Zu Hause eine Mutter, im Dienst eine Mörderin
Vom Töten aus der Ferne: Das Landestheater geht auf den Allgäu-Airport und zeigt dort die Soldatenlaufbahn einer Drohnenpilotin
VON BRIGITTE HEFELE-BEITLICH
Memmingen Es ist eiskalt in der sogenannten Lärmschutzhalle, einem hohen Betonkubus am Allgäu-Airport Memmingen, in dem jede Wand an eine militärische Vergangenheit erinnert. Kein gewöhnlicher Ort für eine Theaterpremiere. Wärmende Decken liegen für die Zuschauer bereit, die in dicken Jacken Platz nehmen auf den hineingeschafften Stühlen. Und trotzdem wird ihnen die ganze 90-minütige Aufführung über ein Frösteln bleiben.
Trügerisch war der Weg über einen „Kiss-and-ride“-Parkplatz zu dieser temporären Spielstätte des Landestheaters Schwaben auf dem ehemaligen Fliegerhorstgelände; eher schon verriet ein ausgedienter Starfighter auf dem Weg dorthin, worum es geht: um eine perfekt programmierte US-Kampfmaschine, die doch am Ende „Am Boden“zerstört sein wird. So heißt das hochaktuelle, mehrfach ausgezeichnete Monodrama von George Brant – gemeint ist damit die Psyche einer jungen, erfolgreichen F16-Pilotin der US-Airforce, der die Grenze zwischen Tötungsgeschäft und Familienleben irgendwann gefährlich verschwimmt.
Dabei sitzt sie nicht einmal mehr in ihrer pfeilschnellen „Tiger“, ihrem „Mädchen“, mit der sie Raketen in Kriegsgebiete hinabregnen lässt, bevor sie wieder ins unendliche Blau des Himmels davonschießt. Eine ungewollte Schwangerschaft katapultiert sie heraus aus der Kampfpiloten-Männerwelt, in der sie sich mit „Schweiß, Grips und Mut“einen Namen gemacht hat.
Stattdessen landet sie als junge Mutter in einem Container in der Wüste Nevadas, von wo aus sie Drohneneinsätze in Afghanistan steuern soll. Strafversetzt von der Airforce zur „Chairforce“– den „Sesselfurzern“–, fühlt sie sich damit, auch wenn ihr der Kommandant die Elf-Millionen-Dollar„Reaper“(auf Deutsch: Sensenmann) als „Königin der unbemannten Fluggeräte“anpreist. Wie zur Schichtarbeit soll sie künftig täglich in den Krieg fahren – der 8000 Meilen entfernt stattfindet.
Regina Vogel spielt grandios diese harte, disziplinierte Frau im Kampfanzug, die in knappen, dichten, eindringlichen Sätzen von ihrer Kriegskarriere erzählt. Gebannt folgt das Publikum ihrem Monolog bis hin zur Stationierung auf der perfide organisierten Militärbasis Nevadas, für die es an diesem Spielort nicht mehr als einen Stuhl und eine Kamera braucht. Und zwei Scheinwerferbänder am Boden imaginieren eine Start-und-LandeBahn (Bühne: Marie Wildmann).
Die Boden-Soldatin tut sich schwer vor dem Bildschirm mit dem grau flimmernden Einsatzgebiet. Und mit dem Team im Kopfhörer, das darüber befindet, wer „schuldig“und damit zu liquidieren ist. Bis sie die ersten Körper per Joystick durch die Luft fliegen lässt – und Blut geleckt hat. Nun ist sie aufgenommen in den Kreis der Drohnengötter, die ihre „Erfolge“gegenseitig bejubeln.
Andererseits zehren die brutalen Zwölfstundenschichten zusehends an ihr, und der Krieg tobt auch nach Feierabend weiter im Kopf. Das tägliche Pendeln zwischen warmem Kinderkörper und Wärmebildkamera gelingt immer weniger. Bis sich Muttergefühle und Terroristenjagd komplett überlagern – und im Fiasko enden. Langer Applaus für diese packende, fein gearbeitete Inszenierung von Peter Kesten. O Nächste Aufführungen am 8., 12., 22., 23. Mai