzverwalter 44,6 Millionen Euro. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof das Königreich dazu verdonnert. Ein stolzer Betrag, der sich aber relativiert angesichts eines Palastvermögens von geschätzten 35 Milliarden Euro. Dazu gehören viele Grundstücke in Bangkok sowie Beteiligungen an großen Konzernen. Auf den Reichtum hat sich Vajiralongkorn mittlerweile den kompletten Zugriff gesichert. In der Vergangenheit war es gängige Lesart, dass die Besitztümer der Monarchie als Institution gehörten. Eine Gesetzesänderung legte nach Vajiralongkorns Amtsantritt aber fest, dass das Vermögen allein dem König persönlich gehört – und er damit machen kann, was er will. Beschlüsse, die das Stadtbild von Bangkok spürbar verändern, hat er schon gefasst: Ehrwürdige Institutionen wie der Zoo und eine Pferderennbahn befanden sich auf königlichen Grundstücken und mussten schließen. Auch sonst traf Vajiralongkorn weitreichende Entscheidungen. Er verhinderte, dass seine Schwester bei den Wahlen für eine Partei des im Exil lebenden De-facto-Oppositionschefs Thaksin Shinawatra ins Rennen zog. Vor dem Wahltag forderte er die Thailänder auf, für „gute Leute“zu stimmen, was viele als Empfehlung für den politischen Arm des Militärs interpretierten. Kurz darauf entzog er Thaksin den königlichen Orden mit der Begründung, dieser habe sich „extrem unangemessen verhalten“. Das Endergebnis der Wahl soll erst nach der Krönung veröffentlicht Dann machte er seine jetzige Frau zur Generalin werden. Dass seine Sympathien aber nicht bei den Thaksin nahe stehenden Oppositionsparteien liegen dürften, scheint der König klargemacht zu haben. Dass er aber weiterhin für Überraschungen gut ist, zeigte Vajiralongkorn am Mittwoch. Er heiratete ohne Vorankündigung seine Lebensgefährtin Suthida Tidjai, 40. Sie war früher Stewardess bei Thai Airways und lebte in München, wurde dann angeblich eine Art Leibwächterin und in dieser Funktion zu einer Generalin der thailändischen Armee. So schnell geht das, wenn man mit einem ThaiKönig liiert ist. Während die beiden in Bayern leicht bekleidet Radl fahren, gilt in Thailand die strenge Etikette. Bei der Trauungszeremonie musste sich die neue Königin Suthida vor den König auf den Boden werfen. Der benetzte ihr Haupt dann mit heiligem Wasser. Welch ein verrücktes Doppelleben!