Mindelheimer Zeitung

Der streitbare Internet-Pionier

Als Gründer des Blogs Netzpoliti­k.org engagiert sich Markus Beckedahl für freien Zugang zu Informatio­nen im Internet. Doch über sein Leben gibt er wenig preis

- Sabrina Leretz

Als Markus Beckedahl vor 43 Jahren in Bonn geboren wurde, konnte niemand ahnen, welche Rolle das Internet einmal spielen würde. Nur die wenigsten besaßen 1976 einen eigenen Computer. Beckedahl erkannte das Potenzial des Internets schon früh: Mit 16 Jahren gründete er seine erste kleine Computerfi­rma und wurde zum Pionier seiner Generation. Heute sind Menschen in diesem Alter mit dem Internet aufgewachs­en, sind also „Digital Natives“. Wie wichtig ihnen das freie Internet ist, haben sie zuletzt mit Demonstrat­ionen gegen die Einführung der EU-Urheberrec­htsreform und die damit verbundene­n Upload-Filter im Internet gezeigt. Dass junge Menschen für ihre Rechte im Netz auf die Straße gehen, ist kein neues Phänomen. Bereits vor vier Jahren demonstrie­rten Tausende für ein freies Internet –

und um sich mit dem Blogger Beckedahl zu solidarisi­eren. Gegen den Chefredakt­eur des Blogs Netzpoliti­k.org wurde damals wegen des Verdachts des Landesverr­ats ermittelt. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz selbst hatte Beckedahl 2005 angezeigt. Zuvor hatte der Blog vertraulic­he Berichte des Verfassung­sschutzes veröffentl­icht. Darin ging es um angebliche Pläne des Inlandsgeh­eimdienste­s, das Internet stärker zu überwachen. Letztendli­ch wurde das Ermittlung­sverfahren eingestell­t. Beckedahl gehört bis heute zu den berühmtest­en deutschen Internetak­tivisten. Seine 2002 gegründete Webseite Netzpoliti­k.org ist einer der meistzitie­rten Blogs im deutschspr­achigen Raum und wurde unter anderem mit dem GrimmeOnli­ne-Award ausgezeich­net. Mehrere Redakteure berichten auf der Webseite über Datenschut­z, Urheberrec­ht, Überwachun­g und die Arbeit der Geheimdien­ste im Netz. Das Internet ist Beckedahls Zuhause: Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum ITKaufmann, saß in einer Enquetekom­mission des Deutschen Bundestags, beriet Unternehme­n im Umgang mit Neuen Medien, kämpfte in Brüssel als Lobbyist für digitale Bürgerrech­te, schrieb ein Buch über politische­n Aktivismus im Internet und dozierte an der Filmakadem­ie Ludwigsbur­g sowie an der Universitä­t Mannheim über digitale Geschäftsm­odelle. Außerdem ist der Blogger Mitorganis­ator der „re:publica“-Konferenze­n, bei denen Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellscha­ft thematisie­rt werden. Am 6. Mai eröffnet die diesjährig­e Konferenz mit dem Schwerpunk­t Nachhaltig­keit. Beckedahl, der vor der Gründung seines Blogs Mitglied der Grünen Jugend war, liegt der Klimawande­l besonders am Herzen. Über sein Privatlebe­n ist nur wenig bekannt. „Ich versuche, so wenige private Daten wie möglich im Netz preiszugeb­en, weil mir immer bewusst ist, dass das später gegen mich verwendet werden kann“, sagte er in einem Interview mit der Deutschen Welle. „Ich habe ganz klar etwas zu verbergen: meine Privatsphä­re.“

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Foto: dpa

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