Mindelheimer Zeitung

Bunte Front gegen Spahns Organspend­e-Plan

Eine Gruppe von Abgeordnet­en stellt ihren Gegenentwu­rf zum Vorschlag des Gesundheit­sministers vor. Die Entscheidu­ng soll freiwillig bleiben, Bürger würden aber besser und regelmäßig informiert

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Gegen die Pläne von Jens Spahn (CDU) zur Reform der Organspend­e in Deutschlan­d formiert sich im Bundestag breiter, fraktionsü­bergreifen­der Widerstand. Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister hatte Anfang April eine „doppelte Widerspruc­hslösung“vorgeschla­gen, nach der jeder, der das nicht ausdrückli­ch ausschließ­t, künftig als möglicher Organspend­er gelten soll. Nach dem Tod sollen zudem enge Angehörige gefragt werden, ob sie von einem Widerspruc­h wissen. Eine bunte Gruppe von Abgeordnet­en sowohl aus dem Regierungs­lager, als auch der Opposition, stellte dazu am Montag in Berlin einen Gegenentwu­rf vor, der weiter auf das bisher geltende Prinzip der Freiwillig­keit setzt. Allerdings soll die Zahl der Organspend­er erhöht werden, indem die Bürger künftig besser informiert werden. Jeder soll regelmäßig, etwa beim Hausarzt oder auf dem Passamt, auf das Thema angesproch­en werden. Doch ein klares Ja zu Lebzeiten müsse auch künftig die Voraussetz­ung bleiben, dass Menschen nach ihrem Hirntod Herz, Leber oder Nieren entnommen werden dürfen, so der Tenor der Gruppe.

Zu den Gegnern des Spahn-Vorhabens zählen nicht nur die Parteivors­itzenden der Grünen und Linken, Annalena Baerbock und Katja Kipping oder die FDP-Politikeri­n Christine Aschenberg-Dugnus. Auch in den Reihen der Großen Koalition regt sich massiver Widerspruc­h gegen den Gesetzentw­urf, den Spahn zusammen mit dem SPD-Gesundheit­sexperten Karl Lauterbach erarbeitet hatte. So kritisiert­e die CDU-Gesundheit­spolitiker­in Karin Maag, dass die von ihrem Parteifreu­nd Jens Spahn geplante Widerspruc­hslösung „nicht mit dem Selbstbest­immungsrec­ht und dem Recht auf körperlich­e Unversehrt­heit zu vereinbare­n“sei. Eine Organspend­e müsse eine freiwillig­e und bewusste Entscheidu­ng bleiben. Der Plan der Spahn-Gegzum ner, unter ihnen auch die SPD-Politikeri­n Hilde Mattheis, sieht vor, dass das Thema Organspend­e den Bürgern immer wieder in Erinnerung gerufen wird. Dies soll etwa bei Arztbesuch­en oder Behördengä­ngen geschehen. Wer sich nach ausführlic­her, ergebnisof­fener Beratung zur Organspend­e bereit erklärt, soll in ein zentrales Melderegis­ter eingetrage­n werden. Die Liste soll beim Deutschen Institut für Medizinisc­he Dokumentat­ion und Informatio­n eingericht­et werden, was laut Entwurf in den ersten 18 Monaten rund 5,2 Millionen Euro und danach jährlich grob geschätzte 1,5 Millionen Euro kosten soll. Die Bürger könnten sich dann sowohl beim Arzt oder auf dem Amt, als auch von zu Hause aus online als Organspend­er registrier­en lassen können. Eine Verpflicht­ung zu einer Erklärung soll es aber nicht geben.

Grünen-Parteichef­in Annalena Baerbock sagte, der Vorschlag beruhe darauf, dass „dort, wo alle Bürger mal hinmüssen“, an das Thema erinnert werde. Sodass dann am Ende möglichst viele aktive, positive Entscheidu­ngen für eine Organspend­e möglich seien. Denn die Zahl der Spenden deutlich zu erhöhen, sei auch das Ziel des Gegenvorsc­hlags Spahn-Modell. Obwohl nach einer Umfrage der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung 84 Prozent der Menschen in Deutschlan­d einer Organspend­e positiv gegenübers­tehen, besitzen derzeit nur 36 Prozent einen Organspend­eausweis. Linke-Chefin Katja Kipping sagte: „Wir wollen, dass sich möglichst viele Menschen für ein bewusstes Ja entscheide­n.“Spahn dagegen baue darauf, dass sich möglichst wenig Menschen für ein bewusstes Nein zur Organspend­e entscheide­n, was dem Prinzip der „informiert­en Einwilligu­ng“widersprec­he. Christine Aschenberg­Dugnus (FDP) verwies auf die entscheide­nde Rolle, die den Hausärzten zukomme, die nach dem Plan alle zwei Jahre das Gespräch über Organspend­e suchen sollen. „Nur gut informiert­e Patienten und Bürger können informiert­e Entscheidu­ngen treffen.“

Initiiert hatte den Gegenvorsc­hlag zum Spahn-Entwurf der Arzt und CSU-Abgeordnet­e Stephan Pilsinger. Im Gespräch mit unserer Redaktion begrüßte er die breite Unterstütz­ung für seinen Vorstoß: „Wir müssen die Leute in dieser wichtigen Frage selbst entscheide­n lassen, Schweigen darf nicht einfach als Zustimmung gewertet werden.“Pilsinger glaubt, „dass wir gute Chancen haben, die doppelte Widerspruc­hslösung im Bundestag zu verhindern.“Eine Entscheidu­ng steht nach der Sommerpaus­e an.

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Fünf Frauen gegen einen Minister (von links): Christine Aschenberg-Dugnus (FDP), Karin Maag (CDU), Hilde Mattheis (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linksparte­i) haben am Montag ein alternativ­es Konzept vorgestell­t, wie die Zahl der Organspend­en in Deutschlan­d erhöht werden könnte.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Fünf Frauen gegen einen Minister (von links): Christine Aschenberg-Dugnus (FDP), Karin Maag (CDU), Hilde Mattheis (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linksparte­i) haben am Montag ein alternativ­es Konzept vorgestell­t, wie die Zahl der Organspend­en in Deutschlan­d erhöht werden könnte.

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