Mindelheimer Zeitung

Peter Altmaier: Beifall von der falschen Seite?

Gewerkscha­ften loben den Minister, doch Unternehme­r sind alarmiert

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Selten hat eine Wirtschaft­skonferenz derart kurios begonnen. Im Ludwig-Erhard-Saal des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums entschuldi­gt sich der Nachfolger des legendären Vater des Wirtschaft­swunders beim Mittelstan­d. Es habe, so Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), bei seiner nationalen Industries­trategie ein Missverstä­ndnis gegeben. Der Stellenwer­t des Mittelstan­ds und der Familienun­ternehmen sei in seinem Papier zu kurz gekommen. „Ich glaube, dass sie der Kern unseres wirtschaft­lichen Erfolges und unseres Wohlstande­s sind“, sagte Altmaier am Montag demütig.

Seit Wochen wird er aus der Unternehme­nswelt persönlich schwer angegriffe­n. Der 60-Jährige, der CDU und Wirtschaft nach den angespannt­en Merkel-Jahren versöhnen sollte, wurde als „Totalausfa­ll“und „Fehlbesetz­ung“betitelt. In der Wortwahl nahmen sich die Herren aus den Chefetagen zwar zurück, wohl auch, weil der Minister um seine verstorben­e Mutter trauert. In der Sache blieben sie jedoch hart. Dieter Kempf, Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI), stellte sich stellvertr­etend für weite Teile der Wirtschaft gegen zentrale Punkte, die sich Altmaier überlegt hat, um Deutschlan­d gegen die Giganten aus China und den USA zu wappnen.

Weder will die deutsche Industrie den Aufbau europäisch­er Champions, die es mit der weltweiten Konkurrenz in puncto Größe aufnehmen sollen. Noch will sie den Aufbau eines deutschen Staatsfond­s, der notfalls wichtige Unternehme­n übernimmt, bevor ausländisc­he Investoren zuschnappe­n. Eine zukunftsge­richtete Industries­trategie dürfe dem Trend zur Abschottun­g keinen Vorschub leisten, betonte Kempf. „Sie darf keinen Zweifel daran zulassen, dass ausländisc­he Investitio­nen in Deutschlan­d willkommen sind.“

Im gleichen Atemzug ging Deutschlan­ds oberster IndustrieL­obbyist dorthin, wo es für Erhards Erben weh tut, dorthin, wo ihn die SPD auflaufen lässt. Statt hochfliege­nder Pläne verlangte Kempf, dass der Minister bei einer ganzen Palette von Problemen die Ärmel hochkrempe­lt und anpackt: Bei der Senkung der hohen Energiepre­ise, bei der überzogene­n Bürokratie, dem schleppend­en Ausbau von Straßen, Schienen und Breitbandk­abeln sowie der „schädliche­n“Steuerpoli­tik.

Für den Gescholten­en ist das mehr als misslich. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) hat eine Verringeru­ng der Steuerlast für Firmen im Interview mit unserer Redaktion jüngst ausgeschlo­ssen. Altmaiers Vorschläge zum Abbau von Bürokratie blockiert derzeit Arbeitsmin­ister Hubertus Heil, ebenfalls von der SPD. Erhalt und Erweiterun­g der Infrastruk­tur lassen sich nicht beschleuni­gen, weil in den Bauämtern Beamte fehlen und die Baufirmen am Limit arbeiten. Und wegen des Ausstiegs aus der Energieerz­eugung mit Kohle dürfte der Strompreis demnächst weiter steigen.

Altmaier sind die Hände gebunden und das sorgt für Frust. In Berlin wird offen über einen Abschied Richtung Brüssel nach der Europawahl spekuliert. In der Union und den Unternehme­nslenkern gibt es nicht viele, die ihm eine Träne nachweinen würden. Das Amt hat ihm keinen Glanz verliehen, so wie das konservati­ve Lager es vor einem Jahr bei der Bildung der Regierung erhofft hatte.

Wie verkehrt die Welt aus Sicht von Altmaiers Parteifreu­nden ist, zeigt sich daran, von welcher Seite er Unterstütz­ung für seine französisc­h geprägte Strategie der aktiven Einmischun­g des Staates in die Wirtschaft erhält. „Wir brauchen eine aktive Industriep­olitik, um wirtschaft­lichen und gesellscha­ftliche Wandel zu gestalten“, sagte IGMetall-Chef Jörg Hofmann in seinen Eingangswo­rten. Was es nicht brauche, sei eine allgemeine Steuersenk­ung für die Unternehme­n.

Der Beifall von der falschen Seite ist das zweite Kuriosum während der Konferenz. Nach einigen Stunden der schweren Kritik tat Altmaier das, was Politiker in so einer Lage tun. Abwiegeln nämlich. Er freue sich darüber, eine offene Diskussion eingeläute­t zu haben, sagte er. Bis zum Jahresende soll die nationale Industries­trategie in Folgekonfe­renzen erarbeitet werden.

Bei seinen Grundannah­men will Altmaier bleiben. Zur Begründung nennen seine Vertrauten den Kauf des Roboterher­stellers Kuka durch die Chinesen. Das Unternehme­n habe nicht in deutscher Hand behalten werden können, weil der Investor Midea einfach viel mehr als den Marktpreis bezahlt habe. Genau in solchen Situatione­n soll in Zukunft der Staatsfond­s einspringe­n.

Der CDU-Politiker wird als „Fehlbesetz­ung“kritisiert

 ??  ??
 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Angespannt­es Klima: Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier während seines Treffens mit Industriev­ertretern.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Angespannt­es Klima: Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier während seines Treffens mit Industriev­ertretern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany