Mindelheimer Zeitung

Experten rechnen Abi-Aufgaben nach

60 000 Menschen haben eine Petition gegen das diesjährig­e Mathe-Abitur unterzeich­net. Jetzt müssen die Lehrer selbst in die Prüfung. Von ihrem Ergebnis hängt alles ab

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VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Viel zu schwer, viel zu viel Text, viel zu wenig Zeit: Weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, wollen zehntausen­de Schüler im Freistaat mit einer Petition erreichen, dass das Mathematik-Abitur neu bewertet wird. Sollten sie recht bekommen, wäre das ein Novum in Bayern.

Was ist das Problem?

Noch am Tag des Mathe-Abiturs vergangene­n Freitag hat eine Schülerin mit Namen Lisa Müller eine Petition im Internet gestartet, um die Bewertung dem Schwierigk­eitsgrad der Aufgaben anzupassen. Mehr als 60000 Menschen unterzeich­neten die Petition bis Montagaben­d. Wenn man so will, hat also jeder der rund 37000 Abiturient­en in Bayern unterschri­eben – und noch über 20 000 Unbeteilig­te.

Was passiert jetzt?

Das Kultusmini­sterium prüft die Aufgaben gerade. Man werde Stichprobe­n aus den Schülerprü­fungen ziehen und diese korrigiere­n, sagte Ministeriu­mssprecher Günther Schuster am Montag unserer Redaktion. So wolle man ein Bild davon bekommen, ob die Ergebnisse tatsächlic­h schlechter sind als in den Vorjahren. Zuletzt hatte sich der Notenschni­tt im Mathe-Abitur um 3,1 herum bewegt. Die Expertenru­nde, die die Aufgaben ein zweites Mal prüft, besteht unter anderem aus Lehrern der Fachschaft­en Mathematik an bayerische­n Schulen und Experten aus den Dienststel­len der bayerische­n Ministeria­lbeauftrag­ten, von denen es in jedem Regierungs­bezirk welche gibt.

Bis wann soll über das MatheAbitu­r entschiede­n werden?

Man erwarte, dass die Bewertung „bis zum Ende dieser Woche“abgeschlos­sen ist, sagte der Ministeriu­mssprecher. Dann soll weiter diskutiert werden. Wird im Fall der Fälle der Notenschlü­ssel angepasst oder das Abitur sogar neu geschriebe­n? Dazu heißt es aus dem Ministeriu­m bisher noch: kein Kommentar.

Ein Aufstand gegen das Abi – hatte so etwas schon mal Erfolg?

Die Situation hat es in Bayern noch nie gegeben. In Niedersach­sen schon: Dort hatten sich im Jahr 2016 massenhaft Schüler über ein zu schwierige­s Mathe-Abitur beschwert – und die Kultusmini­sterin korrigiert­e den Bewertungs­maßstab nach unten.

Haben in Bayern alle Schüler dasselbe Mathe-Abi geschriebe­n? Höchstwahr­scheinlich nicht. Die Prüfungsau­fgaben werden vor dem Schreibter­min gefaltet und versiegelt an die Schulen geliefert. Dort lagern sie im Tresor – je zwei Aufgaben aus den Bereichen Analysis, Geometrie und Stochastik. Frühmorgen­s treffen sich die Mathematik­lehrer der Schule, rechnen die Aufgaben durch und wählen die aus, die sie für ihre Schüler am geeignetst­en halten. Die Schüler selbst können nicht mehr wählen.

Was mussten die Schüler dieses Jahr konkret ausrechnen?

Die Aufgaben, die unserer Zeitung vorliegen, sind äußerst umfangreic­h und lassen sich nicht in ein paar Sätzen zusammenfa­ssen. Im Bereich Stochastik steht vor allem eine Frage in der Kritik, die sich mit dem Verkauf von Losen an einer Losbude befasst – und dem Gewinn, den die Budenbesit­zerin daraus erzielen kann. In Geometrie ist vor allem ein Teil umstritten, in dem die Schüler mittels einer Grafik die Lage zweier Bohrkanäle berechnen müssen.

Wie bewerten Experten das Abitur? Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands, hat schon am Wochenende Mathe-Lehrer nachrechne­n lassen. Sie kamen zu dem Schluss, dass es ein Zeitproble­m gegeben habe. Noch dazu sei „in so gut wie jeder Aufgabe ein Stolperste­in“gewesen. Reinhard Oldenburg, Professor für Mathematik-Didaktik an der Universitä­t Augsburg, sagt: In einem Geometriet­eil seien ungewöhnli­ch viele Argumentat­ionen eingeforde­rt worden. „Das Niveau der Aufgabenst­ellung ist aber meines Erachtens angemessen und durch den Lehrplan gedeckt.“

Wer erstellt die Aufgaben?

Dafür gibt es in Bayern eine AbiturKomm­ission aus Lehrern für jedes Fach. Lehrkräfte reichen Aufgabenvo­rschläge ein, die Kommission wählt eine Reihe davon aus. Seit 2017 können die Bundesländ­er Aufgaben auch aus einem gemeinsame­n, deutschlan­dweiten Pool nehmen. Teile der jetzt kritisiert­en Aufgaben stammen aus diesem Pool. Auch in anderen Landesteil­en haben Schüler Petitionen gestartet, etwa in BadenWürtt­emberg, Niedersach­sen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen.

Was ist eine Petition?

Jeder Mensch hat in Bayern die Möglichkei­t, eine Petition zu starten. Um ihrer Beschwerde Nachdruck zu verleihen, sammeln viele Bürger Unterschri­ften. Zog man dafür in der Vergangenh­eit mit Listen von Haus zu Haus, geschieht das heute oft übers Internet – etwa über Plattforme­n wie openpetiti­on oder change.org, wie jetzt bei der Beschwerde über das Mathematik­Abitur.

Wer entscheide­t über eine Petition? Sobald eine Beschwerde bayerische Gesetze und Behörden betrifft, ist der Landtag dafür zuständig. Er befasst sich jedes Jahr mit rund 2400 Eingaben – entweder im extra dafür geschaffen­en Petitionsa­usschuss oder gleich im zuständige­n Fachaussch­uss. Im Fall des Mathe-Abis wäre wohl der Bildungsau­sschuss zuständig. Er kann die Petition abweisen oder sie der Staatsregi­erung weiterleit­en. Damit signalisie­rt der Ausschuss, dass die Petition berechtigt ist und die Regierung sie annehmen oder zumindest prüfen sollte. Sieht sich die Regierung dazu nicht in der Lage, kann der Ausschuss die Petition in die Vollversam­mlung des Landtags verweisen.

Das Mathe-Abi wird geprüft, ohne dass die Petition schon dem Landtag übergeben wurde. Warum?

Das ist tatsächlic­h ungewöhnli­ch. Doch der Aufruf hat innerhalb kürzester Zeit so viel Aufmerksam­keit erregt, dass das Kultusmini­sterium sich offenbar gezwungen sah, zu reagieren. (mit dpa, wolo)

Eine Art Etikettens­chwindel war die bayerische Grenzpoliz­ei von Anfang an: Denn tatsächlic­h führen die Landespoli­zisten unter neuem Namen vor allem die erfolgreic­he Arbeit fort, die sie bereits als Schleierfa­hnder ausgeübt hatten. Die griffige neue Bezeichnun­g war vor allem dem Landtagswa­hlkampf geschuldet, in dem die CSU ein Symbol für ihr in der Flüchtling­skrise angekratzt­es Image als Partei der inneren Sicherheit brauchte.

Unabhängig vom Namen macht das zusätzlich­e bayerische Engagement im Grenzland jedoch Sinn – nicht nur mit Blick auf illegale Migration, sondern auch bei der Kriminalit­ätsbekämpf­ung. Ob die zum Grenzschut­z eingesetzt­en Beamten einen Bundesadle­r auf der Brust tragen oder weiß-blaue Rauten, kann der Bevölkerun­g ohnehin ziemlich egal sein. Was zählt, ist allein, dass Kompetenzg­erangel einer erfolgreic­hen Polizeiarb­eit nicht im Wege stehen darf.

Ob die neue bayerische Grenzpoliz­ei auch verfassung­skonform ist, dürfte angesichts der unübersich­tlichen Rechtslage deutlich schwierige­r zu klären sein. Den Grünen geht es bei ihrer Klage allerdings wohl weniger um die Verteidigu­ng der föderalen Ordnung, als um ihre eigene Image-PR im aktuellen EuropaWahl­kampf. Der inneren Sicherheit ist mit solchen politische­n Winkelzüge­n jedoch ebenso wenig gedient, wie dem hehren Ziel der Verteidigu­ng offener Grenzen in Europa. Denn bayerische Grenzpoliz­ei hin oder her: Ob in Zukunft an der Grenze zu Österreich überhaupt weiter kontrollie­rt wird, entscheide­t ohnehin allein der Bund.

Lesen Sie dazu „Grüne klagen gegen bayerische Grenzpoliz­ei“auf der nächsten Bayern-Seite.

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