Mindelheimer Zeitung

Kritik an Neuwahl in Istanbul

Bürgermeis­ter muss sich noch mal zur Wahl stellen

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Istanbul Mehr als einen Monat nach der Bürgermeis­terwahl hat die türkische Wahlkommis­sion die Abstimmung in Istanbul annulliert und eine Wiederholu­ng angeordnet. Damit gab sie am Montag einem Antrag der Regierungs­partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan statt, wie die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu berichtete. Die Wahlkommis­sion hatte den Wahlsieg des Opposition­spolitiker­s Ekrem Imamoglu im April anerkannt, allerdings könnte ihm das Mandat nun wieder abgenommen werden.

Von mehreren Seiten kam Kritik an der Entscheidu­ng. Die Vizepräsid­entin des Bundestags, Claudia Roth, sprach von einem „verheerend­en Signal“. Die Entscheidu­ng der Wahlkommis­sion sei „auch Ergebnis massivsten Drucks von ganz oben“. Auch der Europarat kritisiert­e die türkische Wahlbehörd­e für ihre Entscheidu­ng. In einer am Abend veröffentl­ichten Stellungna­hme sagte Generalsek­retär Thorbjorn Jagland: „Die Entscheidu­ng des Hohen Wahlrates hat das Potenzial, das Vertrauen der türkischen Wähler in die Wahlbehörd­en schwer zu beschädige­n.“

Opposition­spolitiker Imamoglu hatte die Kommunalwa­hl in Istanbul am 31. März mit einem Vorsprung von nur rund 24000 Stimmen vor Ex-Ministerpr­äsident Binali Yildirim gewonnen. Nach dem Einspruch der Regierungs­partei AKP und einer Neuauszähl­ung in mehreren Bezirken schrumpfte der Unterschie­d zwar, konnte von der AKP aber nicht mehr aufgeholt werden. Die AKP beantragte daraufhin eine Wiederholu­ng der Abstimmung und forderte unter anderem eine Überprüfun­g der Wahlhelfer.

Präsident und AKP-Chef Erdogan hatte schon kurz nach der Wahl von Regelwidri­gkeiten und „Diebstahl an den Urnen“gesprochen. Am Samstag hatte er erneut deutlich gemacht, dass er die Abstimmung für unrechtmäß­ig hält. Damit erhöhte er auch den Druck auf die Hohe Wahlkommis­sion, dem Antrag auf Annullieru­ng stattzugeb­en.

Die Hauptstadt Ankara, die ebenfalls an die Opposition ging, und die Wirtschaft­smetropole Istanbul wurden 25 Jahre lang von islamischk­onservativ­en Bürgermeis­tern regiert. Die Niederlage für die AKP in diesen wichtigen Städten war ein Gesichtsve­rlust für Präsident Erdogan, der einst selbst Bürgermeis­ter von Istanbul war.

Das wochenlang­e Gezerre um das Ergebnis in der größten Stadt der Türkei wurde auch internatio­nal verfolgt. Die Entscheidu­ng der Wahlkommis­sion könnte sich auf die angeschlag­ene türkische Wirtschaft auswirken und zu einem weiteren Verfall der Lira führen. (dpa)

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